Mit ihrem Poetry Slam-Auftritt hat Julia Engelmann den Nerv einer Generation getroffen. Doch nicht jeder kann den Hype um den Auftritt der 21-Jährigen nachvollziehen.
Hamburg. Der Auftritt liegt Monate zurück, doch auf einmal kann sie sich vor Medienanfragen nicht mehr retten: Julia Engelmann ist der neue Internetstar des Jahres 2014. Ihr Auftritt beim 5. Bielefelder Hörsaal-Slam wurde bis Dienstagabend mehr als drei Millionen Mal aufgerufen.
„Julia ist überwältigt von der Resonanz“, teilte ihre Mutter Bea Engelmann mit. „Im Moment reflektiert sie ihren Internet-Erfolg und kommt auf Presse-Anfragen zu gegebener Zeit zurück.“
Die Reaktionen der Netzgemeinde sind überwältigend. „Wunderbarer Vortrag“, „sprachlos, Gänsehaut“, „das Beste, was ich seit langem gehört habe“, posten einige. Niko fühlt sich ebenfalls berührt: „Danke Julia. Vieles haben wir wirklich gemacht, doch zu Vieles nicht. Heute, weit über 60, beginne ich Dinge zu tun, weil ich erkannt habe: wenn nicht jetzt, wann dann?“
Doch nicht jeder kann den Hype um den Auftritt der 21-Jährigen nachvollziehen. Das sei alt, gar nicht unbedingt super gereimt und schon lange nicht Goethe. „Ach herrje. Das ist ja so platt“, schreibt ein User. Aber Engelmann könne ja auch nichts für den Hype. Auch Moderator Jan Böhmermann hat den Clip bereits auf die Schippe genommen.
Den Soap-Fans ist die 21-jährige Psychologie-Studentin schon längere Zeit bekannt: Von 2010 bis 2012 spielte sie als Eishockeyspielerin Franziska Steinkamp die Hauptrolle in der RTL-Serie „Alles was zählt“.
Seit Tagen begeistert die Bremerin mit einem Video die Internetgemeinde: Es ist nur ein kleines Video, nur ein paar Minuten lang. Und der Inhalt ist eigentlich auch nichts wirklich Neues - und doch berührt dieses kleine Filmchen der Bremer Poetry Slammerin Julia Engelmann die Internetgemeinschaft, wird im Sekundentakt geteilt, geliked und weiterempfohlen.
In ihrem Text – frei von Zynismus, in einfachen Worten, wie direkt aus dem Bauch gesprochen – geht es um nicht mehr und nicht weniger als den Sinn des Lebens. Und einfach so findet Engelmann Worte für das Gefühl und die Fragen, die offensichtlich viele kennen: Lebe ich das Leben, dass ich leben möchte? Lasse ich mich von den äußeren Zwängen einengen oder bin ich frei, gestalte mein Leben aktiv? Lebe ich den Moment?
Engelmanns Zeilen sind eine Hommage an das Leben, für das Jetzt und Hier, die Nacht, und für viel mehr Unsinn machen: „Eines Tages, oh Baby, werden wir alt sein. Und an all die Geschichten denken, die wir hätten erzählen können“, sagt sie. „Wenn wir dann alt sind und unsere Tage knapp und das wird sowieso passieren, dann erst werden wir kapieren, wir hatten nie was zu verlieren. Denn das Leben, das wir führen wollen, das können wir selber wählen, also lass uns doch Geschichten schreiben, die wir später gern erzählen.“
Gute Nachricht für die Fans: Die 21-Jährige wird in Zukunft noch öfter von sich hören lassen. „Slam Poetry rückt bei mir gerade wieder in den Vordergrund“, sagte die Studentin dem Magazin Prinz. „Bühne plus Schreiben ist einfach mein Ding.“ Auch Comedy könne sie sich sehr gut vorstellen.