Fehmarn. Der Bahnverkehr zwischen dem deutschen Festland und der Insel Fehmarn wird möglicherweise für vier Jahre komplett unterbrochen.

Der Bahnverkehr zwischen dem deutschen Festland und der Insel Fehmarn wird möglicherweise für vier Jahre komplett unterbrochen. Grund ist der Neubau der Schienenverbindung, der wegen des geplanten Belttunnels zwischen Fehmarn und Dänemark erforderlich ist. Maja Weihgold, Sprecherin der Deutschen Bahn, bestätigt: „Ja, es gibt diese Überlegungen.“

Die ostholsteinische Bundestagsabgeordnete Bettina Hagedorn (SPD) sagt dazu: „Das wäre eine Katastrophe.“ Die Sundbrücke ist Teil der Vogelfluglinie, also der Bahnverbindung zwischen Hamburg und Kopenhagen. Auch sie wäre dann blockiert.

Derzeit arbeitet die Bahn nach Angaben von Weihgold an der Entwurfs- und Genehmigungsplanung für die 88 Kilometer lange Strecke zwischen Lübeck und Puttgarden auf Fehmarn. Der bisher eingleisige Abschnitt soll elektrifiziert werden und ein zweites Gleis bekommen. Weihgold: „Wir bauen auf einer eingleisigen Strecke. Es war immer klar, dass es zu Behinderungen kommen wird.“ Bettina Hagedorn hält dagegen: „Die Regionalzüge in Ostholstein sind stark ausgelastet. Dieser Plan ist wirklich abenteuerlich.“

Die Bahn entwickelt derzeit mehrere Szenarien für den Bauablauf. Bekannt ist, dass der Abschnitt zwischen Lübeck und Puttgarden auf 55 Kilometern komplett neu angelegt werden soll. Auf 33 der insgesamt 88 Kilometer verläuft er auf der bestehenden Trasse. Diese 33 Kilometer sorgen laut Weihgold dafür, dass die Strecke zeitweise nicht befahrbar ist. Ein längerer und zusammenhängender Zeitraum der Sperrung ermöglicht ungehindertes Arbeiten. Denkbar ist offenbar auch eine andere Variante: Zeiten der Sperrung und Zeiten des Betriebs wechseln einander ab. Bahnsprecherin Weihgold sagt dazu: „Die Planer arbeiten daran, die Beeinträchtigungen so gering wie möglich zu halten. Selbstverständlich wird es bei Streckensperrungen ein Ersatzverkehrsangebot geben.“

Der Regionalverkehr könnte von Bussen übernommen werden. Güter- und Fernzüge würden wohl den zeitraubenden Umweg über die Jütlandroute nehmen müssen. Baubeginn soll 2019 sein.

Für die Fehmaraner kommt erschwerend hinzu, dass auch die Sundbrücke verstärkt oder abgerissen werden soll. Sie verbindet die Insel mit dem Festland, steht unter Denkmalschutz und gilt als Wahrzeichen für Schleswig-Holstein. Derzeit arbeitet die Bahn, der die Brücke gehört, an den Details. Mehrere Brücken- und Tunnelvarianten werden geprüft. Die Bahn bevorzugt ebenso wie das Bundesverkehrsministerium einen Neubau – und wird dafür jetzt vom Bundesrechnungshof (BRH) scharf kritisiert. In einem Bericht des BRH für den Rechnungsprüfungsausschuss des Bundestags heißt es: Die Entscheidung für einen Neubau „dürfte nach Einschätzung des BRH noch nicht feststehen, denn keine der vom Bundesverkehrsministerium und der Bahn vorgelegten Untersuchungen lässt abschließende Schlussfolgerungen zu“.

Der BRH unterstellt, dass die Bahn aus Kostengründen gegen eine Instandsetzung der Sundbrücke ist, denn sie müsste dafür 47 Prozent der Kosten tragen. „Einen Neubau müsste hingegen allein der Bund bezahlen“, schreibt der BRH. Und weiter: Besonders die Bahn, aber auch die Straßenbauverwaltung „vernachlässigen“ die Instandhaltung und führen „nur noch die unbedingt notwendigen Arbeiten durch“. Dies müsse sich ändern. Denn eine neue Fehmarnsundbrücke werde frühestens 2028 fertig sein. Bis dahin müsse das alte Bauwerk betriebssicher gehalten werden. Anderenfalls sei nicht auszuschließen, dass es gesperrt werden müsse. „Fehmarn hätte dann keine feste Verbindung mehr zum Festland“, schreibt der BRH.

Die Ostholsteiner dürften die Feststellungen der Rechnungsprüfer mit Freude zur Kenntnis nehmen. Die Sundbrücke hat viele Anhänger, und sie haben sich frühzeitig artikuliert. Schon 2014 forderte der Kreistag Ostholstein einstimmig: „Die Fehmarnsundbrücke – der Kleiderbügel – muss als denkmalgeschütztes Wahrzeichen der Region erhalten bleiben und in das Nutzungskonzept integriert werden.“ Die Bahn beschloss dennoch 2015, die Variante Brückenerhalt nicht weiterzuverfolgen. Untersucht wurde damals, wie teuer es werden würde, das Bauwerk für den Straßenverkehr zu ertüchtigen und eine zweite Brücke für die Schienenverbindung zu bauen. Man kam auf 234,5 Millionen Euro. Es war die kostengünstigste Variante.

Dennoch schied sie aus, denn die Bahn rechnete damit, dass der heute schon 53 Jahre alte „Kleiderbügel“ eine zu geringe Restnutzungsdauer haben würde. Außerdem wurde behauptet, die Instandsetzung werde zu „jahrelangen nächtlichen Vollsperrungen der Brücke“ führen. Diese Nichterreichbarkeit der Insel über eine mehrjährige Bauzeit wurde für die Bahn zum entscheidenden Grund, einen Neubau anzustreben. Der Bundesrechnungshof hält dagegen: Das „Bauphasenkonzept“ der Bahn für den Ausbau der Strecke Lübeck–Puttgarden sehe ja ohnehin vor, „dass auf der Sundbrücke zwischen 2021 und 2025 keine Züge verkehren“. Diese Zeit würde sich für eine „grundhafte, zukunftsträchtige Instandhaltung der Brücke anbieten“.

Bettina Hagedorn (SPD), die Vorsitzende des Rechnungsprüfungsausschusses, ist nach wie vor für einen Erhalt der Brücke. „Die Bahn nimmt bei ihren Plänen billigend in Kauf, dass die Erreichbarkeit von Fehmarn gefährdet ist“, findet sie. Ihr Ausschusskollege Herbert Behrens (Die Linke) sagt: „Die Erreichbarkeit der Insel ist gefährdet, weil die Bahn gepokert hat. Der Bericht des Bundesrechnungshofs macht noch einmal deutlich: Das gesamte Beltquerungs-Projekt beruht auf politischem Wunschdenken.“