Den Arztbesuch erst beantragen: Für Asylbewerber ist das Alltag. Nur in Hamburg und Bremen dürfen sie ganz normal zum Arzt. Nun prüfen Bund und Länder eine Ausweitung des „Bremer Modells“.
Hamburg. Auch nach dem ausgehandelten Asylkompromiss zwischen Bund und Ländern dürfen Asylbewerber in den meisten Bundesländern nicht einfach so zum Arzt. Jede Behandlung müssen sie bei den Sozialbehörden beantragen, jede Rechnung wird von diesen geprüft. Die Stadtstaaten Bremen und Hamburg gehen einen anderen Weg. Dort erhalten Asylbewerber bereits seit Jahren Gesundheitskärtchen und damit ein Stück Normalität. Andere Länder sind an diesem Modell interessiert, der Bund zeigt sich zurückhaltend.
„Das Modell ist ein großer Erfolg“, sagt Jörn Hons, Sprecher der AOK Bremen/Bremerhaven. Seit neun Jahren übernimmt seine Krankenkasse die Betreuung der Asylbewerber in Bremen, seit zwei Jahren auch die der Flüchtlinge in Hamburg. Die Behandlungskosten der derzeit rund 3000 Asylbewerber in Bremen und 9300 Asylbewerber in Hamburg erstattet der Staat der Krankenkasse. Für jeden Asylbewerber erhält sie aktuell zusätzlich zehn Euro Verwaltungspauschale. Das genüge, sagt Hons.
Auch für die Behörden lohnt sich die Partnerschaft mit der Krankenkasse. Indem sie mit der Abrechnung die Kassen beauftragen, sparen sie Personal und teure Software. Allein in Hamburg seien zuletzt rund 1,6 Millionen Euro pro Jahr eingespart worden, darunter die Kosten für 14 Sachbearbeiter, heißt es aus dem Senat. Und die Zahl der Asylbewerber steigt. Allein im November 2014 kamen 684 neue Flüchtlinge nach Hamburg.
In Flächenländern ist Umsetzung schwieriger
Für Asylbewerber bedeutet die Chipkarte ein Stück Freiheit. Sie können, wenn sie Schmerzen haben oder krank sind, unbürokratisch zum Arzt. Dort erhalten sie ähnliche Leistungen wie gesetzlich Versicherte. Die Behandlungskosten seien in beiden Stadtstaaten dadurch nicht gestiegen. Vielleicht auch, weil die Asylbewerber auf besondere Behandlungen chronischer Krankheiten und freiwillige Zusatzleistungen der Kassen verzichten müssen. Auch im Ausland sind sie nicht versorgt. Nur auf Antrag werden etwa Psychotherapie, Kuren oder Zahnersatz bezahlt.
Einzelne Flächenländer wie etwa Brandenburg und größere Kommunen haben sich bereits bei den Stadtstaaten nach dem „Bremer Modell“ erkundigt und wollen es kopieren. Gespräche zwischen Brandenburg und der AOK Nordost habe es bereits gegeben, heißt es aus der dortigen Landesverwaltung. Wie die Stadtstaaten würde aber auch Brandenburg eine bundeseinheitliche Lösung präferieren. Die Gesundheitskarte für Asylbewerber sei eine „gesamtstaatliche Aufgabe“, sagte eine Sprecherin des brandenburgischen Gesundheitsministeriums.
Und so verhandeln Bund und Länder aktuell in einer Arbeitsgruppe über die Chipkarte für Asylbewerber. Aus dem CDU-geführten Bundesgesundheitsministerium heißt es dazu nur zurückhaltend: „Das Ergebnis bleibt abzuwarten.“ Ein Sprecher von Bremens Sozialsenatorin Anja Stahmann (Grüne) sagt: „Eine Umsetzung außerhalb der Stadtstaaten gestaltet sich wegen der örtlichen Zuständigkeit der Landkreise und Kommunen offensichtlich schwierig.“
Manchen Ländern reicht beinahe Gleichstellung nicht mehr aus
Während die einen noch darüber diskutieren, wollen andere schon mehr: Bremen und einigen anderen Ländern ist das „Bremer Modell“ nicht mehr gut genug. Stahmanns Sprecher fordert etwa: „Optimal wäre es, wenn die Asylantragssteller als regulär Versicherte in der gesetzlichen Krankenversicherung aufgenommen werden könnten.“ Zumindest müssten sie zeitnah mit gesetzlich Versicherten gleichgestellt sein.
Auch aus dem brandenburgischen Gesundheitsministerium heißt es: „Jeder Mensch hat das gleiche Recht auf medizinische Versorgung.“ Die Bundesregierung reagiert bei dieser Frage zurückhaltend. Eine Sprecherin von Bundessozialministerin Andrea Nahles (SPD) sieht zwar „Reformbedarf“. Allerdings solle mit Verweis auf eine europäische Richtlinie über die Leistungen für Asylbewerber erst im weiteren Verlauf der Legislaturperiode entschieden werden.