Puttgarden. Dänen wollen im Fehmarnbelt einen Absenktunnel bauen. Ein Bohrtunnel wäre aber die ökologischere Variante, sagen Hamburger Experten
Der Fehmarnbelttunnel ist gerade in einer etwas schwierigen Phase. Das Planfeststellungsverfahren für den deutschen Abschnitt des umstrittenen Millionenprojekts entwickelt sich zu einer zähen Angelegenheit. Zunächst hatten die Dänen offenbar die Komplexität des Verfahrens unterschätzt und nicht sonderlich aussagekräftige Unterlagen eingereicht. Die Folge: Zeitraubende Nachbesserungen. Dann hagelte es Bedenken der Tunnelkritiker. Und nun steht ein Gutachten im Raum, das wesentliche Positionen der dänischen Tunnelbauer erschüttern könnte. Haben sie sich zu früh auf eine ökologisch nachteilige Variante für die neue Verkehrsverbindung zwischen den Inseln Fehmarn und Lolland (Dänemark) festgelegt?
Ja, finden die beiden Ingenieure Kurt Herzke und Rolf Bielecki. Sie sind ausgewiesene Tunnelexperten. Im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens für die Beltquerung haben sie ihre Ideen vorgetragen. Ihr Fazit lautet: „Für die Beltquerung wäre die richtige Lösung zur Schonung der Umwelt ein Zwei-Röhren-Bohrtunnel in Doppelstockausführung.“ Einen solchen Tunnel hätten die dänischen Bauherren niemals in Betracht gezogen. Nur die Variante eines Drei-Röhren-Tunnels sei geprüft und verworfen worden – wegen der gegenüber dem Absenktunnel um 29 Prozent höheren Baukosten, schreiben die
Ingenieure.
Bohren oder Absenken: Die Unterschiede zwischen diesen beiden Methoden sind schnell erzählt. Während ein gebohrter Tunnel rund 20 Meter unter dem Meeresgrund ins Sediment gefräst wird, besteht die Absenkvariante aus an Land vorproduzierten Betonelementen, die aufs Meer geschleppt und versenkt werden. Zuvor wird ihnen auf dem Meeresboden ein Bett geschaufelt. Im Fall des Belts ist das eine 13 Meter tiefe und etwa 100 Meter breite Rinne. Dass dabei einiges an Natur zerstört wird, ist klar: Lebensraum für Amphibien und Wasserpflanzen. Ein Bohrtunnel wäre also die ökologisch bessere Variante.
Das findet auch Ingo Ludwichowski, der Geschäftsführer des Naturschutzbunds Schleswig-Holstein. „Wir vom Nabu haben schon immer für einen Bohrtunnel plädiert“, sagt er. Neu ist nun: Nach Einschätzung der beiden Fachleute wäre diese Variante vermutlich nicht teurer als der umweltschädlichere Absenktunnel. 2008, so schreiben Herzke und Bielecki, habe die dänische Tunnelplanungsgesellschaft Femern A/S, folgende Rechnung aufgemacht: Der Absenktunnel koste rund 4,3 Milliarden Euro, der Drei-Röhren-Tunnel (zwei für den Autoverkehr, einer für die Bahn) 5,5 Milliarden Euro. Auf der Basis der Preise von 2008 errechnen die beiden Ingenieure nun für den Zwei-Röhren-Tunnel 4,1 Milliarden Euro. Es geht hier nur um die Vergleichbarkeit der Zahlen. Realistisch sind sie nicht mehr – schon allein wegen der Preissteigerungsraten.
Andreas Tietze, Landtagsabgeordneter der Grünen und Gegner der Beltquerung, glaubt, dass das Gutachten der Ingenieure zum Problem für die dänischen Tunnelbauer werden könnte. „Sie haben sich früh für die Absenkvariante entschieden – wohl auch deshalb, weil es kaum dänische Firmen gibt, die die Bohrtechnik beherrschen“, sagt er. „Hätte man sich fürs Bohren entschieden, wäre der Löwenanteil der Aufträge wohl an andere Firmen gegangen. Wirtschaftliche Überlegungen hatten Vorrang vor ökologischen Argumenten“, bedauert Tietze.
Er bezweifelt, dass sich Femern A/S jetzt noch von seinem Plan eines Absenktunnels abbringen lasse. Dazu seien die Planungen schon zu weit fortgeschritten. Aber: „Wenn die Alternative eines Zwei-Röhren-Tunnels nicht geprüft wird, erhöht das das Klagerisiko. Wer nicht die eingriffsärmste Variante wählt, wird vor Gericht scheitern.“
Die Ingenieure Herzke und Bielecki sind in Hamburg keine Unbekannten. Beide haben für die Baubehörde gearbeitet und an entscheidenden Positionen am Bau des Hamburger Elbtunnels mitgewirkt. Bielecki hat den Bau der vierten Elbtunnelröhre (1995 bis 2002) geleitet. Es war ein Bohrtunnel. „Er hat eine neue Ära im Tunnelbau eingeläutet“, sagt er mit leisem Stolz. Die Tunnelbohrmaschine „Trude“, damals die größte der Welt, hatte einen Außendurchmesser von 14,20 Meter.
Für die beiden Fehmarnbelt-Röhren rechnet Bielecki mit einem Außendurchmesser von 17,80 Meter. Er wäre – Stand heute – die größte Bohrmaschine der Welt. Vier dieser Maschinen benötigte man – zwei pro Röhre. Im Inneren wäre Platz für eine zweigeschossige Nutzung. Oben fahren die Autos, unten die Bahn. Eine Schwebebahn brächte im Notfall Feuerwehrleute an den Brandort. „Der Bohrtunnel“, sagt Bielecki, „wird mit diesem Kanal auch sicherer als der Absenktunnel.“
Femern A/S sieht das alles anders. Der Durchmesser der beiden Röhren müsse bei 19,30 Meter liegen, um alles unterzubringen, sagt Sprecher Felix Irmer. Das hätten Überprüfungen ergeben. Weltweit sei so etwas noch nie gemacht worden. Mit einem solchen Bau würde man deshalb ein „extrem hohes technisches Risiko“ eingehen.