Müssen Grundschüler sich mit lesbischen Mamas, schwulen Papas und Eltern, die ihr Geschlecht ändern, auskennen? Eine Aufklärungsbroschüre soll nun überarbeitet werden.

Kiel. „Manchmal gibt es zwei Mamas oder zwei Papas. Gelegentlich gibt es einen Papa, der früher einmal eine Frau war oder eine Mama, die früher einmal ein Mann war. Bei lesbischen Mamas, schwulen Papas oder Eltern, die ihr Geschlecht ändern, sprechen wir von einer Regenbogenfamilie.“ Mit Aussagen dieser Art werden demnächst möglicherweise die Grundschüler in Schleswig-Holstein konfrontiert. „Echte Vielfalt unter dem Regenbogen“ ist der Titel einer Broschüre, die zwar noch nicht herausgegeben wurde, aber schon jetzt für Aufruhr bei Eltern, Lehrern und Politikern sorgt. Die Landespolitiker wollen bereits bei Grundschülern in den dritten und vierten Klassen Vorbehalte gegen Lesben, Schwulen und Transsexuelle abbauen.

Vor einem Jahr hatte der Kieler Landtag auf Antrag von SPD, Grünen, Piraten, FDP und SSW beschlossen, einen Aktionsplan gegen Homophobie (Angst vor homosexuellen Menschen) zu erarbeiten. Dazu soll auch gehören, dass in Schule und Kindertagesbetreuung unterschiedliche sexuelle Identitäten als selbstverständliche Lebensweisen vermittelt und wertneutral behandelt werden. Mit der Erstellung des Unterrichtsmaterials beauftragte das Sozialministerium den Lesben- und Schwulenverband in Schleswig-Holstein (LSVD), der wiederum das Petze-Institut für Gewaltprävention in Kiel einschaltete. Das Institut legte einen 90 Seiten starken „Methodenschatz für Grundschulen zu Lebens- und Liebesweisen“ unter der Überschrift „Echte Vielfalt unter dem Regenbogen“ für die Grundschulen vor, der bisher nur intern behandelt wird. Material für die Kindertagesstätten ist in Vorbereitung.

Auszüge aus der Broschüre

Auszüge mit markanten Sätzen machen öffentlich die Runde. Da sollen Grundschüler zum Beispiel diese Frage beantworten: „Ist die Person weiblich (eine Frau), männlich (ein Mann), intersexuell (weder eine Frau noch ein Mann) oder transsexuell (Frau, die früher einmal ein Mann war oder Mann, der früher einmal eine Frau war)?“ Kinder berichten in der Broschüre, dass ihre Mutter „Samenzellen von einem netten Mann“ bekommen habe, dass der Vater jetzt eine Frau sei und alle zusammen eine „coole Familie“ bildeten.

CDU-Politiker melden Protest an, einige Elternverbände sind entsetzt. „Das kann nicht gut gehen“, schimpft das Bündnis „Rettet die Familie“ auf seiner Internetseite. Aber auch im Sozialministerium ist inzwischen aufgefallen, dass „normale“ Mutter-Vater-Kind-Familien in diesem „Methodenschatz“ möglicherweise zu kurz kommen. „Die Vermittlung von Akzeptanz und Vielfalt sind mir sehr wichtig, aber keinesfalls darf der Eindruck entstehen, als ob eine Familie mit Vater, Mutter und Kind etwas falsch gemacht hätte“, sagt Sozialministerin Kristin Alheit, SPD. Der Entwurf spiegele nicht die Einstellung des Ministeriums wider. Kristin Alheit hat inzwischen eine Neufassung der Broschüre veranlasst.

Neufassung soll bis zum Frühjahr vorliegen

Auch der Lesben- und Schwulenverband ist nicht glücklich über das Unterrichtsmaterial, obwohl Vorstandsmitglied Agnes Witte nicht der Ansicht ist, dass die normale Familie an den Rand gedrängt wird. Ziel des Verbandes sei es, einfaches und verständliches Unterrichtsmaterial zu erstellen, das Lehrkräften bei Bedarf helfen könne, Akzeptanz und Vielfalt kindgerecht zu vermitteln.

Das Petze-Institut fühlt sich brüskiert, mag offiziell aber nicht Stellung nehmen. Die jetzt von Elternverbänden ins Internet gestellte Kurzfassung der Broschüre gebe ein falsches Bild wider, heißt es aus der Geschäftsleitung. In der 90 Seiten starken Gesamtbroschüre werde das Verhältnis der unterschiedlichen Familienformen insgesamt ausgeglichen dargestellt.

Die Neufassung soll, so Ministeriumssprecher Christian Kohl, bis zum Frühjahr vorliegen. Bevor der „Methodenschatz“ als Unterrichtsmaterial freigegeben werde, müsse es auch noch mit dem Landeselternbeirat der Grundschulen, dem IQSH (Institut für Qualitätsentwicklung) und dem Bildungsministerium abgestimmt werden.

Kohl betont, dass es sich um ein Unterrichtsangebot handele. Keine Grundschule in Schleswig-Holstein werde dazu gezwungen, die Broschüre im Unterricht einzusetzen. 20.000 Euro soll das Erstellen des „Methodenschatzes für Grundschulen zu Lebens- und Liebesweisen“ gekostet haben.