Kiel/Hamburg. Schleswig-Holstein und Hamburg streiten darüber, wessen Schüler wo unterrichtet werden. Altes Abkommen wurde deshalb verlängert.

Das Gastschulabkommen zwischen Hamburg und Schleswig-Holstein ist um ein Jahr verlängert worden – bis Ende 2016. Eine freie Schulwahl in der Grenzregion wird es deshalb auch im kommenden Jahr nicht geben. Für die Kieler Regierungskoalition aus SPD, Grünen und SSW ist das ärgerlich. Im 2012 geschlossenen Koalitionsvertrag hatte sie als Ziel formuliert, „bis zum Ablauf des bestehenden Gastschulabkommens Ende 2015 mit Hamburg eine gemeinsame Bildungsplanung zu erarbeiten, um eine freie Schulwahl zwischen Hamburg und Schleswig-Holstein bei öffentlichen und freien allgemeinbildenden und beruflichen Schulen zu erreichen“. Dieses Ziel ist nun wohl nicht mehr zu erreichen.

Die Schulfrage ist im „Speckgürtel“ rund um Hamburg seit jeher eine Streitfrage. Für viele junge Schleswig-Holsteiner sind Schulen in Hamburg besser zu erreichen als Schulen im eigenen Bundesland. Manchmal ist ein besonderes Schulprofil Anlass für eine Grenzüberschreitung. Manchmal mag auch die Hoffnung auf bessere Noten in der Hansestadt eine Rolle spielen.

Dass solche Grenzüberschreitungen zwischen Bundesländern heutzutage überhaupt noch ein Problem sind, ist durchaus erklärungsbedürftig. Es geht ums Geld. In beiden Bundesländern werden Schüler mit Wohnsitz im jeweils anderen Bundesland unterrichtet. Aber: Deutlich mehr Schleswig-Holsteiner besuchen Hamburger Schulen. Im Schuljahr 2009/2010 waren es 6226; nur 1001 Hamburger lernten in Schleswig-Holstein.

Und diesen Unterschied will sich die Hansestadt bezahlen lassen. 2009 kündigte sie deshalb das damalige Abkommen. Und handelte dann einen üppigen Aufschlag aus. Statt 8,5 Millionen Euro im Jahr zahlte Schleswig-Holstein seit 2011 zunächst 12,4 Millionen Euro. Der Betrag steigt in diesem Jahr auf 13,2 Millionen Euro an. Den Hamburgern ist das immer noch nicht genug. 2010 hatte die Schulbehörde ausgerechnet, dass alle Kosten erst mit einer Zahlung von 31 Millionen Euro ausgeglichen seien.

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Kommentar:  

Dieser Betrag war damals nicht zu bekommen. Weshalb das „Abkommen über den grenzüberschreitenden Schulbesuch“ ein Abkommen zur Verhinderung dieses Besuchs geworden ist. Hamburg ließ hineinschreiben, dass „beide Länder Schülerinnen und Schüler aus dem jeweils anderen Land an staatlichen Schulen nur in Fällen besonderer persönlicher Härte aufnehmen“ werden. Ausnahmen gelten nur für Kinder und Jugendliche, die es zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits an eine Hamburger Schule geschafft hatten – und für die besonders hamburgnahe Stormarner Gemeinde Barsbüttel.

Alle anderen Schleswig-Holsteiner müssen tricksen, tarnen und täuschen, wenn sie der Meinung sind, dass ihr Kind an einer Schule in Hamburg besser untergebracht ist. Die Methoden sind seit Jahrzehnten bekannt. Man besorgt sich irgendwie eine Melde­adresse in Hamburg, vielleicht bei Verwandten oder Freunden, und schon ist das Schulproblem beseitigt und das Gastschulabkommen nur noch Papier.

Hamburg hatte zuletzt die Schulleiter angewiesen, die Meldedaten kritischer zu begutachten, um solchen Vertragsverletzern habhaft zu werden. Die Hansestadt verband mit dem Abkommen auch die Hoffnung, die Zahl der Gastschüler nach unten drücken und so Kosten senken zu können. Zumindest an allgemeinbildenden Schulen ist das auch so. Sie melden einen Rückgang – von 4244 Schülern (Schuljahr 2008/09) auf jetzt 3094 (2014/15). Die Berufsschüler sind in diesen Zahlen nicht enthalten.

Die von der Kieler Regierungskoalition angestrebte freie Schulwahl im Grenzgebiet wäre also für viele Eltern eine Erleichterung. Die Verhandlungen über ein neues Abkommen haben offenbar aber noch gar nicht richtig begonnen. Zwar habe es erste Gespräche auf Staatssekretärsebene gegeben, ist aus dem Kieler Schulministerium von Britta Ernst zu hören, aber diese hätten eher vorbereitenden Charakter gehabt.

Martin Habersaat, bildungspolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion und selbst ehemals Gastschüler, sagt: „Eine gemeinsame Bildungsplanung ist bis Ende 2015 nicht mehr zu erreichen. Aber ich habe noch die Hoffnung, dass bis dahin ein neues Abkommen vereinbart werden kann.“ Heike Franzen, bildungspolitische Sprecherin der CDU, fordert: „Die beiden Länder müssen sich endlich verständigen.“

Mit der Verlängerung des alten Vertrags bis 2016 besteht kein Zeitdruck mehr. Die Verlängerung erfolgte automatisch, sie hätte nur mit einer Vertragskündigung vermieden werden können. Beide Länder waren aber offenbar der Ansicht, dass ein schlechtes Abkommen besser als gar keines ist.