Hamburg/Kiel. Das größte Segelfest der Welt soll wieder aufgewertet werden. In den olympischen Klassen gibt es 60.000 Euro Preisgeld

Wenn Ulf Kämpfer, 42, Kiels Oberbürgermeister, über die deutsche Kandidatur für die Olympischen und Paralympischen Sommerspiele 2024 spricht, was er leidenschaftlich, authentisch und voller Begeisterung sehr gern tut, kann man leicht den Eindruck gewinnen, dass erst der Segelstandort der Hamburger Kampagne internationale Durchsetzungskraft verschafft. „Kiel ist in Sachen Segeln Weltklasse, weltweit bekannt und geschätzt, und wird die deutsche Bewerbung mit großem Engagement und großen Segelereignissen nach vorne bringen“, sagt Kämpfer. Michael Neumann, 45, Hamburgs Innen- und Sportsenator, bleibt dann wenig anderes übrig, als seinem SPD-Parteifreund lächelnd zu attestieren: „Wir sind froh, dass wir Kiel im Boot haben.“ Die Landeshauptstadt Schleswig-Holsteins sei „ein starker Partner auf Augenhöhe“, der die gleiche Bedeutung für das Segeln habe wie das Turnier in Wimbledon für den Tennissport.

Die Kieler Woche, die vom 20. bis 28. Juni zum 121. Mal gesegelt wird, soll also Olympia richten. Rund 6000 Segler aus 50 Nationen, die mit 2000 Booten auf den Revieren der Innen- und Außenförde ihre Regatten fahren, machen das Ereignis zum größten Segelevent der Welt. Ein Volksfest ist es zudem – Segler klagen: vor allem das. 2100 einzelne Veranstaltungen locken an den neun Tagen bis zu 3,5 Millionen Besucher an die Ostsee. „Die Kieler Woche ist zehn- bis elfmal so groß wie das, was uns bei Olympia erwartet“, sagt Kämpfer. Zur Wahrheit über die Kieler Woche gehört auch: Seit sie 2012 ihren Welcupstatus verlor, machen die zehn olympischen und paralympischen Bootsklassen eine Halse um die Förde. Außer bei den Lasern sind in diesem Jahr in keinem dieser Wettbewerbe bisher mehr als acht Boote gemeldet.

Die Kieler wollen nun so schnell wie möglich zurück in die „Champions League“ des Segelns. 2018, spätestens 2019 sollen die Regatten vor Schilksee wieder Teil des modifizierten Weltcupkalenders der Internationalen Segelföderation ISAF sein. In dieser Saison sind Abu Dhabi (Vereinigte Arabische Emirate), Melbourne (Australien), Miami (USA), Hyeres (Frankreich), Weymouth & Portland (England) und Qingdao (China) die sechs Premium­standorte der ISAF. Grund der Ausbootung vor drei Jahren waren hauptsächlich terminliche Probleme. Kurz vor der Kieler Woche, die traditionell Ende Juni stattfindet, wird vor der englischen Küste um Weltcuppunkte gesegelt. Logistisch sind beide Veranstaltungen kaum zu vereinbaren.

„Wir müssen wieder dahin kommen, dass kein Weg mehr an Kiel vorbeigeht“, sagt der neue Organisationschef Dirk Ramhorst, 47, der extra aus Singapur zur Vorstellung des neuen Konzepts nach Hamburg geflogen war. „Mit dem Rückenwind der Olympiabewerbung werden wir hoffentlich alsbald in der Lage sein, wieder eine wichtige Rolle im internationalen Segelsport zu übernehmen. Wir wollen den Spitzensport nach Kiel zurückholen. Das muss unser Ziel sein.“ Vom Know-how, der technischen Präsentation und der Kommunikation der Veranstaltung setzt die Kieler Woche jedoch weiter weltweit Maßstäbe.

Erste Maßnahmen zur sportlichen Aufwertung wurden inzwischen getroffen. Die olympischen Regatten sollen 2016 von der ersten in die zweite Wochenhälfte verlegt werden – mit den attraktiven Medal Races am letzten Juni-Sonntag –, damit mehr Zeit bleibt, um von Weymouth nach Kiel zu kommen. Darüber hinaus will sich die Stadt verstärkt um die Ausrichtung von Welt- und Europameisterschaften in olympischen Disziplinen bewerben. Und Schleswig-Holsteins Landesregierung spendiert für die nächsten drei Jahre, beginnend in diesem Juni, bis zur Olympiaentscheidung im Sommer 2017 in Lima (Peru) jeweils 60.000 Euro Preisgeld für die olympischen Klassen, 3000 Euro den Siegern. Das entspricht den Prämien bei den europäischen Weltcups. Für Laser-Segler Tobias Schadewaldt, 30, vom Norddeutschen Regatta-Verein (NRV) in Hamburg, war diese Geste bereits Anlass genug, kurzfristig umzudisponieren und bei der Kieler Woche aufs Wasser zu gehen.

Parallel zur Vorbereitung auf die Kieler Woche laufen die Planungen für die Olympiabewerbung. Ähnlich wie in Hamburg sollen im Juli die Grundzüge des Konzepts ausgearbeitet sein. Für die Kandidatur inklusive des Referendums, Kosten rund 250.000 Euro, will die Stadt mithilfe der Wirtschaft bis zum Jahresende etwa 800.000 Euro aufbringen. Nächste Woche wird der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) mit Hamburg und Kiel das weitere Vorgehen besprechen. Sorgen über den Ausgang der Volksbefragung macht sich Oberbürgermeister Kämpfer nicht: „In Kiel herrscht eine breite, reflektierte Olympiabegeisterung. Von den Spielen 1972 hat die Stadt unglaublich profitiert. Das wissen hier alle.“