Norddeutschland wappnet sich. Die Rader Hochbrücke ist gesperrt. Bei einem Unfall auf der B 404 wurde zwei Männer verletzt.HSV-Trainer Zinnbauer bricht Training ab – ein Tor war umgeweht worden.
Husum/Hamburg. Der angekündigte Sturm hat am Freitagmorgen die Inseln an der Nordseeküste erreicht. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) sprach von schweren Sturmböen auf Amrum, Sylt, Helgoland und Borkum in Nord- und Ostfriesland. Am Mittag werde der Sturm mit den Tiefausläufern aus dem Nordwesten noch weiter zulegen. An der Küste werden orkanartige Böen von bis zu 115 Stundenkilomtern erwartet.
Die ersten Auswirkungen sind auch im Binnenland zu spüren. HSV-Cheftrainer Joe Zinnbauer brach das Training nach 55 Minuten ab. Die Sturmböe hatte ein Tor umgefegt.
Die Rader Hochbrücke an der Autobahn 7 ist seit 10 Uhr komplett gesperrt. An der Universität Kiel müssen Studenten und Mitarbeiter das Gelände bis 12 Uhr verlassen. Auf der Bundesstraße 404 ist ein Auto gegen einen umgefallenen Baum geprallt. Die beiden Insassen des Wagens wurden verletzt, einer schwer, einer leicht. „Der Baum war krank, deshalb reichte schon mäßiger Wind, um ihn umkippen zu lassen“, sagt Andreas Dirscherl von der zuständigen Polizeidirektion Ratzeburg. Offenbar waren die Wurzeln des Baumes angefault. Der Unfall ereignete gegen 8.05 Uhr auf Höhe der Abfahrt Trittau Nord. Die Feuerwehr rückte an, um den Baum abzutransportieren.
+++ So zieht der Sturm über Norddeutschland +++
Der Deutsche Wetterdienst hat eine Sturmwarnung für Norddeutschland herausgegeben. Der Wind komme aus Südwest bis West, heißt es. Das Institut für Wetter- und Klimakommunikation in Hamburg (IWK) erwartet die stärksten Orkanböen mit mehr als 140 km/h auf den Nordfriesischen Inseln und der Nordsee.
Nach Angaben des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrographie Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie soll das Nachmittag-Hochwasser beziehungsweise das Abend-Hochwasser an der ostfriesischen Küste etwa 1 Meter höher, im Weser- und Elbegebiet und an der nordfriesischen Küste etwa 1,5 Meter höher als das mittlere Hochwasser eintreten. Die Sturmflutwarnung sei voraussichtlich gültig bis 19 Uhr. In der Nacht zum Sonntag liegen die prognostizierten Werte bei zwei Meter über den normalen Wasserständen“, teilte der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz im ostfriesischen Norden mit. Das bedeutet Überflutungsgefahr für Strände, Vorländer und Hafenflächen. In Hamburg könnte der Höhepunkt am Sonntagmorgen erreicht werden: Gegen 7.54 Uhr sei ein Wasserstand von bis zu 2,50 Meter über dem Mittleren Hochwasser möglich.
Der Sturm hat auch bereits erste Auswirkungen auf den Fährverkehr zu den Halligen. Die Wyker Dampfschiffs-Reederei hat auf Grund des Sturmtiefs die Verbindungen von und zu den Halligen Hooge und Langeneß gestrichen.
Auch im Binnenland Schleswig-Holsteins und dem nördlichen Niedersachsen müsse sich die Bevölkerung auf Stürme einstellen. Für Sonnabend prognostizierte der DWD in ganz Norddeutschland orkanartige Böen, an den Küsten auch Orkanböen. In der Nacht zu Sonntag kann es bis zu drei Zentimeter Neuschnee geben. Schäden wurden Polizei und Feuerwehr bislang nicht gemeldet.
Grund sind die ersten Ausläufer der zwei Orkantiefs „Elon“ und „Felix“. Vor Spaziergängen im Wald wird wegen der Gefahr umstürzender Bäume gewarnt. Die Deutsche Bahn will auf bestimmten Streckenabschnitten die Geschwindigkeit von Zügen reduzieren sowie Räum- und Reparaturtrupps bereit halten.
Das Hauptwindfeld erreicht Hamburg am Freitag kurz vor Mittag, so Frank Böttcher vom Hamburger Institut für Wetter- und Klimakommunikation. „Da kann bei Windstärke 10 schon mal der eine oder andere Baum umkippen und das Dach vom Schuppen fliegen.“ Am Nachmittag flaue der Wind ab. „Gegen 21 Uhr kann man dann auch mal wieder mit dem Hund Gassi gehen – da fliegt der Dackel nicht mehr weg.“
Der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz ist darauf vorbereitet, auch das Emssperrwerk in Gandersum (Kreis Leer) zu schließen. Das geschieht allerdings erst nach Prognosen von deutlich mehr als zwei Meter über dem mittleren Tidehochwasser. Mitarbeiter des NLWKN auf den ostfriesischen Inseln stehen bereit, um Abwehrmaßnahmen zu ergreifen.
An den Küsten wärmt das Meer weiterhin die Luft. Besonderes Augenmerk liegt am Sturm-Wochenende auf Sylt. „Bei Sturmflut kann es durch hohe Wellen zu Abbrüchen am Sylter Kliff kommen“, warnt Böttcher. Hochwasser ist auf Sylt für 15.51 Uhr angekündigt. Für den Sylt-Shuttle gilt: Ab Windstärke 10 werden keine Fahrzeuge mit Gefahrgut oder mit leeren Anhängern, keine Wohnmobile und keine Wohnwagengespanne mehr transportiert. Ab Windstärke 12 wird der Zugverkehr zwischen Sylt und dem Festland komplett eingestellt.
Auch Mecklenburg-Vorpommern betroffen
Erste Böen mit Stärke acht und neun erreichten Mecklenburg-Vorpommern am Freitagmorgen, sagte Stefan Kreibohm vom Wetterdienst Meteomedia. Es werde aber nicht dramatisch. „Das ist ein ganz normaler Wintersturm.“ Im Binnenland werden Böen von Stärke zehn, an der Küste von Stärke elf mit Windgeschwindigkeiten von 100 bis 115 Kilometer pro Stunde erwartet. Der Höhepunkt werde am Freitagmittag erreicht. Auch am Samstag werde es noch stürmisch sein, bevor der Wind dann abschwächt.
Bei den Windstärken sei durchaus mit herunterfallenden Ästen oder auch umstürzenden Bäumen zu rechnen, sagte Kreibohm. Das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie erwartet für die Ostseeküste von Mecklenburg-Vorpommern bis Samstag früh ein geringes Niedrigwasser von bis zu 60 Zentimeter unter Normal.
Wie entsteht ein Orkan?
Orkane können im Herbst und Winter über dem Nordatlantik entstehen und mit dem Westwind nach Europa ziehen. Wegen des noch warmen Wassers im Ozean steht der polaren Kaltluft nur wenig weiter südlich milde Meeresluft entgegen. Durch den Temperaturgegensatz entstehen in der oberen Atmosphäre extrem starken Winde, die die Entstehung von Orkanen begünstigen. Von einem Orkan sprechen Meteorologen, wenn der Wind mindestens zehn Minuten lang mit einer Geschwindigkeit von 118 Kilometern pro Stunde oder mehr weht.
Was ist eine Sturmflut?
Wind drückt die Wassermassen vor sich her und verstärkt die Kräfte der Gezeiten. An der Nordseeküste spricht man von einer Sturmflut bei 1,50 bis 2,50 Meter über dem Mittleren Hochwasser (Ostseeküste: 1,00 bis 1,25). Dabei werden einzelne Küstenstraßen überschwemmt. Der mittlere Hochwasserstand liegt etwa zwei Meter über dem Wert Normal Null, der vom mittleren Wasserstand der Nordsee abgeleitet ist. Eine schwere Sturmflut verursacht an der Nordseeküste Wasserstände von 2,50 bis 3,50 Meter über mittlerem Hochwasser – die nordfriesischen Halligen melden dann „Land unter“. Bei einer sehr schweren Sturmflut werden mehr als 3,50 Meter erreicht.
Wie werden Windstärken berechnet?
Windgeschwindigkeiten werden mit der Beaufort-Skala gemessen. Sie wurde von dem englischen Admiral Francis Beaufort (1774-1857) entwickelt. Die Skala reicht vom leisen Luftzug der Stärke 1 bis zum Sturm der Stärke 9 mit 88 Stundenkilometern, bei dem erste Dachziegel herabfallen. Ein schwerer Sturm (10) mit bis zu 102 Kilometern in der Stunde kann dicke Äste abbrechen. Der orkanartige Sturm (11) reicht bei bis zu 117 Kilometern, um ganze Bäume zu entwurzeln. Bei noch stärkerem Wind (12) ist ein Orkan erreicht, der schwere Verwüstungen anrichten kann.