Lauenburg/drage. Toter in der Elbe war Vater aus Drage. Polizei sucht weiter Hinweise auf Ehefrau und Tochter. Hotline eingerichtet.
Im Fall einer vermissten Familie aus Drage im Norden Niedersachsens mehren sich die Hinweise auf ein Familiendrama. Nachdem am Freitag die Leiche des 41 Jahre alten Vaters bei Lauenburg geborgen wurde, ergab die Obduktion keine Hinweise auf ein Fremdverschulden. Marco S. ertrank in der Elbe. Die Polizei ermittelt nun in Richtung eines „erweiterten Suizids“. Der 41-Jährige könne zunächst seine Familie und dann sich selbst getötet haben. Von der 43-jährigen Ehefrau und seiner zwölfjährigen Tochter fehlt weiterhin jede Spur.
Am Wochenende suchten mehrere Tauchmannschaften, Spürhunde und ein Sonarboot den Bereich der Elbe in Lauenburg ab, in dem der leblose Körper von Marco S. am Freitag gefunden wurde. „Das Problem ist, dass wir keinerlei Hinweis haben auf das, was geschehen sein könnte“, sagt Polizeisprecher Jan Krüger. Bei Marco S. sei nichts entdeckt worden, was als Spur zu Frau und Tochter führt. Auch ein Abschiedsbrief wurde nicht gefunden. Das Haus der Familie in Drage hatten die Beamten bereits mehrmals durchsucht, ohne neue Indizien zu finden.
Polizei sucht nach Familie aus Winsen
Zunächst soll nun die Zeit zwischen dem Verschwinden des Vaters am 23. Juli und seinem Tod, vermutlich Anfang der vergangenen Woche rekonstruiert werden. Die Ermittler konzentrieren sich auf ein silberfarbenes Damenfahrrad, das Feuerwehrtaucher in der Nacht zum Sonnabend unterhalb der einzigen Elbbrücke in dem Gebiet fanden. Es lag auf dem acht bis zehn Meter tiefen Grund des Flusses nahe dem Leichenfundort. Die Polizei vermutet, dass der Familienvater mit dem Rad auf die Brücke fuhr, es ins Wasser warf und hinterhersprang. Zuvor könnte Marco S. den schweren Betonklotz einer Zaunabsperrung an seinem Bein befestigt haben, der am Freitag mit der Leiche angespült wurde.
Am Bahnhof Winsen/Luhe, nahe dem Heimatort der Familie, wurde am Sonnabend außerdem das gesuchte grüne Herrenrad der Familie sichergestellt. Es fehlte als einziger bekannter Gegenstand im Einfamilienhaus der Familie im 4100-Einwohner-Dorf Drage. Offenbar ließ Marco S. das Rad bereits kurz nach seinem Verschwinden mit Absicht zurück. Wie er dann an das Damenrad und den Betonklotz gelang, bleibt aber rätselhaft. Die Polizei hofft, hierzu noch Hinweise aus der Bevölkerung zu erhalten.
Suche nach Mutter und Tochter aus Drage geht weiter
Die 25-köpfige Sonderkommission der Polizei hat dazu eine Hotline unter Telefon 04181/28 52 85 eingerichtet. Dass Dritte etwas mit dem Verschwinden der Familie zu tun haben könnten, erscheint der Polizei nach den bisherigen Erkenntnissen extrem unwahrscheinlich. „Fremdeinwirkung kann ausgeschlossen werden“, hieß es nach der Obduktion des toten Vaters. Ebenso fehlt jeder Hinweis darauf, dass Mutter und Tochter am vorvergangenen Mittwoch aus freien Stücken verschwanden und Marco S. einen Tag später folgte. Für die zwölfjährige Tochter war bereits ein Reiterurlaub gebucht und bezahlt, den sie aber nicht antrat.
Nach einer erneuten Vernehmung von Nachbarn, Freunden und Bekannten verfestigte sich das Bild, dass es sich bei den Vermissten um eine „ganz normale Familie“ handelt. Über Marco S. ist bekannt, dass er in einem großen Chemieunternehmen arbeitete und ansonsten ein unauffälliges Leben führte. Das Haus der Familie befindet sich in einer Neubausiedlung. Nachbarn hatten vor allem Kontakt zu der Tochter, die oft in den umliegenden Straßen spielte. Mit den Eltern sprachen sie über ihre Pläne für die Sommerferien.
Die Theorie eines „erweiterten Suizids“ würde voraussetzen, dass es schwelende Probleme im Leben des Mannes gab. Unter Juristen und Psychologen wird mit dem Fachbegriff eine Verzweiflungstat aus wirtschaftlicher Not oder infolge schwerer Krankheit bezeichnet – vor einem „erweiterten Suizid“ glauben die Täter häufig, dass auch ihre Familie mit den Problemen nicht umgehen könne. Die Suche nach weiteren Hinweisen an der Elbe soll auch am Montag weitergehen.