Eekholt. Zwei Steinmarder testen die Bissfestigkeit von Autoschläuchen. Das Experiment ist Thema einer Masterstudienarbeit.
Die beiden außergewöhnlichen Forscher sind klein, flink und neugierig. Vorsichtig kriechen Wilma und Fred aus ihrem Häuschen, als sie merken, dass sie Besuch bekommen haben. Die Steinmarder mögen harmlos aussehen, wenn sie durch ihr Gehege im Wildpark Eekholt (Kreis Segeberg) klettern, doch für viele Autofahrer wären die beiden ein Graus. Die Pkw-Besitzer würden wahrscheinlich nur die kleinen spitzen Zähne sehen, die alles anknabbern, was sie vors Maul bekommen. Bekanntermaßen unter anderem Autokabel.
Auch Wilma und Fred haben ein paar Plastikmodelle in Reichweite, an denen das Beißen allerdings sogar ausdrücklich erwünscht ist. Die Idee stammt von Biologiestudentin Susann Parlow, die an der Technischen Universität Braunschweig ihre Masterarbeit zum Thema „Marder und Beißverhalten“ schreibt.
Der Wildpark in Eekholt hat hierbei eine zentrale Funktion eingenommen. Aber auch fünf weitere Tierparks stellen ihre Marder zur Verfügung. Schädlich für die Tiere ist das nicht. „So wie Menschen alles anfassen und betasten, was sie nicht kennen, nutzen Marder ihr Gebiss zum Erkunden“, sagt Hans-Heinrich Krüger.
Der Wildbiologe ist im Otterzentrum Hankensbüttel verantwortlich für den Tierschutz und betreut zurzeit Susann Parlow bei ihrem Experiment. Drei Fragen werden untersucht, acht Versuche sollen Antworten liefern. Getestet wird, welchen Einfluss der Durchmesser eines Schutzschlauches hat, welches Material am sichersten ist und zusätzlich noch, ob es im Beißverhalten Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Steinmardern gibt.
Verbindung aus Zoologie und Verhaltensbiologie
„Die Verbindung aus Zoologie und Verhaltensbiologie fand ich schon immer interessant“, sagt Parlow. Sie arbeitet anlässlich ihrer Masterarbeit eng mit einer süddeutschen Zulieferfirma zusammen, die Schutzschläuche für die empfindlichen Autokabel herstellt. In Eekholt haben Wilma und Fred sechs Plastikschläuche dieser Firma mit unterschiedlichen Durchmessern vorgesetzt bekommen.
Tierpflegerin Annelie Otten betreut den Versuch, zu jeder Tageszeit filmt zusätzlich eine Spezialkamera mit Bewegungsmelder und Nachtsichtfunktion das Gehege. „Es ging recht schnell, dass die Marder an die Schläuche gegangen sind“, sagt Otten. Sprich: Fred und Wilma sahen, dass da etwas Fremdes war, warteten die Dunkelheit ab und machten sich ans Werk. „Wir haben am nächsten Tag gesehen, dass sie in dem Bereich waren.“
Mit einer Lust auf Zerstörung moderner Technik ist ihr Verhalten allerdings nicht zu erklären. „Marder knabbern gerne, aber das hat überwiegend mit Revierverhalten zu tun.“ Und das mit den Autos lässt sich ganz logisch erklären. Angenommen, ein Fahrzeug ist in einem Marderrevier abgestellt. Dort werden ganz bestimmte Marder-Pheromone aufgenommen – und von dem jeweiligen Fahrer an einen anderen Ort transportiert.
Dort könnte es ebenso Marder geben, diese riechen dann die Rivalen. Weil der Motorraum sowieso wärmer ist, wird ein Tier dort hingelockt, sucht sich einen Gegenstand, um das Revier zu markieren – und wird in der Regel bei Kabelverkleidungen fündig. Auf diese Weise entsteht jährlich in Deutschland ein Versicherungsschaden von 70 bis 80 Millionen Euro.
Sechs Wochen läuft das Experiment
Für Wolf von Schenck, Geschäftsführer des Wildparks, war es keine Frage, der Studentin zu helfen. „Das machen wir gerne, wir finden das spannend. Und Marder kommen ja immer besonders in Verruf.“ Dass potenziell bessere Technologie zu einem besseren Nebeneinander zwischen Mensch und Wildtier führen könnte, wäre ganz in seinem Sinne. „Wir sind keine Fans von Fallen.“
Insgesamt sechs Wochen läuft das Experiment im Steinmardergehege. Danach kann die Studentin auswerten, an welchem Schlauch am häufigsten geknabbert worden ist, welches Objekt dementsprechend am stärksten beschädigt wurde und welches am geringsten. Außerdem wird wichtig sein, ob im Ernstfall die Schutzwirkung des schwarzen Plastiks erfolgreich gewesen ist oder ob die Marder bereits die darunterliegende Elektronik beschädigt haben.
Erkenntnisse für die Autoindustrie
Damit könnte Susann Parlow auch entscheidende Erkenntnisse für die Autoindustrie beisteuern. Ohne Schutzschläuche gehe es kaum, so Hans-Heinrich Krüger. Steinmarder könnten Kabel problemlos zerteilen, dann sei der Schaden groß. In Hankensbüttel arbeiten die Experten daher schon lange mit Zulieferern und Herstellern zusammen. Insbesondere seit die Produktion von Elek-troautos steigt, steigt auch die Testnachfrage. Susann Parlow: „Elektro-autos haben deutlich weniger Einzel-kabel. Das heißt, wenn eines beschädigt wird, liegt meist gleich der ganze Wagen lahm.“