Drage. Nach einer letzten großen Aktion einer Hundertschaft am Elbufer bei Drage fehlt weiter jede Spur zu Sylvia und Miriam S.

Eine Hundertschaft der Bereitschaftspolizei durchkämmt am Mittwoch die Uferzone der Elbe auf der Suche nach der vermissten Mutter und ihrer Tochter

Beamte streifen durch das kniehohe Gras, schlagen sich durch mannshohes Schilf und durchsuchen Büsche und Sträucher. Jeder Zentimeter wird begutachtet, jedes Büschel zur Seite geschoben. In einer Reihe arbeiten sich die Polizisten Richtung Ufer vor, sie kommen nur langsam voran: „Das Gelände ist schwer zugänglich. Wir gehen ganz kleinteilig vor, damit wir sicher sagen können, dass wir hier jeden Quadratmeter abgesucht haben“, erklärt Jan Krüger das Vorgehen. Als vorerst letzte konzertierte Maßnahme rückte am Mittwoch noch einmal eine Hundertschaft der Polizei am Drager Elbdeich an und suchte das Vorland zwischen Deichfuß und Wasserkante auf einer Länge von drei Kilometern ab. Am Nachmittag waren auch noch einmal sechs Leichenspürhunde im Einsatz. Doch auch an diesem Tag finden die Beamten keine neue Spur.

Noch immer sucht die Polizei nach Sylvia und Miriam S. Seit zwei Wochen gibt es kein Lebenszeichen von der 43-Jährigen und ihrer zwölf Jahre alten Tochter aus Drage. Die Polizei versucht mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln, die beiden zu finden. „Jetzt muss man trotz aller Hoffnung davon ausgehen, dass wir die beiden nicht mehr lebend auffinden“, bestätigt am Mittwoch Polizeihauptkommissar Jan Krüger. Vor zwei Wochen, am 23. Juni, dem letzten Schultag vor den Ferien in Niedersachsen, waren Mutter und Tochter in Drage zum letzten Mal gesehen worden. Ehemann Marco wurde am darauffolgenden Morgen von einem Zeugen auf dem Elbdeich im Wagen seiner Frau, einem grauen Dacia, beobachtet, danach verliert sich auch seine Spur. Am vergangenen Freitag entdeckte ein Spaziergänger knapp 30 Kilometer flussaufwärts bei Lauenburg die Leiche des 41-Jährigen in der Elbe treibend. Die Obduktion brachte das Ergebnis, dass Marco S. Selbstmord begangen hat und ertrunken ist.

Die Frage lautet jetzt: Was ist mit Ehefrau und Tochter passiert? Denn nach dem Auffinden des toten Ehemanns und der Obduktion seiner Leiche geht die Polizei inzwischen von einem erweiterten Suizid aus. Das heißt: Bevor Marco S. sich in Lauenburg das Leben nahm, hat er vermutlich seine Frau und die Tochter getötet und versteckt. Zwei Mal durchsuchte die Polizei das Haus der Familie. „Einen Abschiedsbrief haben wir nicht gefunden“, sagt Krüger dazu. Auch die Untersuchung der beiden Autos der Familie hätten keine Hinweise gebracht.

Gleich am Freitag, nachdem die Meldung vom spurlosen Verschwinden bei der Polizei eingegangen war, hatten Beamte die sumpfigen Wiesen und Felder, die sich direkt an die Wohnstraße, in der Familie S. lebte, anschließen, durchsucht. Ebenfalls im Fokus von mehreren Suchaktionen war das Elbufer bei Drage. „Wir wissen, dass die Familie hier oft zur Badestelle kam“, begründet Polizeisprecher Krüger das Vorgehen. In der vergangenen Woche flog deshalb ein Helikopter mit Wärmebildkamera über das unübersichtliche Gelände. Jetzt im Sommer ist die Fläche zwischen Elbdeich und Uferzone mit hohem Schilf, Büschen und Bäumen total zugewuchert, der Flug mit dem Helikopter blieb auch deshalb erfolglos. „Zu diesem Zeitpunkt mussten wir davon ausgehen, dass Mutter und Tochter noch leben könnten“, sagt Jan Krüger. Auch zwei Suchhunde, die vor allem den schlammigen Uferbereich abliefen, schlugen nicht an.

Inzwischen hat sich bei dem 25 Personen starken Sonderermittlungsteam, dass sich um den Fall kümmert, jede Hoffnung, Mutter und Tochter noch lebend zu finden, verflüchtigt. Deshalb wurde auch die Suche noch einmal den neuen Umständen angeglichen. Am vergangenen Dienstag stiegen erneut vier Polizeitaucher in die Elbe. Diesmal war Niedrigwasser, sodass die Taucher den Flussboden weiter in die Elbe hinein abtasten konnten. Nach vier Stunden wurde die Aktion erfolglos abgebrochen.

Nach wie vor weiß die Polizei nicht, wo Marco S. in der Nacht vom 23. auf den 24. Juli, war und wie er später von Winsen nach Lauenburg gekommen ist. Bisher gab es keinen Hinweis darauf, was er in dieser Zeit gemacht hat. Auch aus diesem Grund wurde der Suchbereich am Mittwoch so groß gefasst, um alle möglichen Stellen, wo der Familienvater zu Fuß gewesen sein könnte, einzubeziehen.

Mit dieser Aktion ist für die Polizei die Suche vor Ort jedoch erst einmal beendet: „Erst wenn wir konkrete Anhaltspunkte haben, suchen wir weiter, jetzt konzentrieren wir uns auf die Hinweise der Zeugen“, sagt Krüger. Auch wenn diese neuen Hinweise auf Mutter und Tochter erst in ein paar Wochen Anlass zu einer weiteren Suche gäben, ist Krüger optimistisch, Sylvia und Miriam S. noch aufzuspüren: „Die Hunde finden auch nach Wochen Spuren, unabhängig davon, ob es stark geregnet hat oder die Sonne scheint.“