Heiligenhafen. In dem Ostseebad entstehen derzeit 1200 neue Gästebetten. Bretterbude und Beach-Motel richten sich an neue Zielgruppen
Vor ein paar Jahren wäre das noch nicht möglich gewesen: dass jemand seine Hotelzimmer Butzen nennt, die mitreisenden Kinder Rabauken und von Holyharbour spricht, wenn er Heiligenhafen meint. Aber das Hotel Bretterbude, das am 26. August eröffnet, hat jene junge Zielgruppe im Auge, die das etwas betuliche Ostseebad bislang nicht im Blick hatte. „Die Gemeinde will sich neu aufstellen, jünger werden“, sagt Jens Sroka, der mit dem Beach Motel in St. Peter-Ording bereits ein sehr erfolgreiches Hotel betreibt und an der Ostsee derzeit ein zweites Beach-Motel sowie die preiswertere Unterkunft, die sogenannte Bretterbude, errichtet.
Das Ostseebad arbeitet nach Kräften daran, sich zu verjüngen. „Heiligenhafen ist sehr seniorenlastig, und es kommen viele Familien mit Kindern“, sagt Tourismuschef Manfred Wohnrade. Der Geschäftsführer der Heiligenhafener Verkehrsbetriebe, einer städtischen Gesellschaft, ist seit 2002 im Amt und war von Anfang an entschlossen, dem Rückgang der Gästezahlen etwas entgegenzusetzen. Denn: „Wir leben überwiegend vom Tourismus.“ In den 1980er-Jahren habe es 8000 Gästebetten gegeben, „das war auf 6500 Betten gesunken“, sagt Wohnrade.
Die Infrastruktur war veraltet, die Promenade unansehnlich, das Schwimmbad in die Jahre gekommen. Während Orte wie Grömitz und Scharbeutz den Waschbeton-Mief loswurden, tat sich in Heiligenhafen lange Zeit wenig. Den Umschwung brachte ein touristischer Masterplan, der unter anderem die Schaffung neuer, attraktiver Unterkünfte vorsah, um den Ganzjahrestourismus anzukurbeln, sowie den Bau einer Erlebnis-Seebrücke. „Man braucht Durchhaltevermögen. Aber der Masterplan war für uns ganz wichtig, denn man muss wissen, wohin man will“, sagt der Tourismuschef.
30 Millionen Euro hat die Stadt bereits investiert, viele Vorhaben sind schon umgesetzt: Die Promenade am Hafen, wo man frischen Fisch direkt vom Kutter kaufen kann, ist neu gestaltet. Mit dem Hotel Meereszeiten gibt es seit 2015 am Hafen ein schickes Vier-Sterne-Hotel. Der Yachthafen wurde modernisiert, ebenso das Schwimmbad, das zum Aktiv-Hus mit Spa-Bereich und Saunalandschaft umgebaut wurde. Seit 2012 führt zudem eine gut 400 Meter lange Seebrücke im Zickzack ein Stück weit auf die Ostsee hinaus – darauf gibt es einen modernen Spielplatz, bequeme Holzliegen sowie eine gläserne Lounge, in der man auch heiraten kann.
1200 neue Gästebetten entstehen derzeit in Heiligenhafen – ein Teil im neuen Feriendorf Primus Strand Resort am Yachthafen mit 21 Einzel- und Doppelhäusern und 59 Wohnungen, teilweise mit Reetdach. Im Hotel Bretterbude sind nach Angaben von Jens Sroka 180 Betten geplant – verteilt auf 81 Zimmer und sechs Ferienwohnungen. Daneben baut er das Beach-Motel auf Vier-Sterne-Niveau mit 400 Betten (115 Hotelzimmer und 62 Ferienwohnungen). Es eröffnet im Dezember.
Nicht jedem in der Stadt gefällt die aktuelle Entwicklung. Mancherorts hört man Kritik an der Größe der Bauvorhaben. „Ich bin nicht sicher, dass es genug Restaurants für die vielen neuen Gäste gibt“, sagt ein Gastronom. Andererseits bringen die modernen Ferienhäuser, Hotels und die neuen Einkaufsstraßen dem Ostseebad auch ein wenig jener Mondänität, die fehlte.
Die Zahl der Urlauber steigt wieder – auf knapp 100.000
Die Bemühungen drücken sich auch in den Zahlen aus. Kamen 2002 nur noch 64.000 Urlauber, so waren es im vergangenen Jahr wieder knapp 100.000. Die Zahl der Übernachtungen schnellte von 490.000 (2002) auf 556.000 im Jahr 2015 hoch. Viele Gäste kämen kürzer als früher, dafür öfter, sagt Tourismuschef Wohnrade. Nun müsse bei etlichen Vermietern in der 9700-Einwohner-Stadt, die bislang nur von Sonnabend bis Sonnabend vermieten, noch ein Umdenken einsetzen. „Darüber diskutieren wir sehr stark.“
Jens Sroka, der nach eigener Aussage lange nach einem zweiten Standort für ein Beach-Motel Ausschau gehalten hatte, sagt: „Heiligenhafen hat uns mit offenen Armen empfangen. Das Junge, Entspannte, Lockere ist das, was viele Leute heute suchen.“ In St. Peter-Ording sei das Konzept voll aufgegangen, darauf setze er nun auch am neuen Ostseestandort. Heiligenhafen sei wenig bekannt, aber ein idealer Standort. „Wichtig war, dass es eine Eins-a-Location ist“, sagt Sroka zu den Grundstücken direkt an der Ostsee, und davon seien an der Küste nicht mehr viele verfügbar. Mit der schönen Altstadt, dem Hafen, der Marina, der Seebrücke und der Halbinsel Graswarder sei der Ort perfekt. Weil die Neubauten in einem sensiblen Gebiet am Wasser entstehen, hatte auch der Naturschutz ein gewichtiges Wort mitzureden. „43 Träger öffentlicher Belange waren involviert“, sagt Sroka, das habe die Baugenehmigung ein wenig verzögert.
Für Wohnrade haben die neuen Projekte einen wichtigen Einfluss auf die gesamte Stadt. 150 neue Arbeitsplätze entstünden dadurch: „Viele junge Menschen ziehen hierher. Das verjüngt die Einwohnerschaft.“ Kein Nachteil: Etwa 60 Prozent der 9700 Heiligenhafener sind seinen Angaben zufolge über 60 Jahre alt.