Hamburg/Bremen. Die Wildnis fängt gleich hinter Hamburg an: Wo Sie jetzt Kraniche & Co. auf ihrem Weg in den Süden beobachten können.
Mit dem Herbstzug der Kraniche erlebt der Norden bis Ende Oktober eines der spektakulärsten Naturschauspiele. Jetzt kehren die „Vögel des Glücks“ – so werden die Frühlingsboten in Skandinavien genannt – in ihre angestammten Winterquartiere nach Frankreich und die iberische Halbinsel zurück.
Der Ornithologe Johannes Wahl vom Dachverband Deutscher Avifaunisten (DDA) mit Sitz in Münster schätzt, dass rund 300.000 Kraniche auf ihrer westeuropäischen Route in Norddeutschland einen Zwischenstopp einlegen werden. Das Abendblatt bietet einen Überblick über die schönsten Beobachtungsplätze.
Im Tister Bauernmoor im Landkreis Rotenburg (Wümme) in Niedersachsen können Naturliebhaber ganz bequem mit der Moorbahn auf Vogelpirsch gehen. Die Touren starten bis zum 11. Oktober jeweils um 17.30 Uhr im Tister „Moorbahnhof“. Allein im vergangenen Jahr wurden an einem einzigen Oktobertag im Moor gut 20.000 Kraniche gezählt. Die norddeutschen Naturschutzorganisationen haben sich längst auf die tierischen Überflieger eingestellt, die locker 2000 Kilometer nonstop unterwegs sein können. Weil die Vögel recht scheu sind, bieten die Fachleute Führungen an. Außerdem dürfen ornithologische Beobachtungstürme genutzt werden.
Auch im niedersächsischen Huvenhoopsmoor und im Steinbecker Moor peilen die Kraniche ihre beliebten Energie-Tankstellen an. Hier, ebenfalls im Landkreis Rotenburg (Wümme), laden Vogelkundler zu Wanderungen und Planwagenfahrten ein. Die abgeernteten Felder bieten den langbeinigen, aschgrauen Schreitvögeln mit dem markanten Trompetenruf ein reiches Nahrungsangebot. Frisch gestärkt können sie ihren Flug gen Süden fortsetzen.
In Mecklenburg-Vorpommern geben die Kraniche ebenfalls ein imposantes Gastspiel. In ihrem bedeutendsten zentraleuropäischem Rastgebiet, dem Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft, werden bis zu 50.000 Vögel gleichzeitig erwartet. Auf der Ostzingst haben die 1,3 Meter hohen Tiere ein weißes Dünenfeld zum Schlafplatz erwählt. Dort gelten für Schaulustige strenge Vorschriften. „Zur Sicherung des Kranichrastplatzes vor Pramort ist das Gebiet östlich der Nationalparkausstellung täglich von 15 bis zum nächsten Tag 8 Uhr für den Besucherverkehr gesperrt“, sagt Gernot Haffner, Leiter des Nationalparkamtes. Den Gästen stehen bis Ende Oktober Kranichexperten Rede und Antwort. Tausende Vögel werden im Herbst ebenfalls im Nationalpark Müritz erwartet. Bis zum 20. Oktober starten in Waren (Müritz) Busse der Nationalparklinie zu den Beobachtungsplätzen.
Neben den Kranichen verlassen jetzt auch Störche, Stare und Schwalben die herbstlichen Regionen in Deutschland. Von den rund 250 Vogelarten, die hierzulande brüten, sind etwa die Hälfte Zugvögel, schätzt der Naturschutzbund Deutschland (Nabu). Ende Oktober, sagt Peer Cyriacks von der Deutschen Wildtier Stiftung mit Sitz in Hamburg, seien die meisten Zugvögel aus Deutschland abgereist.
Wer nicht nur Kraniche, sondern auch Gänse bei ihrem Abflug erleben will, ist bei den Nabu-Führungen in der Wedeler Marsch bei Hamburg genau richtig. Die Carl-Zeiss-Vogelstation des Naturschutzbundes Deutschland zählt zu den beliebtesten Beobachtungspunkten für ambitionierte Hobby-Ornithologen. Rund 160 Vogelarten leben hier – von Graugänsen und Schellenten bis zu Blässhühnern und Haubentauchern. Geplant sind Vogelzug-Führungen unter anderem am kommenden Mittwoch, um 13 Uhr, sowie am 22. Oktober. Veranstaltungen gibt es auch im Duvenstedter Brook und in der Nabu-Hütte am Öjendorfer See in Hamburg.