Hamburg/Ahrensburg. Innensenator lobt intensive Zusammenarbeit mit Generalbundesanwaltschaft und dem BKA. Verdächtige reisten als Flüchtlinge ins Land.

Terrorverdacht in Norddeutschland – Generalbundesanwaltschaft, Bundeskriminalamt (BKA) sowie Spezialkräfte der GSG 9 haben am frühen Dienstagmorgen mit 200 Beamten drei junge Männer in Ahrensburg, Großhansdorf und Reinfeld verhaftet. Bei den Männern gibt es laut Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) Verbindungen zu der Terrorzelle, die im November 2015 die verheerenden Anschläge in Paris mit mindestens 130 Toten verübt hatte. Insgesamt wurden bei der Polizeiaktion fünf Objekte in Schleswig-Holstein und eines in Niedersachsen durchsucht.

LKA richtete Ermittlungsgruppe ein

Nach Abendblatt-Informationen sollen sich die drei Syrer im Alter von 17, 18 und 26 Jahren im Juni/Juli zeitweise auch in Hamburg aufgehalten haben. Zwischenzeitlich hatten Ermittler die große Sorge, dass die Männer das EM-Fanfest ins Visier genommen haben könnten. Dieses bestätigte sich allerdings nicht. Die Verdächtigen standen unter laufender Beobachtung einer Ermittlungsgruppe des Hamburger Landeskriminalamtes. So wurden in Hamburg etwa LKA-Fahnder an der Seite des Bundeskriminalamtes eingesetzt, um U-Bahn-Fahrten der drei Terrorverdächtigen zu observieren.

Terrorverdächtige kommunizierten auffällig

„Wenn sich konkrete Hinweise auf das Fanfest ergeben hätten, hätten wir die Reißleine gezogen“, sagte ein Ermittler dem Abendblatt. Die Männer zeigten ein „auffälliges Kommunikationsverhalten“. So sollen sie etwa die SIM-Karten ihrer Handys häufig getauscht und überwiegend verschlüsselt miteinander telefoniert haben. „Sie wechselten die SIM-Karten wie Socken“, sagte ein Kriminalbeamter zugespitzt.

Per Hubschrauber nach Karlsruhe geflogen

Ein Konvoi brachte die Terrorverdächtigen am Dienstag schließlich gegen 11 Uhr direkt auf das Rollfeld des Hamburger Flughafens. Von dort wurden sie mit einem Hubschrauber der Bundespolizei nach Karlsruhe zur Generalbundesanwaltschaft ausgeflogen. Dort wurde um 14 Uhr einer der Männer dem Ermittlungsrichter vorgeführt. Die beiden anderen Verdächtigen werden erst am Mittwoch vernommen.

Verdächtige lebten in Wohngruppen

In Ahrensburg, Großhansdorf und Reinfeld lebten die jungen Männer jeweils in kleinen Wohngruppen. In Ahrensburg etwa in einer Wohnung, die von der Stadt für die Unterbringung von Flüchtlingen – bis zu acht syrische Männer – angemietet worden war. Laut Nachbarn verhielt sich der verhaftete Terrorverdächtige freundlich und unauffällig.

Reinfelds Bürgermeister verstört

In Reinfeld zeigte sich Bürgermeister Heiko Gerstmann (SPD) nach der Terror-Razzia in der 9000-Einwohner-Gemeinde verstört. „Natürlich sind wir verschreckt, dass so etwas in unserem Ort passiert“, sagte er. Bisher sei nur Positives über die Asylbewerber zu berichten gewesen. „Aber natürlich sind auch diese Menschen ein Abbild der Gesellschaft und darunter gibt es eben Personen mit einem verschrobenen Weltbild“, so Gerstmann.

Großhansdorfs Bürgermeister befürchtet Stimmungswandel

Großhansdorfs Bürgermeister Janhinnerk Voß (parteilos) fürchtet nun wachsende Kritik von Flüchtlingsgegnern. So sehr er den Einsatz der Polizei begrüße, so sehr befürchte er einen Stimmungswandel in der 9000-Einwohner-Gemeinde. In dem Ort leben rund 140 Asylbewerber. Von der Razzia wurde Voß überrascht: Er sei über die erfolgte Stürmung des Hauses am Kortenkamp, das als Flüchtlingsunterkunft 24 Menschen beherberge, am frühen Dienstagmorgen informiert worden.

Politiker loben Ermittlungsarbeit

Schleswig-Holsteins Landesregierung zeigte sich erleichtert. „Ich bin sehr froh darüber, dass unsere Sicherheitsbehörden so hervorragende Arbeit geleistet haben“, sagte Ministerpräsident Torsten Albig (SPD). „Bund und Land haben hier sehr eng miteinander kooperiert und die Verdächtigen seit Monaten im Visier gehabt.“

Schleswig-Holsteins Innenminister Stefan Studt (SPD) sagte: „Mir ist klar, dass es solche Personen überall gibt, nicht nur in Schleswig-Holstein, sondern in ganz Europa“. Er sei nicht schockiert über den Anti-Terror-Einsatz im Land, sondern eher erleichtert darüber, dass die Ermittlungsarbeit der Behörden funktioniere.

Grote: „Unser Frühwarnsystem funktioniert"

Auch Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) lobte die intensive Zusammenarbeit mit der Generalbundesanwaltschaft und dem BKA: "Dieser erfolgreiche Schlag gegen drei mutmaßliche IS-Mitglieder belegt die hohe Wachsamkeit und die effektive Zusammenarbeit aller beteiligten Sicherheitsbehörden", sagte Grote dem Abendblatt. Auch Einsatzkräfte aus Hamburg seien demnach an den monatelangen Ermittlungen und Beobachtungen beteiligt gewesen.

„Die Ermittlungen sind auch deshalb ein großer Erfolg, da wir weit im Vorfeld einer möglichen Tat das Gefährdungspotential dieser Männer nachweisen konnten“, sagte Grote. Er betonte, dass es zu keinem Zeitpunkt ein konkretes Anschlagsszenario gegeben habe. „Unser Frühwarnsystem funktioniert. Wir sind an möglichen Gefährdern eng dran auch haben die betroffenen Personen sehr genau im Auge.“

Syrer hatten laut BKA Auftrag des IS

Bei den drei Beschuldigten handelt es sich um den 17-jährigen Mahir Al-H., den 26 Jahre alten Mohamed A. sowie den 18-jährigen Ibrahim M. Alle drei Männer sind Syrer. Nach den bisherigen Ermittlungen des Generalbundesanwalts sowie des Bundeskriminalamts sind die Beschuldigten dringend verdächtig, im Auftrag der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) im November 2015 über die Türkei und Griechenland nach Deutschland gekommen zu sein, um entweder einen bereits erhaltenen Auftrag auszuführen oder sich für weitere Instruktionen bereitzuhalten. Laut Bundesinnenminister handelte es sich um eine "Schläfer-Zelle".

Ausbildung an Waffen und Sprengstoff

Der 17-Jährige soll sich spätestens Ende September 2015 in Rakka (Syrien) dem IS angeschlossen haben. Dort erhielt er offenbar eine Ausbildung, die auch eine Einweisung in den Umgang mit Waffen und Sprengstoff umfasste.

Im Oktober 2015 soll sich Mahir Al-H. schließlich gemeinsam mit Mohamed A. und Ibrahim M. gegenüber einem für Operationen und Anschläge außerhalb des IS-Gebiets zuständigen Funktionär verpflichtet haben, nach Europa zu reisen.

Gleiche Schlepper wie bei Pariser Attentätern

Dafür wurden sie mit vom IS bereitgestellten Pässen ausgestattet und erhielten höhere vierstellige Bargeldbeträge in US-Dollar, außerdem Mobiltelefone mit vorinstalliertem Programm zur verschlüsselten Kommunikation. Die Ausweispapiere stammen aus derselben Quelle wie die der Pariser Terrorzelle. Außerdem nutzen die drei Verdächtigen dieselbe Schlepper-Organisation wie die Täter, die in Paris die Anschläge mit mindestens 130 Toten verübten.