Kaltenkirchen. Bahn-Unternehmen orderte neue Fahrzeuge ohne WCs. Der nachträgliche Einbau würde richtig viel Geld kosten

„Wir freuen uns sehr, unseren Fahrgästen in gut zweieinhalb Jahren einen Komfort bieten zu können, der heutzutage schlichtweg zum Standard gehört“: AKN-Chef Wolfgang Seyb war begeistert – damals, im Mai 2013. Heute, zwei Jahre nach dieser hochgestimmten Äußerung, ist klar: Der Komfort hat allerdings Grenzen. 60 Millionen Euro zahlt das Eisenbahnunternehmen AKN für 14 neue Fahrzeuge, die ab Dezember zwischen Hamburg-Eidelstedt und Neumünster verkehren sollen. Doch die angeblich komfortablen Dieseltriebwagen haben nicht einmal Toiletten – und entsprechen damit genau dem Standard der schon 40 Jahre alten Fahrzeuge, die nun ausgemustert werden sollen. Mittlerweile wird über einen nachträglichen Einbau nachgedacht. Der würde allerdings viel Geld kosten: 2,5 Millionen Euro. Hätte man die Fahrzeuge gleich mit Toiletten geordert, wäre es mit nur 1,15 Millionen Euro deutlich günstiger geworden.

Die Zahlen stammen aus einer Kleinen Anfrage des FDP-Landtagsabgeordneten Christopher Vogt. Der hält es mittlerweile für einen Schildbürgerstreich, dass sich die AKN gegen WC-Anlagen entschieden hat. „Es ist völlig unsinnig, den Umbau im Rahmen der nächsten Hauptuntersuchung vorzunehmen, wie das jetzt offenbar geplant ist“, sagt Vogt: „Diese Untersuchung ist erst in acht Jahren, also 2023. Man sollte sofort umbestellen und Fahrzeuge mit behindertengerechten Toiletten ordern.“

Die AKN, die je zur Hälfte den Ländern Schleswig-Holstein und Hamburg gehört, hat das bereits abgelehnt. „Die Züge sind schon in der Herstellung“, sagt AKN-Pressesprecherin Christiane Lage. Eine Toiletten-Kehrtwende würde die Produktion verzögern. Dem Land Schleswig-Holstein ist es wichtig, dass die AKN-Linien als Alternative für die Autobahn A 7 genutzt werden können; die wird derzeit saniert. Der Landesverkehrsminister Reinhard Meyer (SPD) hofft, dass zahlreiche Autofahrer auf die Bahn umsteigen. Eine verzögerte Auslieferung der neuen Dieseltriebwagen wäre da kontraproduktiv.

Dirk Mitzloff, der stellvertretende Landesbeauftragte für Behinderte, ist dennoch enttäuscht vom Vorgehen der AKN (das Kürzel steht für Eisenbahnaktiengesellschaft Altona-Kaltenkirchen-Neumünster). „Wir haben für eine Ausstattung der AKN mit barrierefreien WC-Anlagen plädiert“, sagt Mitzloff. „Bis kurz vor der Entscheidung gegen die Ausstattung zeigten die Signale hier auf eine Ausstattung mit barrierefreien WCs.“

Dass diese Entscheidung nun doch gegen diese einzig sinnvolle und voll rechtskonforme Lösung falle, sei unverständlich. Mitzloff: „Sie ist für Menschen mit Behinderung ein Affront und angesichts des demografischen Wandels ein Armutszeugnis in Hinsicht auf vorausschauende Planung. Sollte nun nachgerüstet werden, ist es zudem eine Verschwendung von Mitteln, da die Nachrüstung mehr als doppelt so teuer wird wie die Beschaffung barrierefrei ausgestatteter Fahrzeuge.“

AKN-Chef Wolfgang Seyb findet, sein Unternehmen stehe zu Unrecht am Pranger. „Wir haben uns damals nach langen Abwägungen entschieden, keine Toiletten zu bestellen“, sagt er. Die AKN-Strecken seien Bestandteil des Hamburger S-Bahn-Verkehrs, dort gebe es ebenfalls keine WCs. „Nur zwei Prozent unserer Fahrgäste sind über eine Stunde im Triebwagen, die durchschnittliche Reiseweite liegt bei zwölf Kilometern“, sagt er. Die Zahl der Fahrgäste, die ein AKN-Klo nutzen würden, ist nach Ansicht von Seyb nicht sonderlich hoch. Und: Der Verzicht auf WC-Anlagen habe auch Vorteile. In den neuen Zügen sei so mehr Platz für Fahrgäste. Dennoch deutet Seyb an, dass ein nachträglicher Einbau vorgenommen wird. „Im Rahmen des ersten Re-Designs werden wir darüber diskutieren“, sagt er. Der werde nach sechs bis acht Jahren vorgenommen.

Beim Sozialverband Schleswig-Holstein hat man die Hoffnung aufgegeben, dass es je AKN-WCs geben wird. „Ich glaube, mit dieser Ankündigung eines Einbaus sollen wir nur eingelullt werden“, sagt Gerhard Renner, Vorsitzender des Kreisverbands Pinneberg. Er findet, dass die AKN Vorreiter für einen barrierefreien Nahverkehr hätte werden können. Diese Chance sei nun für weitere 40 Jahre vertan – so lange werden die neuen Züge im Einsatz sein. Überall hätten er und seine Verbandsmitglieder für die Toiletten geworben – vergebens. Man habe schon überlegt, mit Dixieklos auf dem Bahnsteig zu protestieren. „Aber es nützt ja nichts. Die AKN hat da eine Denkbarriere.“