Hannover/Kiel. Rund 9500 Beschäftigte beteiligten sich am Warnstreik, mit dem höhere Löhne für Erzieher durchgesetzt werden sollen.
Im Kampf um eine deutlich bessere Bezahlung von Erzieherinnen und Sozialarbeitern haben die Gewerkschaften den Druck auf die kommunalen Arbeitgeber noch einmal erhöht. In gleich drei Marschsäulen zogen gestern in Hannover nach Angaben der Polizei über 8000 Streikende vor das Hotel, in dem die vierte Verhandlungsrunde stattfand.
Laut den Gewerkschaften Ver.di und Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) beteiligten sich gestern rund 9500 Beschäftigte an den Warnstreiks in ganz Norddeutschland, Schwerpunkte waren dabei in Niedersachsen die Großstädte mit der Landeshauptstadt an der Spitze. Hier blieben praktisch alle Kitas dicht. Gestreikt wurde aber auch in kleinen Orten wie Scheeßel, Rotenburg oder Königslutter.
In Schleswig-Holstein gibt es rund 350 kommunale Kindergärten. Viele blieben gestern geschlossen oder arbeiteten mit reduziertem Personal. Wie viele es genau waren, war weder bei Ver.di noch bei der GEW zu erfahren. Ver.di-Landesfachbereichsleiter Jens Mahler konnte am Nachmittag nur einen ungefähren Überblick über die Auswirkungen des Arbeitskampfes geben. Nach seiner Einschätzung dürften landesweit mindestens 30 Kindergärten bestreikt worden sein. Schwerpunkte seien Kiel, Flensburg, Neumünster, Norderstedt und Bad Segeberg gewesen. Der GEW-Landes-geschäftsführer Bernd Schauer be-richtete, in der Landeshauptstadt seien nahezu alle kommunalen Kitas geschlossen gewesen.
Die beiden in diesem Bereich tätigen Gewerkschaften hatten eine Aufgabenteilung vereinbarten. Rund 400 Ver.di-Mitglieder fuhren mit Bussen zur zentralen Kundgebung in Hannover. Ebenfalls rund 400 GEW-Mitglieder versammelten sich in Kiel und zogen in einem Protestzug zum Verband der kommunalen Arbeitgeber, der gegenüber dem Landeshaus seinen Sitz hat. Streiks gab es auch in Hamburg, Bremen, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Nordhessen.
Achim Meerkamp vom Bundesvorstand der Gewerkschaft Ver.di verwies bei der zentralen Streikversammlung in Hannover auf die ständig gestiegenen Anforderungen an die Beschäftigten in Kindertagesstätten, bei der Jugendhilfe und in der Behindertenhilfe sowie im allgemeinen Sozialdienst: „Die qualifizierte pädagogische Arbeit der Beschäftigten muss endlich auch finanziell aufgewertet werden.“
Die von Ver.di verlangte bessere Eingruppierung würde etwa einer zehnprozentigen Lohnerhöhung entsprechen. Gegenwärtig beträgt das Einstiegsgehalt 2366 Euro, nach acht Jahren werden 2946 Euro erreicht. Wegen der hohen Teilzeitquote bedeutet dies laut Ver.di, dass viele Beschäftigte einen Zweit- oder sogar Drittjob annehmen müssen. Meerkamp rechnete vor, die Forderung der Gewerkschaft entspreche nur einem Prozent der absoluten Personalkosten kommunaler Arbeitgeber.
Die Tarifauseinandersetzung betrifft allein in Niedersachsen rund 1500 Kitas in kommunaler Trägerschaft mit 15.000 Beschäftigten. Hinzu kommen weitere 5000 Beschäftigte im Bereich der sozialen Dienste. Bundesweit geht es um die Einkommen von rund 240.000 Beschäftigten im kommunalen Sozial- und Erziehungsdienst.
Die Teilnehmer an der Kundgebung in Hannover machten ihrem Unmut über die Haltung der kommunalen Arbeitgeber mit Trillerpfeifen, Transparenten und Trommeln Luft. Sie kamen aus insgesamt acht Bundesländern. Ver.di-Vorstand Meerkamp rechnete bei den Tarifverhandlungen am gleichen Tag noch nicht mit einem Durchbruch: „Allerdings erwarten wir, dass mindestens der Einigungswille auf Arbeitgeberseite endlich erkennbar wird.“ Tatschlich kam es zu keiner Einigung, die nächste Gesprächsrunde findet in der kommenden Woche in Offenbach statt. Wenn es dann erneut zu keiner Annäherung kommt, ist mit einer Urabstimmung zu rechnen.