lübeck. Die jüngsten Verspätungen bringen Zeitplan des Milliardenvorhabens ins Wanken – Gegner wittern bereits Morgenluft

Es sollte ein Jahrhundertprojekt werden – doch mittlerweile macht sich Katerstimmung breit. Erst 2018, dann 2021, jetzt 2027 – die geplante Eröffnung des Ostseetunnels zwischen Dänemark und Deutschland verzögert sich immer wieder, und laufend muss das Datum für den Start verändert werden.

Deshalb wittern die Gegner des Mammutprojekts jetzt Morgenluft. Mit blauen Holzkreuzen zeigen Mitglieder und Sympathisanten der Initiative „Beltretter“ ihren Protest gegen den Tunnel und die dazugehörige Bahntrasse durch den Kreis Ostholstein. „Wir halten dieses Mammutprojekt für absolut unnütz, schädlich und sind dagegen“, sagte die Sprecherin der „Belt­retter“, Karin Neumann.

Mehrere Tausend blaue Holzkreuze haben Aktivisten in den vergangenen Monaten in Vorgärten und auf Feldern im ganzen Kreis Ostholstein aufgestellt. 4000 sollen es nach Angaben der Initiative sein. „Das Kreuz soll ein Stoppzeichen gegen das Milliardenprojekt mit all seinen Begleiterscheinungen sein“, sagt Neumann. Und nach ihren Angaben ist die Unterstützung mittlerweile gewaltig. In ihrem Wohnort Presen, einem kleinen Dorf auf Fehmarn mit etwa 60 Häusern, gebe es gerade einmal zwei, vor denen kein blaues Kreuz steht, sagt sie.

Die „Beltretter“, ein loser Zusammenschluss von fast 40 lokalen Initiativen, Gemeinden und Organisationen, sind ihrerseits Teil des „Aktionsbündnisses gegen eine feste Fehmarnbeltquerung“. „Die Beltretter sind so etwas wie unsere Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit“, sagt der Vorsitzende des Aktionsbündnisses, Hendrick Kerlen.

Das Aktionsbündnis wiederum ist Mitglied in der „Allianz gegen eine fes­te Fehmarnbeltquerung“, in dem mittlerweile zwölf Vereine und Initiativen zwischen Lübeck und Fehmarn zusammengeschlossen sind.

Sie alle kämpfen seit Jahren gegen den 19 Kilometer langen Tunnel zwischen Fehmarn und der dänischen Insel Lolland. Den 7,4 Milliarden Euro teuren Bau des Tunnels finanziert Dänemark allein. Deutschland muss die Hinterlandanbindung auf seinem Gebiet bezahlen, die nach offiziellen Angaben 2,2 Milliarden Euro kosten wird.

Wann der Tunnel eröffnet wird, steht mehr denn je in den Sternen. War bei der Unterzeichnung des dänisch-deutschen Staatsvertrags im Jahr 2008 noch von einer Verkehrsfreigabe 2018 ausgegangen worden, rechnet das dänische Verkehrsministerium jetzt mit einem Termin im Jahr 2027.

Diese Verzögerungen werten die Gegner des Projekts als Erfolg. Das Verfahren durch immer neue Forderungen und Einwendungen in die Länge zu ziehen, gehöre nämlich zur Taktik, sagt Kerlen ganz offen. „Wir setzen auf Zeit, denn die Entwicklung in Dänemark läuft aus unserer Sicht in die gewünschte Richtung“, sagt er. Er meint in der dänischen Regierung und der Öffentlichkeit im Nachbarland eine zunehmende Skepsis gegenüber dem Milliardenprojekt ausgemacht zu haben. „Auch die Betreibergesellschaft Femern A/S wird inzwischen kritisch betrachtet“, sagt Kerlen.

Die Argumente der verschiedenen Initiativen gegen den Ostseetunnel variieren. Vor allem bei der Trassenführung der 55 Kilometer langen Neubaustrecke für die Bahntrasse, über die nach Eröffnung des Tunnels neben ICE- auch Güterzüge rollen sollen, kämpft jeder Ort für seine Interessen. Auf Fehmarn haben viele Bürger Angst davor, dass die Hochgeschwindigkeits-Bahnstrecke und die dann vierspurig ausgebaute Bundesstraße 207 ihre Insel zerschneidet. „Wie sollen unsere Kinder aus dem Westen der Insel dann nach Burg zur Schule kommen?“, sagt Neumann. Sorgen bereiten auch mögliche Rückgänge bei den Touristen­zahlen, der Verlust von Agrarflächen und negative Einflüsse auf die Meeresumwelt.

„Vor allem aber stehen die Kosten des Bauwerks in keinem Verhältnis zum Nutzen und dem verkehrlichen Bedarf“, sagt Kerlen. „Außerdem halten wir das Zustandekommen des Baugesetzes im dänischen Parlament für rechtlich höchst fragwürdig.“

Das sieht auch der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) so. „Bei den Planungen auf dänischer und deutscher Seite sind so gravierende Fehler gemacht worden, dass uns nur noch der Klageweg übrig bleibt“, sagt Eick von Ruschkowski vom Nabu-Bundesverband. „Wir fordern Dänemark und Deutschland auf, das Projekt endlich grundsätzlich zu überprüfen.“

So seien bei den Erörterungsterminen für das Milliardenprojekt in Kiel unlängst erhebliche Mängel offenbar geworden. „Vor den Terminen hatte der staatseigene dänische Vorhabenträger Femern A/S umfangreiche und unangreifbare Unterlagen versprochen. Davon blieb allerdings nicht mehr übrig als eine leere PR-Hülle“, so von Ruschkowski. „Die Planungen weisen eklatante Mängel hinsichtlich Qualität und Transparenz auf. Bereits jetzt ist klar: Femern A/S muss mit einer Planergänzung umfangreich nachbessern. Ob das aber ausreicht, um am Ende einen unangreifbaren Planfeststellungsbeschluss zu bekommen, bezweifeln wir stark“, kritisierte von Ruschkowski.

Bei dem Erörterungstermin sei noch einmal deutlich geworden: Der Bedarf für das Vorhaben gründet einzig und allein auf dem Staatsvertrag zwischen Deutschland und Dänemark.