Drei Schüler produzieren Sauerstoff für Astronauten und schafften es damit zu Roboter-Olympia nach Sotschi
Tornesch. Der Traum von einer bemannten Marsmission beschäftigt seit Jahrzehnten weltweit Forscher. Vor allem die Frage, wie bei einem so aufwendigen und langwierigen Raumfahrtprojekt die Versorgung der Astronauten mit Sauerstoff dauerhaft sichergestellt werden kann, sorgt für Kopfzerbrechen. Zahlreiche Ideen sind bereits entwickelt worden. Zuletzt haben Algen das Interesse von Forschern geweckt. Denn die Wasserlebewesen können Sauerstoff produzieren. Die Frage, wie Algen aber sinnvoll im All gezüchtet und genutzt werden können, ist nach wie vor umstritten. Nun haben drei Jungen der Klaus-Groth-Schule im schleswig-holsteinischen Tornesch (Kreis Pinneberg) eine Lösung erarbeitet, die die Raumfahrt voranbringen könnte. Ihre Erfindung ist simpel und dennoch genial.
„Wir haben die Chlorella Vulgaris genommen. Die Alge ist ein idealer Ausgangspunkt für unser Projekt“, sagt Jannik Rank, der mit Bruno Borchardt, und Sebastian Meyer eine robotergesteuerte „regenerative Sauerstoffversorgung auf Algenbasis“ entwickelt hat, die je nach Bedarf Sauerstoff produzieren kann. Eine Erfindung, mit der die jungen Forscher bei der World Robot Olympiad (WRO) im russischen Sotschi teilnehmen werden. Beim Deutschland-Entscheid des Technikwettbewerbs belegten sie in ihrer Kategorie den zweiten Platz. „Wir freuen uns riesig darauf, das wird eine ganz besonderes Erlebnis sein“, sagt Borchardt und meint den Besuch in der russischen Olympiastadt und das Aufeinandertreffen von jungen Forschern aus der ganzen Welt. „Wir wollen natürlich den Titel holen. Das wird aber nicht einfach“, sagt Rank, denn immerhin 400 Teilnehmer werden beim Weltfinale vom 21. bis 23. November dabei sein. Doch die Aussichten auf einen Erfolg sind gar nicht so gering. Das hat auch damit zu tun, dass die Tornescher Schule seit Jahren erfolgreich junge Forscher fördert. Und Jannik Rank gehört zu den erfolgreichsten Jungforschern in Schleswig-Holstein. Der 16-Jährige hat bereits mehrfach überregional für Aufsehen gesorgt. Von der Christoffel-Blindenmission sind er und zwei Mitschüler 2013 für ihre Erfindung eines Rollators, der über Stufen fahren kann, mit einem Sonderpreis ausgezeichnet worden. Bei „Jugend forscht“ kämpft er regelmäßig um einen der vordersten Plätze mit. Zudem ist Rank in Kiel mit dem Queisser-Juniorenpreis 2014 für seinen immensen Erfindungsreichtum und sein soziales Engagement ausgezeichnet worden. Und nun vertritt er mit Borchardt, 15, und Meyer, 17, sogar Deutschland bei einer Weltmeisterschaft.
Wie aber funktioniert die neue Erfindung des Trios? Eine Grünalgenkolonie wird in zwei Reagenzgläsern mit sterilem Wasser aufgefüllt. Über einen Computer wird Luft in die Reagenzgläser gepumpt. Dadurch wird eine Reaktion der Algen im Wasser mit der zuströmenden Luft hervorgerufen, die Algen vermehren sich und produzieren zusätzlichen Sauerstoff. Das mit diesem angereicherte Wasser wird zurück zur Steuerleitzentrale des Systems gepumpt, wo mittels Sondenmessungen vollautomatisch entschieden wird, den neu produzierten Sauerstoff sofort ins Umfeld abzugeben, ihn im Wasser auf Abruf gespeichert zu lassen oder aber die chemische Reaktion in Energie umzuwandeln, die ebenfalls für die Marsmission genutzt werden kann.
Der Transport der Algen ins All sei kein Problem, sagt Rank. Die Einzeller würden einem Druck von bis zu 600 Bar und damit einem Raketenstart problemlos standhalten. Das notwendige Wasser könne entweder von der Erde aus mitgeführt werden oder aber aus Gestein auf dem Mars gewonnen werden, erklärt Bruno Borchardt. Denn das enthalte zwei Prozent Wasser, sei nicht mit Bakterien verschmutzt und daher uneingeschränkt nutzbar.
Bis zu seinem Start in Sotschi will das Forscherteam die Erfindung noch ein wenig perfektionieren, sie vor allem auch optisch aufpeppen. Denn die Weltmeisterschaft sei, so betonen die drei unisono, auch eine einmalige Chance für sie, das Interesse von Raumfahrtunternehmen zu wecken. Dass sich mit der Apparatur Geld verdienen lässt, davon sind die Tornescher felsenfest überzeugt. Ein internationales Patent, sagt Rank, würde allerdings mehr als 1000 Euro kosten. Geld, das sie bisher noch nicht haben.
Auch Geld für die Reise nach Sotschi fehlt ihnen noch. 5000 Euro, so schätzt Mario Selck, der das Trio an der Tornescher Schule betreut und es nach Russland begleiten will, werde die Tour kosten. Visa, Flüge, Unterkunft. Und natürlich der Transport der technischen Komponenten. Kontakte zu Sponsoren würden derzeit geknüpft. Doch die Zeit drängt. Bis 31. Juli müssen sie sich in Sotschi verbindlich angemeldet haben. Sollte das deutsche Team den Titel holen, gibt es eine Siegprämie. Und die soll wieder in die Forschung fließen. Ideen für neue Projekte, sagen die Tornescher, hätten sie bereits.