Wie aus dem Adels-Privatbesitz Gut Basthorst ein beliebtes Ausflugsziel und eine Veranstaltungsfläche im Norden wurde.

Wenn am zweiten September-Wochenende wieder Menschenmengen in schicker Outdoorkleidung zwischen den Scheunen umherschlendern, die Stände des Herbstmarktes oder die Spieler und Pferde beim Indian Summer Polo Cup bewundern, dann wird deutlich: Das einst beschauliche Gut Basthorst, eine malerische, historische Gutsanlage östlich von Hamburg in Schleswig-Holstein gelegen, ist mittlerweile einer der wichtigsten und beliebtesten Schauplätze im Norden für jährlich bis zu 200.000 Besucher.

Besonders eindrucksvoll zeigt sich das, wenn sich die Menschen im Advent aufs Besinnen konzentrieren. Denn dann besinnt sich Enno von Ruffin, Hausherr auf Gut Basthorst, darauf, dass es nun gilt auf- und einzufahren: An den vier Wochenenden vor Weihnachten findet immer von Freitag bis Sonntag der größte ländliche Weihnachtsmarkt der Region statt. Ein wahres Spektakel. Echtes Kamel für die Aufführung der Weihnachtsgeschichte zum Anfassen inklusive. Drei Ministerpräsidenten Schleswig-Holsteins – Heide Simonis, Peter Harry Carstensen und Torsten Albig besuchten und eröffneten den Markt selbst.

Denn hier wird den Tausenden von Besuchern, die selbst per Auto anreisen oder den eigenen Bus-Shuttle vom ZOB Hamburg aus ins 400-Seelen-Dorf im Herzogtum-Lauenburg nutzen, mit 250 Ausstellern mehr geboten als Baumverkauf und Bratwurst.

Zu den Märkten (Frühjahr, Herbst und Weihnachten) kommen Tausende
Zu den Märkten (Frühjahr, Herbst und Weihnachten) kommen Tausende © Gut Basthorst | Gut Basthorst

Obwohl alles genau so einmal anfing. Vor 25 Jahren. Es war der Beginn dessen, was man heute amtlich als „Flächenumnutzung“ deklarieren würde: Aus einem ehemals adligen Gutshof in Familienbesitz wird einer der beliebtesten Veranstaltungsorte mit Hotel, Gas­tronomie, Märkten und Konzerten. Ein attraktives Ausflugsziel für Hamburger, Interessierte aus dem Umland, Busreisende, Erholungssuchende und Familien auf Wochenendausflug. Allein an 22 Wochenenden ist das Gelände in diesem Jahr mit öffentlichen Veranstaltungen belegt, vom Klassikkonzert über eine Schleppjagd, ein Simon-&-Garfunkel-Coverband-Konzert, unterschiedliche Pferde- und Poloturniere und Ritterfestspiele. Dazu kommen die beliebten Märkte im Frühjahr, Herbst und eben an Weihnachten.

Ressentiments und Zweifel

Was sich heute wie selbstverständlich, gar logisch ob der großzügigen Örtlichkeit anhört, war für den Mann, der hinter und vor diesem Konzept steht, nicht einfach. Denn wie so oft, wenn es der jüngeren Generation obliegt, ein Erbe in die Zukunft zu führen und fähig zum Überleben zu machen, sind da mal leisere, mal lautere Ressentiments oder Zweifel. Zudem ist Mut und Ideenreichtum gefragt. Glücklicherweise mangelte es dem einzigen Sohn Enno Freiherr von Ruffin (62) daran noch nie. Er kannte die traditionsreiche Geschichte seiner Heimat.

Seit dem Mittelalter, erstmalig erwähnt im Jahr 1278, befindet sich das Kunkel-Lehnsgut Basthorst (Die Kunkel ist ein Werkzeug des Spinnvorgangs. Diese Begrifflichkeit weist darauf hin, dass auch Frauen als Erben eingesetzt werden konnten.) in direkter Erbfolge im Besitz von bekannten Adelsfamilien, die als Gutsherren bis zum Jahre 1876 in dem selbstständigen, aus drei Dörfern bestehenden Kleinstaat „Adelich Gericht Basthorst“ die Rechtsprechung ausübten und mit ihren drei Vögten das Land verwalteten. 1944, im zu Ende gehenden Zweiten Weltkrieg, übernahm Franz von Ruffin das Gut von seinem Onkel Joseph von Brusselle, dessen Familie dort 100 Jahre gelebt hatte. Mit großem sozialen Engagement setzte er, der gleichzeitig Patron der Kirche war, sich dafür ein, die dort einquartierten 150 Flüchtlinge im Dorf anzusiedeln. Nach und nach wurde die Getreide-Viehwirtschaft wieder angekurbelt, vor allem Raps, Weizen und Zuckerrüben angebaut.

Enno von Ruffin bestellt seine Felder mit seinem Team selbst
Enno von Ruffin bestellt seine Felder mit seinem Team selbst © Michael Rauhe | Michael Rauhe

„Als ich 1980 von meinem Vater Franz übernahm, da war das hier ein reiner forst- und landwirtschaftlicher Betrieb mit zu vielen Mitarbeitern“, sagt von Ruffin. „Da absehbar war, dass nicht alle in der Landwirtschaft bleiben konnten, habe ich zuerst einen Garten- und Landschaftsbau gegründet und in Hamburg Gartenpflege betrieben“, sagt er und sein Blick schweift erst über die langen Stallungen, die Bäume und fällt dann auf den Boden. Auf die unebenen Steine, die das uralte, mit Hand behauene Fundament bilden, auf dem das Herrenhaus, der ehemalige Kuh- und Schweinestall, der ehemalige Pferdestall, die einstige Schmiede, Meierei, die Kutschenremise stehen. Neben zu bewirtschaftenden Getreidefeldern und dem Forst beinhaltete der Besitz auch viel Bausubstanz. „Es lag an mir, 40 Gebäude, die hier dazugehören und teilweise leer standen, einer sinnvollen Nutzung zuzuführen“, sagt er.

Denn er sei noch nie ein Fan davon gewesen, etwas verfallen oder verkommen zu lassen, außerdem liefen Kosten wie Grundsteuer sowieso weiter. Deshalb renovierte er die kleinen und größeren Häuser, ließ Dächer ausbessern, Leitungen verlegen, installierte Elektrik, sodass sich nach und nach Gewerbebetriebe ansiedelten: Bald gab es einen Schuhmacher, eine Firma, die Kristallschmuck herstellte, eine PR-Agentur, Werkstätten, eine Brennerei. Hin und wieder wechselten die Gewerke; heute sind auf dem Gelände ein Antiquitätengeschäft, eine Gourmet-Brennerei, die Deutschlandzentrale eines schwedischen Whisky-Herstellers, eine Damenmoden-Boutique, ein Hofladen, eine Filzerin, ein Bäckerladen, eine Vergolderin und eine Landboutique zu finden. Dazu gibt es im Herrenhaus und anderen Gebäuden Hotelzimmer und Ferienwohnungen, und vor zehn Jahren wurde aus dem alten Pferdestall ein täglich geöffnetes Restaurant.

„Es ist alles organisch gewachsen, und eines hat das andere ergeben“

Das Gut von oben. Hier finden an 22 Wochenenden pro Jahr Ausstellungen, Märkte und Events statt, dazu private Veranstaltungen
Das Gut von oben. Hier finden an 22 Wochenenden pro Jahr Ausstellungen, Märkte und Events statt, dazu private Veranstaltungen © Gut Basthorst | Gut Basthorst

Erst war diese Gastronomie verpachtet, doch dann nahm er die Zügel selbst in die Hand, mittlerweile unterstützt von seiner Lebensgefährtin, der Springreiterin Estelle Rytterborg. Kein anderer als von Ruffin kennt die Basthorst-DNA besser und weiß um die Bedürfnisse und Ansprüche. „Das Restaurant zu etablieren, sodass es einerseits für Hotelgäste, Restaurantbesucher und als Küche für unsere Veranstaltungen wie Hochzeiten oder große Firmenveranstaltungen mit bis zu 1500 Essen funktioniert, war ein recht beschwerlicher Weg“, sagt er ehrlich. „Ich hatte laienhaft gedacht, ein Backofen und ein Herd reichen doch“, sagt Ruffin und lacht sein raues Lachen. Heute weiß er mit gastronomischem Fachvokabular zu jonglieren. In seinem Besitz befinden sich nun auch Konvektomaten (Heißluftofen), Salamander (zum Warmhalten von Speisen), Gefriertruhen aller Größen, Kühlcontainer, sehr, sehr viel Besteck und Geschirr. Und dieser Weg zur Professionalisierung, er steht auch für die Art und Weise, wie der Freiherr, der sich stets nur mit einem nuscheligen „Ruffin“ an seinem ständig klingelnden Handy meldet, seinen heute multifunktionalen Betrieb führt: Es gab in den 80er-Jahren keine Vision, keinen Masterplan einer Agentur.

„Es ist alles organisch gewachsen, und eines hat das andere ergeben.“ So wurde aus dem studierten Agrarwirt mit landwirtschaftlicher Lehre, der zwischendurch als Ehemann und Manager der Sängerin Vicky Leandros durch die Welt zog, drei erwachsene Kinder hat, Restaurant-Betriebsleiter, Veranstaltungsplaner, Forst- und Landwirt sowie Gastgeber im eigenen Zuhause. Mit 30 festen Mitarbeitern und 50 Aushilfen. Manche der Angestellten sind schon seit Jahrzehnten auf Basthorst tätig. „Das schweißt zusammen. Die sind immer da, ob es regnet oder schneit und packen mit an“, sagt er, der oft wochenlang das Gelände nicht verlässt.

Für Ruffin sein Traumjob. Einer, der reich macht? Er antwortet mit einer Anekdote: „Als ich ein Kind war, gehörte es mit zu meinen Aufgaben, einmal im Jahr mitzuhelfen, die Steine von den Äckern zu sammeln. Das muss gemacht werden, da Brocken der Endmoränenböden durch den Frost nach oben geschoben werden und diese Steine sonst die Landmaschinen beschädigen würden“, sagt er. „Da verdienten wir Kinder uns einen Stundenlohn dazu.“ Und die Steine wurden und werden noch heute als Grundlage für Straßen oder Friesenwälle genutzt. „Insofern kann man sagen: Ich bin reich an Steinen, aber nicht steinreich.“

Weitere Informationen zu den Veranstaltungen auf Gut Basthorst gibt es unter Tel. 04159 - 82 52 0 oder unter www.gutbasthorst.de