Kiel. Die Zahl der Trickbetrugsfälle in Schleswig-Holstein steigt. Seit Jahresbeginn wurden allein 60 Taten in Reinbek gemeldet.
Die Masche der Trickbetrüger ist zwar nicht neu, aber offenbar so lukrativ, dass falsche Polizisten immer häufiger versuchen, mit fingierten Geschichten an das Geld ihrer Opfer zu kommen. Das belegen jetzt Zahlen der Polizei in Schleswig-Holstein. Die Ermittler in Kiel haben bereits seit Anfang dieses Jahres 220 Fälle registriert, in denen sich Trickbetrüger am Telefon als Polizisten ausgegeben haben.
Damit sind es dieses Jahr schon viel mehr Fälle als im gesamten Vorjahr. Damals zählten die Ermittler 160 solcher Taten. Zwar sind sowohl dieses Jahr als auch 2016 nur 19 Schleswig-Holsteiner wirklich auf die Masche reingefallen, jedoch ist der Schaden immens. Die Polizei geht davon aus, dass falsche Polizisten seit Anfang 2016 rund 1,3 Millionen Euro erbeutet haben. Allein ein Opfer übergab den vermeintlichen Polizisten 350.000 Euro.
Zahl der Taten um ein Vielfaches höher
Zudem dürften das Ausmaß dieses Trickbetrugs noch weitaus größer und die Zahl der Taten offenbar um ein Vielfaches höher sein. Denn für diese Statistik sind nur die Fälle gezählt worden, in denen die Täter sich als Polizist ausgegeben haben und bei deren Anruf auf dem Telefondisplay die gefälschte Nummer 110 angezeigt wurde. Nicht dabei sind die Fälle, in denen die falschen Polizisten mit unterdrückter Nummer anriefen oder sich die Täter als Staatsanwälte ausgaben.
Allein die Kriminalpolizei in Reinbek, die für den Süden des Kreises Stormarn zuständig ist, hat seit Anfang dieses Jahres 60 Fälle registriert, in denen Betrüger sich als Polizisten oder Staatsanwälte ausgaben. Bei der Kripo in Ahrensburg sind es nach Abendblatt-Informationen sogar deutlich mehr solcher Taten. Und auch diese Zahlen dürften nur ein Teil der tatsächlichen Fälle sein. Die Polizei geht von einem großen Dunkelfeld aus. Torge Stelck, Sprecher der Landespolizei, sagt: „Die Opfergruppe sind ältere Menschen. Gehen sie den Betrügern auf den Leim, schämen sie sich oft dafür oder haben Schuldgefühle.“ Deswegen würden einige nichts von dem Trickbetrug erzählen.
Hintermänner sitzen in der Türkei
Die Masche der Trickbetrüger ist dabei fast immer die gleiche und „sie ist sehr perfide“, sagt Hans-Peter Lofing von der Staatsanwaltschaft in Lübeck. Denn die vermeintlichen Beamten nutzen das Vertrauen der Menschen in die Polizei oder Staatsanwaltschaft aus. So ist auch eine 82 Jahre alte Frau aus Lübeck bereits im Dezember 2015 um mehr als 100.000 Euro betrogen worden. Damals rief ein vermeintlicher BKA-Beamter bei der Frau an und sagte, dass in ihrer Wohngegend ein Einbrecher festgenommen wurde.
Bei dem Mann hätte man einen Zettel gefunden, auf dem der Name und die Adresse der Lübeckerin gestanden habe. In weiteren Anrufen erklärte der falsche Polizist der Frau, dass Mitarbeiter ihrer Hausbank mit den Kriminellen aus Osteuropa unter einer Decke steckten und sie deshalb ihr gesamtes Geld abheben solle. Nachdem die Seniorin dieser Aufforderung nachkam, rief der vermeintliche BKA-Ermittler erneut an. Nun sagte er der Frau, dass es sich um Falschgeld handele und dieses von einem Kollegen abgeholt und auf Spuren untersucht werden müsse.
Abholer nur das kleinste Rädchen
Ermittlungen der echten Polizei in diesem Fall führten dieses Jahr zu einem der Täter. Nach einer Öffentlichkeitsfahndung im April konnte der Mann festgenommen werden, der im Verdacht steht, das Geld bei der Frau abgeholt zu haben. Weil die Ermittlungen in diesem Fall noch laufen, möchte die Staatsanwaltschaft keine weiteren Angaben machen.
Allgemein kann Oberstaatsanwalt Hans-Peter Lofing jedoch sagen, dass der Abholer nur das kleinste Rädchen ist. „Er gehört zu der untersten Arbeitsebene“, sagt Lofing und spricht dabei von organisierter Kriminalität. Ermittlungen in anderen Bundesländern hätten ergeben, dass die Hintermänner in der Türkei sitzen. „Von dort erfolgen auch die Anrufe, wobei die Täter fließend Deutsch sprechen“, so Lofing, der das Vorgehen als sehr professionell bezeichnet.
Banden verfügen über technische Mittel
Die Kriminellen haben es insbesondere auf ältere Menschen abgesehen. Zudem haben sie die technischen Mittel, unter falschen Nummern anzurufen. „Haben die Täter dann jemanden an der Angel, wird das Opfer beobachtet.“ Dafür haben die Banden in Deutschland Dependancen, die Lofing als mittlere Arbeitsebene bezeichnet.
Diese Bandenmitglieder schicken dann den Abholer. Die Ermittler gehen davon aus, dass dieser nur einen sehr kleinen Teil des Geldes bekommt. Ferner werden Abholer, sollten sie festgenommen werden, sofort ersetzt. Zur Struktur der Banden gehöre es auch, die Abholer unter Druck zu setzen. Scheitert die Geldübergabe, werden sie verdächtigt, das Geld selbst eingesteckt zu haben und massiv, laut Lofing sogar mit Waffen bedroht.