Nach Großrazzia in Bad Bramstedt: Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Hygienemängel und Tierquälerei

Bad Bramstedt. Wo das Fleisch zerlegt wurde, entdeckten die Ermittler Schimmel. Körperteile frisch geschlachteter Rinder lagen auf dem schmutzigen Boden. Fliegen schwirrten durch die Räume. Noch können Staatsanwaltschaft und Landwirtschaftsministerium keine endgültige Bilanz der Großrazzia im Bramstedter Schlachthof ziehen, doch nach dem Einsatz am Dienstag steht fest: Die Zustände in der Niederlassung des niederländischen Fleischkonzerns Vions waren ekelerregend.

Der Schlacht- und Zerlegebetrieb bleibt auf Anordnung des Kieler Landwirtschaftsministeriums gesperrt, bis Vion die Hygienemängel vollständig beseitigt hat. „Wann das der Fall sein wird, lässt sich nicht absehen“, sagte Ministeriumssprecherin Nicola Kabel.

250 Polizisten, Zollbeamte und Staatsanwälte hatten am Dienstag den Betrieb im Bramstedter Gewerbegebiet durchsucht und kistenweise Dokumente beschlagnahmt. Außerdem kopierten sie die Daten sämtlicher Computer. Die Staatsanwaltschaft Kiel ermittelt wegen Verstöße gegen das Lebensmittelrecht und geht einem weiteren schwerwiegenden Verdacht nach: Viele Tiere sollen nicht fachgerecht getötet worden sein. Sie waren möglicherweise nach dem Einsatz von Bolzenschussgeräten nicht sofort tot, sondern schwer verletzt. In den beschlagnahmten Unterlagen hoffen die Ermittler weitere Hinweise zu finden, um den Vorwurf der Tierquälerei aufzuklären. Die Untersuchungen können noch Monate dauern. Ausgewertet werden auch die Fotos, die eine Dokumentationseinheit der Polizei in allen Betriebsteilen geschossen hat. Jeweils ein Sachverständiger für Lebensmittelsicherheit und für Tierschutz waren bei der Razzia im Einsatz.

Wann die mehr als 300 Mitarbeiter an ihre Arbeitsplätze zurückkehren können, ist noch offen. Auch am Mittwoch war die Polizei auf dem Gelände im Einsatz, Beamte der Segeberger Umweltpolizei ermittelten. Vion beschäftigt in Bad Bramstedt viele Rumänen. Über seine Zukunft wollte keiner von ihnen am Werkstor sprechen.

„Ich will nur noch nach Hause“, sagte einer, der nicht namentlich genannt werden will. Ein anderer deutet an, dass der Betrieb ihn angewiesen habe, den Schlachthof zu verlassen und per Handy erreichbar zu sein. Der Zoll hatte bei der Suche nach Schwarzarbeitern am Dienstag zahlreiche Mitarbeiter des Unternehmens überprüft. Immer wieder wurde in der Vergangenheit der Verdacht geäußert, Vion beschäftige Scheinselbstständige zu miserablen Konditionen.

Die Zustände in dem Schlachthof, in dem täglich bis zu 500 Rinder getötet werden, werfen auch Fragen nach der Arbeit der Amtsveterinäre des Kreises Segeberg auf. Täglich beobachtete einer der Tierärzte der Kreisverwaltung den Schlachtbetrieb, ihm stand ein eigenes Büro auf dem Firmengelände zur Verfügung. „Es stellt sich die Frage, warum diese Leute nicht eingegriffen haben“, sagt ein Ermittler. „Uns wundert das sehr.“ Die Kreistierärzte wurden von der Razzia ebenso überrascht wie die Vion-Mitarbeiter. „Die staatsanwaltschaftliche Maßnahme vom gestrigen Tag wurde ohne vorherige Beteiligung der Kreisveterinärbehörde durchgeführt“, teilte die Kreisverwaltung am Mittwoch mit.

Mitarbeiter des Landwirtschaftsministeriums hatten bereits Anfang 2013 als Aufsichtsbehörde der Segeberger Veterinäre Vion unter die Lupe genommen. Schon damals stellten die Prüfer Hygienemängel fest und forderten den Kreis auf, für die Beseitigung zu sorgen. Von dort kam die Rückmeldung, die Mängel seien behoben worden. Am Dienstag mussten Fachleute aus dem Ministerium ähnliche Schlampereien wie 2013 feststellen. Das Landwirtschaftsministerium hat die Veterinäre des Kreises Segeberg angewiesen, die neuen Auflagen in dem Schlachthof zu überwachen und in Kiel Bericht zu erstatten. „Der Kreis Segeberg muss das jetzt durchsetzen“, sagte Ministeriumssprecherin Kabel. Die Staatsanwaltschaft erklärte erneut, sie habe das Ermittlungsverfahren nach Hinweisen aus dem Ministerium durchgesetzt. Berichte der zuständigen Kreis-Veterinäre lagen offenbar nicht vor.

Vom Geschäftsführer bis zum Schlachthofarbeiter müsse jetzt geklärt werden, wer für die Hygienemängel und die Verstöße gegen den Tierschutz verantwortlich sei, sagte die Sprecherin der Kieler Staatsanwaltschaft, Birgit Heß. Der Betrieb habe seine Kooperation zugesagt. Vion hatte noch am Abend der Durchsuchung den Vorwürfen der Ermittlungsbehörden widersprochen und darauf hingewiesen, dass der Betrieb in Bad Bramstedt regelmäßig von Amtstierärzten überwacht worden sei.

Der Kreis Segeberg bemühe sich jetzt, Informationen der Landesbehörden zu bekommen, um „sich ein eigenes Bild von der Angelegenheit zu machen und diese weiter aufzuklären“, sagte eine Sprecherin. Der Kreis werde alles tun, um die Staatsanwaltschaft Kiel bei den strafrechtlichen Ermittlungen zu unterstützen. Das Fleischhygieneamt des Kreises habe den Ermittlern bereits Unterlagen zur Verfügung gestellt. Nach weiteren Prüfungen soll in Abstimmung mit dem Landwirtschaftsministerium geklärt werden, ob der Betrieb wieder geöffnet werden könne.