Der meistbefahrene Kanal der Welt lockt zahlreiche Touristen. Wildcamper zahlen keine Stellplatzgebühr und viele kippen Fäkalien in die Natur. Behörden fühlen sich offenbar nicht zuständig.
Hörsten. Die einen nennen es „wild“, die anderen sprechen lieber von „frei“. In jedem Fall erregen Camper mit ihren Wohnmobilen, die lieber irgendwo in der Natur stehen als auf einem für sie ausgewiesenen Platz, derzeit die Gemüter am Nord-Ostsee-Kanal. Der meistbefahrene Kanal der Welt lockt zahlreiche Touristen und am besten sind die vielen dicken Pötte, die den Kanal auf ihrer Route zwischen Ost- und Nordsee nutzen, natürlich unmittelbar vom Ufer aus zu beobachten. Und dort stehen sie dann gern, die Wildcamper.
Norbert Treu ist sauer darüber. Gemeinsam mit seiner Partnerin Erika Milling betreibt er den Wohnmobilstellplatz Schachtholm direkt am Kanal zwischen Rendsburg und der Fähre Breiholz. Über mangelnde Auslastung kann sich Treu nicht beklagen. Seit der Eröffnung im Juni kommen viele Touristen, die vor allem Schiffe bewundern wollen. Aber eben nicht nur zu ihm.
Wenige Kilometer weiter, am Pumpenhaus und direkt neben der Fährstelle Breiholz, stehen sie auch. „Einige der Camper dort leeren die Fäkalienkassetten ihrer Wohnmobile direkt in der Natur aus“, beklagt Treu. Darauf sei er bereits 2012 angesprochen worden. „Die Beschwerden habe ich an die Behörden weitergeleitet“, sagt er. Nur passiert sei bislang nichts. Dabei sind Ämter und Kommunen durchaus sensibel bei diesem Thema. So steht in der Begründung des Bebauungsplans für Treus Stellplatz, dass an vielen Stellen auf den Flächen der Wasser- und Schifffahrtsdirektion „wild“ gecampt wird: „Dies muss insbesondere aus landschaftspflegerischen Gründen, aber auch aus Gründen der Schiffssicherheit unterbunden werden.“
Doch so richtig zuständig fürs Unterbinden fühlt sich offenbar niemand, wie Treu feststellen musste: „Die Polizei unternimmt nichts, bei den Ämtern wurde ich von einem zum nächsten verwiesen.“ Inzwischen hat der Stellplatzbetreiber den Kreis Rendsburg-Eckernförde schriftlich zum Handeln aufgefordert. „Die Wildcamper nutzen einfach die Müllcontainer auf unserem Stellplatz und kippen ihre Fäkalien in die freie Natur, weil unsere Ver- und Entsorgungsstation in der Nacht geschlossen ist“, sagt Treu. Derzeit gibt es sechs offizielle Stellplätze direkt am Kanal, weitere 24 teilweise in unmittelbarer Kanalnähe listet die Touristische Arbeitsgemeinschaft Nord-Ostsee-Kanal in einer Übersicht.
Martin Kruse, Leiter des Fachbereichs Regionalentwicklung, Bauen und Schule, bestätigt den Eingang von Treus Schreiben bei der Kreisverwaltung. „Wir wollen uns mit dem zuständigen Wasser- und Schifffahrtsamt zusammensetzen“, sagt er. Er bestätigt auch, dass es vor zwei Jahren schon ähnliche Beschwerden gab. Das Wasser- und Schifffahrtsamt (WSA) wollte sich damals kümmern. „Wir müssen schauen, was daraus geworden ist“, sagt Kruse. Offenbar nicht viel. Zumindest sieht das WSA Kiel-Holtenau derzeit keinen Grund, zu handeln. „Es besteht keine Notwendigkeit“, sagt WSA-Sprecher Matthias Visser. „Wir betreiben keine Wirtschaftsförderung zugunsten der Stellplatzbetreiber am Kanal. Wenn die Camper allerdings die Umschlagflächen oder Rettungswege blockieren, werden wir selbstverständlich tätig.“
Diese Haltung der WSA dürfte ganz im Sinne der Wohnmobilisten sein. Ihr Dachverband, die Reisemobil-Union, wehrt sich ohnehin gegen den Ausdruck „wildes Campen“. „Wir sprechen von ‚frei‘ stehen, im Sinne von ungezwungen“, sagt Wolfgang Ramsteck im Auftrag des Präsidiums des Verbandes.
Das muss nach Ansicht des Verbands auch in Zukunft grundsätzlich möglich sein. „Ohne Grill und Vorzelt, aber durchaus mit Campingstühlen und nach ein oder zwei Tagen weiterziehen, dafür stehen wir. In unmittelbarer Nähe zu einem attraktiven Stellplatz macht das freie Stehen allerdings keinen Sinn und sollte deshalb unterbleiben. Wer ein Reisemobil besitzt, das heute im Durchschnitt den Wert einer kleinen Eigentumswohnung hat, und die Stellplatzgebühren sparen will, macht irgendetwas falsch“, sagt Wolfgang Ramsteck.
Christine Tepker von der Touristische Arbeitsgemeinschaft Nord-Ostsee-Kanal hat auch kein großes Interesse daran, die Wohnmobilbesitzer zu vergraulen. „Nach den Radfahrern haben Wohnmobilisten für uns den zweithöchsten Stellenwert. Sie nutzen ihre Mobilität, um zu exponierten Aussichtsplätzen auf den Kanal mit seiner internationalen Schifffahrt zu gelangen“, sagt Tepker.
Und das tun sie intensiv. Schon mittags stehen auf den freien Flächen direkt neben den Versorgungswegen entlang des Nord-Ostsee-Kanals die Wohnmobile. Nummernschilder aus der Region sind ebenso darunter wie Schilder aus Süddeutschland oder Dänemark. Heino Hass aus Stade, der sein Wohnmobil bei Norbert Treu abgestellt hat und die zehn Euro Tagesgebühr oder den Euro an der Ver- und Entsorgungsstation zahlt, hat dafür kein Verständnis. „Manche stehen tagelang da, ich verstehe nicht, dass das geduldet wird. Es sollte doch das gleiche Recht für alle geben“, sagt er und plädiert für eine Lösung, wie sie Burg in Dithmarschen gefunden hat. Dort gibt es inzwischen Parkverbote für Wohnmobile, die direkt am Kanal stehen.