Lübeck/Escheburg. Prozessauftakt Weil sechs Asylbewerber nach Escheburg ziehen sollen, zündete ein Finanzbeamter das Haus an

Von einem „Männerwohnheim“ haben sie damals in Escheburg abfällig geredet – dabei ging es um eine Doppelhaushälfte, die genau so aussah wie all die Doppelhaushälften, in denen die abfällig Redenden wohnten. Beim Reden blieb es nicht. Einer aus dieser Gesellschaft warf am 9. Februar einen Brandsatz in das Haus, um zu verhindern, dass dort sechs irakische Asylbewerber einziehen. Am Donnerstag begann vor der VII. Großen Strafkammer des Landgerichts Lübeck der Prozess gegen Stefan P. (Name geändert). Es ist ein Prozess, der schmerzt – weil er den Blick freigibt auf Wohlstandsbürger, denen jeder Anstand verloren gegangen ist.

P., 39, Familienvater, Finanzbeamter in Hamburg, hat die Brandstiftung gestanden. Für ihn steht einiges auf dem Spiel. Zum Beispiel die berufliche Existenz. Wird er zu einem Jahr Haft oder gar zu mehr verurteilt, verliert er den Beamtenstatus. Vor Gericht wiederholt P. sein Geständnis. „Ich schäme mich sehr dafür, ich kann nicht begreifen, warum ich das getan habe“, sagt er. Vor den Fotografen versteckt er sein lichtes Haupthaar unter einer Schiebermütze. Ob er der einzige Täter ist, muss bezweifelt werden. Schon zuvor hatte irgendjemand versucht, die Terrassentür des Hauses aufzubrechen. Und rund eine Stunde vor dem Brandanschlag ging die äußere Scheibe eines doppelt verglasten Fensters zu Bruch.

Die Nachricht vom unmittelbar bevorstehenden Einzug der Asylbewerber in das leer stehende Gebäude muss damals, in den ersten Februartagen, wie ein Lauffeuer durch die kleine Straße im 3500-Seelen-Dorf Escheburg gerast sein. Dicht bei dicht stehen hier die Häuser, einige sind aus Holz. Es ist ein Familienidyll, viele sind aus Hamburg herausgezogen.

Schnell redet man sich die Köpfe heiß in dieser Straße. Schon am Tag nach dem Lauffeuer steht P. zusammen mit weiteren Nachbarn beim Bürgermeister Rainer Bork auf der Matte. Doch der habe, so P., nur gesagt: „Ist so“. P. ist verärgert. „Wenn Familien dort einziehen, passt es ja wunderbar, aber alleinstehende Männer?“ In den Doppelhaushälften fragt man sich: Können sich Frauen und Kinder überhaupt noch unbefangen in Sommerkleidung draußen aufhalten? P.: „Da kommen sechs junge Männer, die in Saft und Kraft stehen.“ Er habe Angst vor der „schieren Masse“ gehabt.

Der Beamte telefoniert mit Brigitte Mirow, der Chefin des für Escheburg zuständigen Amtes Hohe Elbgeest. Es wird ein aus P.s Sicht unerfreuliches Gespräch, am Ende soll Mirow den Hörer einfach aufgelegt haben. Mirow bestreitet das. Die Nachbarn befeuern sich unterdessen weiter. Sie wollen einen Anwalt einschalten. Der stellvertretende Bürgermeister zündelt angeblich mit. Er soll empfohlen haben, Brigitte Mirow im Amt einen unangemeldeten Besuch abzustatten. „Da müsst ihr hin, die wackeln“, sagt er laut P.

An jenem Montag, an jenem 9. Februar, trifft man sich um 8.45 Uhr auf der kleinen Straße. Zwölf Anwohner ziehen los. „Um mal so richtig Krawall zu machen“, sagt Frau B, eine Krankenschwester mit blondem Kräuselhaar, die für ihre Aussage die Brille aufsetzt. Verwaltungschefin Mirow erinnert sich: „Die rasten rein, mir wurde ein Handy oder so etwas unter die Nase gehalten, man verlangte ein sofortiges Gespräch.“ Da geht es dann hoch her. „Einige von den Frauen, auch meine Frau, weinten“, sagt P. „Das Gespräch war überwiegend emotional“, sagt Mirow. „Erläuterungen waren eher nicht gewünscht.“ Ihr Eindruck: Die Anwohner wollten dort keine Asylbewerber haben.

Nach einer guten Stunde endet das Gespräch. Vor der Tür reden sich die erbosten Escheburger in Rage. Vorschläge machen die Runde. Es klingt nach Panik, nach Drama. Man müsse die Straße mit Autos blockieren. „Am besten, das Haus wäre nicht da“, heißt es plötzlich. Frau B. regt nach eigener Aussage an: „Man müsste da einen Wasserschlauch reinlegen und den Hahn aufdrehen.“ Und P. sagt laut Zeugen: „Am besten, ihr hört heute Abend nichts.“ So spät wird es dann doch nicht. Kaum zu Hause, holt P. – wie er vor Gericht sagt – einen Hammer aus dem Keller, greift sich Streichhölzer und einen Drei-Liter-Kanister mit Pinselverdünner, schlägt in der Doppelhaushälfte, die wie seine aussieht, ein Fenster ein, kippt Pinselverdünner ins Zimmer, wirft den Kanister und brennende Streichhölzer hinterher. Es gibt eine Verpuffung, die Flammen erlöschen rasch. P. setzt sich ins Auto und fährt zu Lidl. „Ich habe mich furchtbar gefühlt“, sagt er.

Später klingelt in einem Hamburger Büro das Telefon. Dort arbeitet als „Berichtskritikerin“ Frau Z., eine Nachbarin von P. Ihr Mann erzählt ihr vom Anschlag. Z. sagt etwas, was ihre Kollegin V. gehört haben will: „Hat er es also doch getan.“ Z. streitet diesen Satz vor Gericht ab, ihr Mann ist sich nicht sicher. Sie wird laut, spricht von einer „Hetzjagd“ der Polizei auf den Angeklagten – das „Allerletzte“ sei das. Wie gesagt: Es ist ein Prozess, der schmerzt. Am Montag geht er weiter.