Kiel. Das neue Spielzeug von Milliardär Andrej Melnitschenko kostet 400 Millionen Euro und ist der spektakulärste Neubau der Nobiskrug-Werft.
Die Ostsee wird in diesen Tagen zum Schwimmbecken für Superlative. Das größte Segelschiff der Welt, die höchste Masten der Welt, die weltweit ungewöhnlichste Rumpfform – die Probefahrten der „Sailing Yacht A“ werden weltweit registriert.
Dem Kieler Werftenverbund German Naval Yards ist mit dem auf der Rendsburger Nobiskrug-Werft konzipierten Schiff ein Coup gelungen. Der bislang größte und gewiss spektakulärste Neubau der Rendsburger dürfte den Bekanntheitsgrad des Unternehmens enorm steigern. „Die mediale Berichterstattung stärkt sicherlich auch die öffentliche Wahrnehmung von Nobiskrug“, sagt Geschäftsführer Holger Kahl. „In gewisser Weise vermarktet sich die Superyacht selbst – und uns als Bauwerft gleich mit.“
Jetzt haben die Probefahrten begonnen. Das Design der Yacht ist äußerst ungewöhnlich. In der grauen, nach vorn abfallenden, glänzenden Außenhaut sind keine Fensteröffnungen zu erkennen. Das Heck ist merkwürdig aufgefächert, die 90 Meter hohen Masten sind an der Spitze abgewinkelt. Eigner des 143 Meter langen Motorseglers ist der schwerreiche russische Geschäftsmann Andrej Igorewitsch Melnitschenko (44).
Den Nord-Ostsee-Kanal kann das Schiff nicht passieren
Schon seit mehr als vier Jahren tüftelt die Rendsburger Werft Nobiskrug an dem Boot. Sie wurde in der Kieler Dependance des Werftenverbunds German Naval Yards gebaut, weil die Rendsburger Schiffbauhalle nicht groß genug ist für das Segelungetüm. Schon vor einem Jahr gab es die ersten kleinen Probefahrten. Erst im August hat Bauherr Melnitschenko einen ersten Blick auf und in sein neues Spielzeug geworfen. Ob der Innenausbau schon beendet ist, bleibt ein Geheimnis. Bekannt ist immerhin, dass der französische Designer Philippe Starck die Gestaltung übernehmen sollte. Angeblich soll das Schiff auch ein Mini-U-Boot beherbergen und eine Unterwasser-Panorama-Lounge haben.
Mega-Yacht "A" im Hamburger Hafen:
Mega-Yacht "A" im Hamburger Hafen
Die Welt der Meere wird sich mit dem Schiff also entdecken lassen, die Welt oberhalb des Wasserspiegels eher nicht. Die 90 Meter hohen Masten (zum Vergleich: Die Masten des deutschen Marineschulschiffs „Gorch Fock“ sind nur halb so hoch) schränken die Zahl der anlaufbaren Häfen und der befahrbaren Wasserwege doch deutlich ein. Den Nord-Ostsee-Kanal kann die Segelyacht nicht passieren, die Durchfahrtshöhe der Rader Hochbrücke liegt bei nur 42 Metern. Um in die Nordsee zu kommen, muss Melnitschenko einen Umweg in Kauf nehmen. Auch der Große Belt zwischen Seeland und Fünen scheidet aus: Die Beltbrücke würde die Masten bei 65 Metern abrasieren. Auch die Öresundbrücke zwischen Dänemark und Schweden ist zu niedrig (57 Meter Durchfahrtshöhe). Melnitschenkos Yacht muss den Weg über den westlichen Teil des Sunds nehmen, den Dogden. Dort geht die Öresundbrücke in einen Tunnel über. Eine Landebahn des nahe liegenden Kopenhagener Flugplatzes müsste aus Sicherheitsgründen geschlossen werden, wenn die Riesenyacht den Dogden passiert. Aber die damit verbundenen Kosten wird der Eigner sicher bezahlen können.
Andrej Melnitschenko ist innerhalb von gut 20 Jahren zu außergewöhnlichem Reichtum gekommen. Er wurde 1972 in Gomel geboren, der zweitgrößten weißrussischen Stadt. Im Moskau studierte er Physik. 1991 machte er eine Geldwechselbude auf, der weitere folgten. Schon zwei Jahre später bekam er eine Banklizenz und gründete MDM. Dieses Geldinstitut gilt als Finanzier der Familie von Boris Jelzin, der von 1991 bis 1999 russischer Präsident war. Nach 1999 zog sich Melnitschenko aus der Bank zurück und investierte in Industriebeteiligungen. Ihm gehören unter anderem das Unternehmen EuroChem, einer der drei größten europäischen Düngemittelproduzenten, und einige sibirische Kohlegruben.
Die aktuelle Forbes-Liste der reichsten Menschen führt Melnitschenko mit einem geschätzten Vermögen von 11,9 Milliarden Dollar auf Platz 139. Ein ordentlicher Teil dieses Geldes fließt nun nach Schleswig-Holstein. 400 Millionen Euro soll die monströse Segelyacht kosten, auf der rund 20 Gäste unterkommen können. Zum Vergleich: Der Kreuzfahrtriese „Mein Schiff 5“, der in diesem Jahr in Dienst gestellt wurde, war umgerechnet rund 460 Millionen Euro teuer. Das 295 Meter lange und 99.800 Bruttoregistertonnen große Schiff bietet Platz für 2794 Passagiere.
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Das „A“ im Namen der Yacht steht für den Vornamen von Melnitschenkos Ehefrau Alexandra. 2005 heiratete er das aus Ex-Jugoslawien stammende Model. Stargast des Abends war Popstar Christina Aguilera, die für zwei Lieder 1,2 Millionen Pfund erhalten haben soll. Abgerundet wurde der Abend noch durch Darbietungen von Whitney Houston und dem Vater-Sohn-Gespann Julio und Enrique Iglesias.
Zur Rosenhochzeit (zehn Jahre Ehe) ist das Schiff nicht rechtzeitig fertig geworden. Aber noch in diesem Jahr soll es übergeben werden. Dann kann Melnitschenko die sich automatisch entfaltenden Segel setzen. Es werden natürlich die weltweit größten Segel sein. In Rendsburg wird derweil schon längst an dem nächsten spektakulären Neubau gearbeitet – der Einsatz von Glas spielt hier eine zentrale Rolle.