Augenzeugen drehen spektakulären Film von den Tümmlern. “Selfie“ und “Delfie“ kennen sich in der Ostsee offenbar schon gut aus.
Seltener Besuch in der Ostsee: Zwei Große Tümmler locken derzeit Schaulustige und Wassersportler an die Flensburger Förde. „Sie sind unheimlich schnell, umkreisen einen und tauchen dann wieder auf“, sagte Stephan Thomsen. Der Taucher bei der Berufsfeuerwehr Flensburg hat die beiden etwa drei Meter langen Tiere am Donnerstag bereits zum vierten Mal binnen einer Woche in der Förde aufgespürt. „Toll, wie nahe sie rankommen“, erzählte der 49-Jährige.
„Das ist schon etwas besonderes, diese Delfinart hier bei uns zu haben zu haben“, sagte der Direktor des Deutschen Meeresmuseums Stralsund, Harald Benke. Gemeine Delfine oder Weißschnauzendelfine würden hier gelegentlich schon mal gesichtet, „aber Große Tümmler - das ist schon eine Sensation“.
Der zweite Nachweis in der Ostsee überhaupt
Seit Beginn der Aufzeichnungen von Delfinen habe es bisher drei gesicherte Meldungen von Großen Tümmlern in der deutschen Ostsee gegeben, sagte der Experte: 1842 wurde bei Stralsund ein Tier tot im Wasser treibend entdeckt, 1852 eine größere Schule Großer Tümmler im Greifswalder Bodden schwimmend gesichtet und 1882 wurde bei Lübeck ein totes Tier entdeckt.
Es sei also der zweite Nachweis von lebenden Großen Tümmlern in deutschen Gewässern der Ostsee, sagte der Meeresbiologe. Große Tümmler lebten normalerweise unter anderem in der nördlichen Nordsee, sagte Benke. Vor Schottland gebe es etwa eine kleine Population, die sich dort ständig aufhält.
Die beiden Flensburger Delfine halten sich bereits länger in der Ostsee auf. So verbrachten sie den Sommer vor Kalmar in Südschweden. Dort haben sie auch ihre Namen „Selfie“ und „Delfie“ bekommen.
In Flensburg hat etwa die Besatzung des Ausflugsschiffs „Möwe“ bereits zahlreiche Touristen zu den beiden Tieren gebracht. Größere Schiffe eskortierten die Delfine bis aufs offene Meer hinaus, erzählt Taucher Thomsen. Anschließend kehrten sie dann aber immer wieder in die Förde zurück.
Verspielte Tiere solange sie nicht geärgert werden
„Delfine sind hochintelligente Tiere“, erklärt Benke, der über Wale und Delfine promoviert hat, dieses Verhalten. „Sie haben ein enges Sozialgefüge und sind eben auch verspielt“, sagte er. Auch die beiden Großen Tümmler vor Flensburg würden dies beibehalten - „solange sie nicht gequält und geärgert werden“.
Für Thomsen ist die Begegnung mit den Tieren, die sich derzeit meist im Wasser vor der Marineschule im Flensburger Stadtteil Mürwik tümmeln, etwas ganz besonderes. „Anders als im Roten Meer sieht man die Tiere in der Förde allerdings erst sehr spät“, berichtete Thomsen.
Am Donnerstag sei die Sicht mit zehn Metern unter Wasser aber gut gewesen. Nachdem er die Tiere vergangene Woche das erste Mal bei einem Übungstauchgang der Feuerwehr gesichtet hatte, kehrte er noch dreimal privat zurück, um Fotos und Videos zu drehen. „Nur Blitzlicht mögen sie nicht, dann drehen sie ab“, sagte er. Auch mindestens ein Windsurfer hat sich bereits zu den Tieren gewagt.
Tümmler sind Raubtiere
Doch für die Wassersportler gibt es auch Grenzen. Man solle die Tiere nie in die Enge treiben und nie hinter ihnen her paddeln, sagte Delfinforscher Harald Benke. Sie kämem schon von alleine, wenn sie etwa ein Kanu sähen. Außerdem sollte man nie vor der Schnauze rumfahren, auch Füttern verbiete sich von selbst. „Man muss bedenken, es sind Wildtiere.“ Auch einem zutraulichen Braunbären oder Wolf würde man sich wenn überhaupt nur sehr vorsichtig nähern, gibt Benke zu bedenken. Auch für Taucher Stephan Thomsen ist klar: anfassen gibt's nicht. „Es sind ja auch Raubtiere“, sagte er.
Warum sich die beiden Großen Tümmler in der Ostsee aufhalten, ist für Benke unklar. „Man weiß von Männchen, dass sie sehr unternehmensfreudig sind.“ Und einer der Großen Tümmler in der Förde sei definitiv männlich. „Bei dem zweiten hat man das Geschlecht noch nicht festgestellt“, sagte Benke. Allerdings zeigten die seltenen Sichtungen, dass die Ostsee kein das Gebiet sei, dass die Tiere normalerweise erkundeten. „Ich weiß nicht, ob sie es absichtlich gemacht haben oder sich verschwommen haben“, sagte Benke. „Aber auf jeden Fall scheinen sie sich hier recht wohl zu fühlen.“ Die Überlebenschancen seien eigentlich gut. Meeresbiologen rätseln nun, ob „Selfie“ und „Delfie“ die ganze Saison bleiben oder bald wieder gen Nordsee schwimmen.