Reinfeld . Einer der Toten ist ein Unfallhelfer. Polizei ermittelt gegen betrunkenen 42-Jährigen wegen fahrlässiger Tötung

Zwei Autofahrer sind auf der Autobahn 1 zwischen Bad Oldesloe und Reinfeld gestorben – einer von ihnen wollte bloß helfen. Ein möglicherweise schwer betrunkener Mann steht unter Verdacht, die Tragödie verschuldet zu haben.

Donnerstagabend, 20.30 Uhr: Auf der A 1 ist in Fahrtrichtung Süden ein 54 Jahre alter Mann aus Bielefeld mit seinem Toyota nach einem Unfall liegen geblieben – der Verursacher ist bereits vom Unfallort geflohen. Ein 44-Jähriger aus einem kleinen Dorf im Kreis Stormarn bemerkt die Notlage, stellt das Warnblinklicht an, hält mit seinem Honda auf dem Standstreifen, steigt aus und hilft dem Bielefelder aus dem unbeleuchteten Auto, das quer auf der linken Fahrspur steht. Das Heck des Autos ragt nur wenige Zentimeter in die mittlere Fahrspur.

Plötzlich nähert sich von hinten ein ebenfalls 44 Jahre alter Mann aus Köln mit seinem Hyundai. Er sieht das aktivierte Warnblicklicht des auf dem Standstreifen abgestellten Hondas, zieht aus Vorsicht von der rechten auf die mittlere Fahrspur – und kracht dort gegen das Heck des Toyotas. Die beiden Männer, die vermutlich noch vor der Front des Toyotas stehen, werden durch die Wucht des Aufpralls über die Mittelleitplanke geschleudert, sie sterben noch an der Unfallstelle. Die Beifahrerin des Kölners erleidet einen Schock, der 44-Jährige selbst kommt leicht verletzt ins Krankenhaus. Die Autobahn bleibt bis in die frühen Morgenstunden gesperrt.

Immer wieder bezahlen Unfall­helfer bei Nachfolge-Zusammenstößen ihre Hilfsbereitschaft mit ihrem Leben – mitunter auch, weil sie die Unfallstelle nicht ausreichend absichern. Im August 2009 krachte ein BMW auf der A 7 bei Kaltenkirchen in die Mittelleitplanke, nachdem das Auto beim Überholen einen VW Touran touchiert hatte. Ein 30-Jähriger hielt auf dem Seitenstreifen, eilte zur Unfallstelle, doch die Insassen des BMW hatten den Wagen bereits verlassen. Als er zu seinem Auto zurückgehen wollte, passierte das Unglück: Ein VW Passat erfasste den Mann und schleuderte ihn durch die Luft. Er war sofort tot.

Im September 2015 kam ein Lkw-Fahrer ums Leben, der bei Neumarkt (Bayern) einem verunglückten BMW-Fahrer helfen wollte – er starb vor den Augen seines sieben Jahre alten Sohnes, der auf dem Beifahrersitz des Lkw saß. Im Juni 2016 verunglückte der Fahrer eines Reisebusses tödlich, als er auf der A7 bei Fulda einem Audi-Fahrer helfen wollte. Zuvor hatte ein Mercedes-Fahrer auf der regennassen Fahrbahn die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren und den 34-Jährigen erfasst.

Was ist in solchen Situationen zu tun? „Zuallererst ist es wichtig, dass Autofahrer, wenn sie einen Unfall bemerken, das Warnblinklicht anstellen, um den nachfolgenden Verkehr zu warnen“, sagt Hans Duschl vom ADAC Hansa. Dann sollte das eigene Fahrzeug 30 bis 50 Meter vor der Unfallstelle auf dem Seitenstreifen angehalten werden.

Von Empfehlungen, das eigene Auto als eine Art Puffer vor dem Unfallfahrzeug zu positionieren, hält der ADAC nichts – zu groß sei die Gefahr, dass bei einem Crash gefährliche Gegenstände durch die Luft wirbeln und ihrerseits Schaden anrichten. „Deshalb immer auf dem Seitenstreifen anhalten und rechts aussteigen, damit man sich selber nicht in Gefahr bringt“, so Duschl weiter. Anschließend: Warnweste überstreifen und das Warndreieck in rund 150 Meter Entfernung vom Unfallort aufstellen, damit die nachfolgenden Fahrzeuge rechtzeitig ihre Geschwindigkeit verringern können. Und: so schnell wie möglich die Polizei verständigen. „Natürlich will man in so einer Situation zügig helfen“, sagt Duschl, „aber gerade nachts und auf Autobahnen dürfen Helfer auf keinen Fall die Eigensicherung vergessen.“

Kurz nach der tödlichen Kollision bei Reinfeld am Donnerstagabend kreist ein mit Wärmebildkamera ausgestatteter Polizeihubschrauber über dem Unglücksort – weitere Unfallbeteiligte werden aber nicht gefunden. Dafür ermittelt die Polizei während der Fahndung einen Tatverdächtigen: jenen Mann, der den ersten Unfall mit dem Toyota des 54-Jährigen verursacht haben und nach der Kollision von der Unfallstelle auf der A 1 geflüchtet sein soll.

Die Polizei hatte in einem Gewerbegebiet von Bad Oldesloe seinen Ford mit frischen Unfallschäden entdeckt. „Bei einer Überprüfung der Halteranschrift gegen 23 Uhr konnte der Fahrzeughalter stark alkoholisiert zu Hause angetroffen werden“, sagt der Ratzeburger Polizeisprecher Holger Meier. Ob er schon bei dem ersten Unfall betrunken war, müssten nun die weiteren Untersuchungen zeigen. Meier: „Gegen den 42-Jährigen aus Winsen/Luhe hat die Staatsanwaltschaft Lübeck Ermittlungen wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung eingeleitet.“