Deutsche und Russen wollen trotz der Ukraine-Krise den Dialog nicht abreißen lassen. Das ist die Botschaft des Russland-Tags in Rostock-Warnemünde. Altkanzler Schröder hofft auf einen Brückenschlag.
Rostock. Altbundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) hat dafür geworben, den Dialog mit Russland trotz des fortwährenden Ukraine-Konflikts zu suchen und an das zuvor partnerschaftliche Verhältnis anzuknüpfen. „Nur so kann Vertrauen entstehen, das derzeit fehlt“, sagte Schröder am Mittwoch in Rostock auf dem Russland-Tag Mecklenburg-Vorpommerns, einem bilateralen Wirtschaftstreffen mit mehr als 400 Teilnehmern. Solche Treffen könnten zu einem neuen Brückenschlag zwischen Deutschland und Russland führen. Gegenseitige Vorwürfe, Drohungen und Sanktionen seien der falsche Weg. „Wir sollten uns vielmehr auf die Elemente der alten Entspannungspolitik besinnen“, mahnte Schröder. Um den Russland-Tag hatte es in den vergangenen Monaten heftige Diskussionen wegen der Rolle Russlands im Ukraine-Konflikt gegeben.
Die Sanktionen als Folge des Konflikts hätten viel Vertrauen zerstört und machten sich wirtschaftlich bemerkbar. Für deutsche Firmen blieben Aufträge aus und Russland leide unter dem Wertverfall des Rubels sowie dem Rückzug von Investoren. Schröder, der sich selbst als „Russland-Versteher“ bezeichnete, warb für die Rückkehr zu einem partnerschaftlichen, „meinethalben auch strategischen“ Verhältnis. Die vor sechs Jahren geschlossene Modernisierungspartnerschaft sei ein richtiges Konzept.
Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) bezeichnete den Ukraine-Konflikt als eine schwere Belastung für die deutsch-russische Beziehung. „Ich denke, wir alle setzen darauf, dass sich dieser Konflikt nicht weiter verschärft, sondern dass wir über gute Gespräche und Verhandlungen zu konstruktiver Partnerschaft zurückfinden.“ Die politischen Gespräche zur Lösung der Krise müssten aber auf anderer Ebene geführt werden.
Schröder sagte, deutsche Unternehmen könnten bei der Modernisierung der russischen Wirtschaft helfen. Schon jetzt hingen 350 000 deutsche Arbeitsplätze am Russlandgeschäft. „Umgekehrt profitieren wir immens von der Energie- und Rohstoffpartnerschaft mit Russland“, hob er hervor. Sie gebe den Deutschen Sicherheit, dass es im bevorstehenden Winter nicht kalt werde.
Allerdings schließe ein Dialog Kritik nicht aus, sagte Schröder. Er mahnte die Politik, weiter um ein friedliches Europa zu ringen. „Es ist uns – und da schließe ich meine Amtszeit ausdrücklich mit ein – nicht gelungen, eine stabile Friedens- und Sicherheitsstruktur in Europa zu schaffen.“ Daher sei es nun besonders wichtig, den Konflikt um die Ost-Ukraine nicht weiter eskalieren zu lassen. „Da wir wissen, wie wichtig Frieden und Stabilität in ganz Europa für unser Wohlergehen und unseren Wohlstand sind, liegt ein partnerschaftliches Verhältnis zu Russland im Interesse von Deutschland und ganz Europa“, sagte der Altkanzler. Seine engen Kontakte zum russischen Präsidenten Putin und sein Engagement für die Gazprom-Tochter Nord Stream stoßen immer wieder auf Kritik.
Auch Russlands Botschafter Wladimir Grinin beklagte das Schwinden des gegenseitigen Vertrauens. Dieses wieder herzustellen, sei schwerer als nur die ökonomischen Wunden zu behandeln. Nach Angaben Grinins ging der Warenumsatz zwischen Deutschland und Russland im ersten Halbjahr 2014 um 6,5 Prozent zurück. Insbesondere der deutsche Export nach Russland sei betroffen. Über das ganze Jahr gesehen könnte er um bis zu 25 Prozent sinken. Nach den Sanktionen des Westens hatte Moskau seinerseits einen Importstopp für eine Reihe von Produkten aus der EU angeordnet.
Grinin betonte, dass Russland die Kraft habe, die EU-Sanktionen gegen sein Land zu neutralisieren. Es verfüge über Währungsreserven von mehr als 500 Milliarden Euro. Auch der Schuldenstand sei mit 13 Prozent am Bruttoinlandsprodukt sehr gering.
Der Fraktionsvorsitzende im Grünen im Schweriner Landtag, Jürgen Suhr, kritisierte, dass beim Russland-Tag der massive Bruch des Völkerrechts ausgeblendet und nur auf den wirtschaftspolitischen Dialog gesetzt wurde. Es dürfe nicht vergessen werden, dass Polen als der mit Abstand wichtigste Handelspartner für den Nordosten die Tagung sehr kritisch beobachtet.