Hamburg. Überflutete Straßen, abgebrochene Steilufer: Tief „Axel“ wütet von der Lübecker Bucht bis Usedom. Jetzt folgt ein Temperatursturz

„Axel“ bläst die Backen auf: Das Sturmtief, das in der Nacht zu Mittwoch über den Norden hinweggezogen ist, wütete in der Nacht zu Donnerstag über der Ostsee – und sollte für eine folgenreiche Wetteränderung im Norden sorgen. Die Temperaturen könnten teilweise um bis zu zehn Grad Celsius fallen und damit in den Minusbereich drehen. Die Badeorte an der Ostseeküste rüsteten sich am Mittwoch für das stärkste Hochwasser seit zehn Jahren. Starke Schneeböen sollten von der Ostsee her ins Land ziehen und für vereiste Straßen sorgen. Sie könnten am heutigen Donnerstag auch Hamburg erreichen.

Das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) hatte seit Mittwochvormittag vor einer Sturmflut an der deutschen Ostseeküste in der Nacht gewarnt. Tatsächlich wurden an den Küsten Mecklenburg-Vorpommerns und Schleswig-Holsteins Wasserstände von mehr als 1,50 Metern über Normal gemessen. Vielerorts kletterten die Pegelstände weiter: In Wismar, das besonders betroffen war, stieg das Wasser am Abend bereits auf 1,78 Meter. Dies entspricht einer schweren Sturmflut. Laut Feuerwehr liefen im Hafengebiet die ersten Keller voll. Nach Angaben des BSH kam die Flut schneller als erwartet. Auslöser war Tief „Axel“. In den vergangenen Tagen sei zudem besonders viel Wasser aus der Nord- in die Ostsee gespült worden, sodass die Ostsee mehr Wasser führte als normal, sagte eine Sprecherin des BSH.

Am Pegel Travemünde war schon früh ein steiler Anstieg zu beobachten. Um 13.43 Uhr waren dort bereits 5,71 Meter erreicht. Um 21.35 Uhr wurde in Travemünde ein neuer Zehnjahresrekord gemessen: Der Wasserstand lag mit 6,74 Metern um 1,73 Meter über dem mittleren Hochwasser – ein Zentimeter mehr als im November 2006 mit 6,73 Metern. Den höchsten Wert der letzten 30 Jahre erreichte das Wasser dort im November 1995: 6,84 Meter.

Auch in der Lübecker Altstadt wurden gestern Abend an der Trave gelegene Straßen überflutet. Bei Wasserständen um 1,60 Meter mussten mindestens acht Autos aus überschwemmten Flächen gezogen werden. Zugänge zur Altstadt waren vom Bereich der Untertrave für Fußgänger nicht mehr passierbar. Der Einsatzstab in Lübeck sei kurzfristig personell verstärkt worden wegen zunehmender Notrufe, sagte Matthias Schäfer von der Feuerwehr Lübeck. Auf der Insel Usedom verursachte die Sturmflut größere Schäden. Am späten Abend wurde dort die Alarmstufe drei ausgerufen. Zwischen Koserow und Zempin habe es Steilufer-Abbrüche gegeben. Treppenaufgänge seien weggerissen worden, auch Imbissbuden und Teile von Strandpromenaden, sagte der Sprecher des Kreises Vorpommern-Greifswald, Achim Froitz­heim. „Das ist kein Kindergeburtstag. Das ist schlimmer als erwartet.“ In Warnemünde lief das Restaurant Seehund voll. In Rostock entlang der Warnow waren viele Häuser gefährdet.

Am Rande der eigentlich recht braven Ostsee können die auf den ersten Blick recht geringen Schwankungen durchaus zu Problemen führen. Anwohner hatten deshalb in den Ostseestädten Häuser und Gaststätten mit Spundwänden und Sandsäcken gesichert. Im Hafen von Heiligenhafen baute man Aluminium-Schutzwände auf.

Die erste Attacke von „Axel“ hatte der Norden in der Nacht auf Mittwoch einigermaßen glimpflich überstanden. Die Einsatzkräfte hatten weniger Arbeit als befürchtet. In Schleswig-Holstein gab es am Mittwoch Verspätungen im morgendlichen Berufsverkehr der Bahn. Auf der Strecke Kiel-Hamburg war wegen umgestürzter Bäume zunächst nur ein Gleis befahrbar. Umgestürzte Bäume auf der Strecke Hamburg–Westerland bei Itzehoe und Niebüll wurden zügig am frühen Morgen beseitigt. In Ahrensburg (Kreis Stormarn) stürzte ein Baum auf eine Garage, verletzt wurde niemand.

In Hamburg lag das Morgenhochwasser am Fischmarkt St. Pauli 2,10 Meter über dem mittleren Hochwasser und galt damit als Sturmflut, nicht aber als schwere Sturmflut. Die Feuerwehr rückte zu 40 Einsätzen aus, um vollgelaufene Keller und überspülte Straßen abzupumpen oder umgestürzte Bäume wegzuräumen. Verletzte gab es nicht, sagte ein Sprecher. In Niedersachsen führte der Sturm zu Verkehrsbehinderungen.

Auf der ostfriesischen Insel Langeoog spülte das Wasser ungewöhnliches Strandgut an: Hunderttausende Plastikeier mit Spielzeug. Möglicherweise stammten sie aus Containern, die vom Sturm aufgerissen worden waren.