Gestritten wird heftig: „Schlammschlacht“ und „Aufstand bei Prokon“ lauten die jüngsten Schlagzeilen. Die zahlungsunfähige Windenergiefirma sorgt für Gesprächsstoff, besser gesagt ihre Protagonisten. Wird die Gläubigerversammlung ein „Showdown“?

Hamburg/Itzehoe. Die 75.000 Anleger des zahlungsunfähigen Windenergie-Unternehmens Prokon werden nicht erst bei der Gläubigerversammlung am kommenden Dienstag im Rampenlicht stehen. Seit Wochen gibt es um ihre Gunst – und wichtiger noch um ihre Stimmrechte – ein heftiges Gezerre. Sie hatten rund 1,4 Milliarden Euro über Genussrechte in der Firma angelegt.

Als Protagonist der Auseinandersetzung ist Insolvenzverwalter Dietmar Penzlin unfreiwillig in den Fokus gerückt. Er muss sich gegen einen Kontrahenten wehren, der versucht, mit allen Mitteln sein eigenes Lebenswerk zu retten: Carsten Rodbertus, Gründer und früher Chef der Prokon Regenerative Energien GmbH. In Ungnade von Sachwalter Penzlin entlassen. „Ich bin zuversichtlich, dass sich am Dienstag die Mehrheit der Gläubiger für eine Sanierung mit Augenmaß entscheiden wird. Für eine wirtschaftlich tragbare Sanierung“, sagte Penzlin. „Ich hoffe, dass sich danach alle Beteiligten darauf konzentrieren können“, ergänzte er.

Für Penzlin und sein Basiskonzept muss mehr als die Hälfte des anwesenden und vertretenen Genussrechtskapitals bei der Versammlung stimmen. Zu ihr hat offiziell das Amtsgericht Itzehoe eingeladen, das an dem Tag auch „Hausherr“ im Veranstaltungsort Messehalle Hamburg ist. Vor allem die Störfeuer des Ex-Gründers belasten den Sanierungsprozess.

Rodbertus will sein Unternehmen als Ganzes erhalten und wirbt über die „Arbeitsgemeinschaft für eine lebenswerte Zukunft von Prokon“ im Internetauftritt für seine Pläne und um Vollmachten. Mehr als 12.000 Anleger mit deutlich mehr als 200 Millionen Euro will er auf seiner Seite haben.

Der breitschultrige Manager mit langem grauen Haarzopf wirft Insolvenzverwalter Penzlin vor, Prokon zerschlagen und verramschen zu wollen. Er bedrängt die Anleger in Rundschreiben, der Arbeitsgemeinschaft ihre Stimme zu übertragen. Rodbertus hat inzwischen Fehler in seiner Geschäftsführung eingeräumt, kämpft aber weiterhin vehement gegen die Pläne Penzlins an.

Der Insolvenzverwalter, ein nüchtern wirkender Rechtsanwalt, versucht die Gläubiger in wiederholten Schreiben auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen und versichert, Prokon als Windenergiefirma mit rund 300 Mitarbeitern erhalten zu wollen. Seine Bilanz fällt für den Ex-Chef von Prokon verheerend aus: Penzlin berichtet von nicht testierten Jahresabschlüssen, ungeprüften und unbesicherten Krediten in Millionenhöhe sowie Anhaltspunkten für eine Insolvenzverschleppung. Er bitte um eine „nüchterne Betrachtung“ und nimmt die „Fantasiezahlen“ des „Herrn Rodbertus“ mit Rechenbeispielen auseinander: Wenn der Ex-Gründer in fünf Jahren rund 1,5 Milliarden Euro an die Gläubiger zurückzahlen wolle bei – so Penzlin „frei erfundenen“ – 159 Millionen Euro erwirtschafteter liquider Mitteln per anno (eine Summe von 795 Millionen Euro), bliebe immer noch eine Deckungslücke von 700 Millionen Euro.

Solche Rechnungen können nach Ansicht des Insolvenzverwalter „niemals aufgehen“ – genauso wenig wie die früheren Rendite-Versprechen von bis zu acht Prozent Zinsen jährlich aufgegangen sind. Er empfehle allen Gläubigern, auf diese Vereinfachungen nicht hereinzufallen. „Sie gefährden damit ihr Vermögen“, warnte Penzlin.

Einst glaubten die Genussrechtinhaber dem „Öko-Pionier“ Rodbertus, der sich vielleicht sogar noch vor Gericht verantworten muss. Die Staatsanwaltschaft Lübeck ermittelt wegen Insolvenzverschleppung und anderer Wirtschaftsdelikte gegen ihn. Heute müssen die Kapitalgeber um ihr einst Erspartes bangen. 40 bis 70 Prozent könnten sie im Insolvenzverfahren verlieren. „Die Idee war bestechend. Wir haben aber das Gefühl über den wirtschaftlichen Sachverstand gestellt“, gesteht der Sprecher des Vereins „Freunde von Prokon“, Rainer Doemen, ein.

Er ist selbst einer der hier mittlerweile vereinten rund 9000 Anleger. Wie mit dem Kapital von Menschen umgegangen worden sei, „das tut weh“, erklärt der Steuerbeamte. Da habe es „böse kaufmännische Fehler“ gegeben. 30.000 Euro durchschnittlich hätte jeder von ihnen bei Prokon angelegt. Einen ökologischen und soziokulturellen Ansatz gleichberechtigter Anteilseigner würde er mit der Mehrzahl der Anleger gerne weiter verfolgen, sagt Doemen. Aber nicht mehr mit dem Ex-Chef. „Die Sanierung wird nicht nach den fixen Ideen von Carsten Rodbertus, sondern auf der Grundlage der Realität seiner Hinterlassenschaft erfolgen.“

Der Verein will für „Prokon 2.0“ seine Vorschläge einbringen und hofft darauf, dass Penzlin bei der Versammlung im Amt bleibt. Noch ist ungewiss, wie viele Gläubiger am kommenden Dienstag (22.7.) zum Treffen in die Hamburger Messehall kommen. Hunderte oder gar Tausende? Einige Tausend werden durch die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) und die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) vertreten. Die Anlegerschützer warnten ebenfalls vor dem Vorgehen des Ex-Gründers. „Da macht sich der Bock zum Gärtner“, sagt SdK-Vorstandsmitglied Daniel Bauer. Bei aller Sachlichkeit, die der Insolvenzverwalter schon qua Amt mitbringt, ist es ihm mit seinem Widersacher längst zu bunt geworden: „Herr Rodbertus stilisiert die anstehende Gläubigerversammlung zu einem Kampf. Darum geht es hier aber überhaupt nicht“, schrieb Penzlin. Vielmehr gehe es um die Gläubiger, das Unternehmen und die Arbeitsplätze. Und dafür habe er ein Sanierungskonzept, „dass sich an realistischen Maßstäben orientiert“. Dafür fehlt jetzt nur noch der offizielle Auftrag.