Lüneburg. Das Schiffhebewerk Scharnebeck ist zu klein geworden. Auf dem Elbeseitenkanal wird Ersatz geplant
Rund 500.000 Besucher zählt das Schiffshebewerk Scharnebeck jedes Jahr. Seit 1974 steht der gewaltige Bau in der flachen Landschaft zwischen Lüneburg und Lauenburg. In 100 Meter langen Trögen werden die Schiffe in den Elbeseitenkanal gehoben, ein Höhenunterschied von 38 Metern ist zu überwinden. Doch aus dem gigantischen Fahrstuhl für Binnenschiffer ist mittlerweile ein Nadelöhr geworden. Nun wird ein Neubau geplant: eine Schleuse, vermutlich doppelt so lang wie die Tröge. Folge: Scharnebeck könnte noch um einiges spektakulärer werden.
270 Millionen Euro stehen im neuen Bundesverkehrswegeplan für den Neubau bereit. Noch ist allerdings unklar, welchen Umfang er hat. Zunächst soll nur eine Schleusenkammer neben dem alten Hebewerk errichtet werden, später soll eine zweite hinzukommen. Die Frage ist nur: Wie lang werden sie? Ursprünglich war von 190 Metern die Rede. Norbert Brackmann, CDU-Bundestagsabgeordneter aus Lauenburg und Mitglied im Haushaltsausschuss, fordert nun: „Wir müssen auf 225 Meter ausbauen.“ Die neue Kammer würde also mehr als doppelt so lang wie die beiden alten Tröge werden.
Brackmanns Forderung ist wohlbegründet. Der 115 Kilometer lange Elbeseitenkanal verbindet die Elbe bei Lauenburg mit dem Mittellandkanal bei Wolfsburg. Der Schiffsverkehr auf dieser wichtigen Nord-Süd-Verbindung ist abhängig von der Leistungsfähigkeit des Scharnebecker Hebewerks. Erste Kapazitätsgrenzen sind bereits erreicht. Rund 10,8 Millionen Ladungstonnen passierten 2014 das Hebewerk, 2015 waren es elf Millionen: Viel zu viel für die Experten aus dem Bundesverkehrsministerium. Die hatten in ihrer Verkehrsprognose für die Jahre 2010 bis 2030 angenommen, dass der Verkehr auf den Binnenwasserstraßen bis 2030 um 20 Prozent zunehmen werde. Auf Scharnebeck umgerechnet hätte das für 2030 einen Durchgangsverkehr von 9,3 Millionen Tonnen bedeutet. Die Realität sieht anders aus. Dieser Wert ist 2014 nicht nur erreicht, sondern sogar übertroffen worden.
Wartezeiten am Hebewerk sind deshalb nicht ungewöhnlich. Die Schubverbände, die auf dem Kanal unterwegs sind, werden aus Kostengründen immer länger. Bis zu 185 Meter messen sie. Um das Hebewerk mit seinen nur 100 Meter langen Trögen passieren zu können, müssen sie entkoppelt werden. Das Schubschiff fährt mit einem Leichter im Fahrstuhl hoch oder runter. Es koppelt den Leichter ab, nimmt allein den umgekehrten Weg im Lift, koppelt den zweiten Leichter an und fährt erneut Fahrstuhl. Fachleute haben ausgerechnet, dass dieser zeitraubende Vorgang etwa 200 Euro kostet und den Transport von jeder Tonne Ladung um zehn Prozent verteuert.
Mit einer neuen Schleusenkammer von 190 Metern Länge würde man also heute gerade so zurechtkommen. „Aber“, sagt der Bundestagsabgeordnete Norbert Brackmann, „wir wollen ja eine Schleuse bauen, die auch in vielen Jahrzehnten noch groß genug ist für die Schiffe.“ Es mache deshalb keinen Sinn, jetzt einen Neubau mit 190 Metern Länge zu errichten. „Das ist nicht zukunftsfähig“, sagt er.
Für den Norden ist der Ausbau extrem wichtig
Die drei norddeutschen Länder Hamburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen arbeiten schon seit längerem daran, den Bund von der Notwendigkeit einer Erweiterung zu überzeugen. „Hamburg engagiert sich für einen höheren Anteil der Binnenschifffahrt im Hinterlandverkehr“, sagte Hamburgs Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) vor einem Jahr. Im vergangenen Jahr wurden 12,1 Millionen Tonnen Ladung per Binnenschiff von und nach Hamburg transportiert. Damit ist die Hansestadt zweitgrößter Binnenhafen Deutschlands. 90 Prozent der Schiffe nutzen den Elbeseitenkanal. Der Elbeseitenkanal habe ein erhebliches Transportpotenzial, das insbesondere aus Umwelterwägungen genutzt werden sollte. „Voraussetzung dafür ist die Realisierung der Schleuse Scharnebeck“, sagt Horch.
Der niedersächsische Verkehrsminister Olaf Lies (SPD) sagt: „Der Elbeseitenkanal wird ohne die notwendige Schleuse bei Lüneburg seine Leistungsfähigkeit nicht erhalten. Dann bleibt das Hebewerk ein Nadelöhr.“ Der Neubau der Schleuse sei „von der Bedeutung her gar nicht hoch genug anzusiedeln“.
Für Schleswig-Holstein ist die Schleuse deshalb wichtig, weil sie passiert werden muss, um über die Elbe in den Elbe-Lübeck-Kanal zu gelangen. Der soll – auch das ein im Bundesverkehrswegeplan enthaltenes Projekt – ausgebaut werden. Unter anderem müssen sechs Schleusen auf 115 Meter verlängert werden. 838 Millionen Euro soll das kosten.
Brackmann, der sich schon für den Ausbau des Elbe-Lübeck-Kanals eingesetzt hatte, will nun dafür sorgen, dass auch der nächste Schritt gemacht wird: die neue Schleuse neben dem alten Schiffshebewerke. 2030 könnte das Bauwerk fertig sein. Nirgendwo sonst in Deutschland gibt es einen Schleuse, die einen derart großen Höhenunterschied überwindet. Die Planer dafür werden schon gesucht. 17 offene Stellen sind beim Wasser- und Schifffahrtsamt Lauenburg zu besetzen.