Das Schicksal der Bismarcks bietet Stoff für gleich mehrere Dramen. Jetzt haben sich die beiden Ururenkel des „Eisernen Kanzlers“ zerstritten und kämpfen um ihr Erbe – auch mit öffentlichen Erklärungen.
Der Name ist in Deutschland ein Begriff; ein „household word“, wie William Shakespeare König Heinrich V. über die Namen jener englischen Hochadeligen sagen lässt, die ihn in die Schlacht von Azincourt begleiten. Bismarck – das ist vor allem der „Eiserne Kanzler“, dessen wuchtiges Standbild unweit der Reeperbahn über den Hafen blickt und der „mit Blut und Eisen“ aus einem Flickenteppich von Königreichen, Herzogtümern, Grafschaften und anderen Entitäten 1871 das zweite Deutsche Reich zimmerte. Das ist ferner ein nach ihm benanntes Schlachtschiff, dessen tragisches Schicksal historisch Interessierte bewegt. Es ist auch ein Mineralwasser und ein hochprozentiges Wässerchen. Und es ist eine in allen Farben schillernde Familie.
Das Vermögen derer von Bismarck wird auf rund eine Milliarde Euro geschätzt, Kern ist das Familiengut Friedrichsruh im Sachsenwald mit 3000 Hektar Forstwirtschaft. Im Juni 1871 hatte Kaiser Wilhelm I. den Sachsenwald seinem Kanzler Fürst Otto von Bismarck (1815–1898) zum Geschenk gemacht – als Anerkennung seiner Verdienste um die deutsche Reichsgründung im selben Jahr. Dabei hatte Bismarck den widerstrebenden preußischen König gegen dessen Überzeugung massiv dazu drängen müssen, die Kaiserkrone anzunehmen.
Wie manche seiner Nachfahren dann mit dem ruhmvollen Namen umgingen, hätte den leicht erregbaren Kanzler und früheren preußischen Ministerpräsidenten gewiss zu Wutausbrüchen getrieben. Der Name Bismarck steht auch für Tragödien von an Kennedy erinnernder Wucht. Im vorläufig letzten Kapitel des Familiendramas spielen die Ururenkel des Reichsgründers, Carl-Eduard von Bismarck, und Gregor von Bismarck, die Hauprollen. Zwischen den Brüdern soll ein erbitterter Streit ums Erbe toben. In einem Interview der „Bild am Sonntag“ warf Carl-Eduard seinem jüngeren Bruder – der bereits über 51 Prozent der Forstwirtschaft verfügen soll – vor, er wolle das Erbe nun komplett an sich reißen. Dabei nutze Gregor den geschwächten Zustand des gemeinsamen Vaters, Fürst Ferdinand, aus.
„Mein Vater ist 83 Jahre alt und geistig nicht immer auf der Höhe“, behauptete Carl-Eduard in dem Interview. „Ich vermute, er hat Alzheimer. Mein Bruder nutzt diese Situation schamlos aus ... Seine Motivation ist Habgier.“ Gregor habe den Fürsten „ohne Rechtsbeistand zum Notar“ schleppen lassen, um sich den Besitz allein zu sichern. Dies geschehe „mit den fiesesten Methoden“. Mutter Elisabeth und Bruder Gregor hätten gar die Schlösser auf Friedrichsruh austauschen lassen, um Carl-Eduard, der dort noch Wohnrecht hat, auszusperren.
Die Vorwürfe gipfeln in Unterstellungen unerträglicher antisemitischer Äußerungen seitens der Mutter über Carl-Eduards in Israel geborene Frau Nathalie: „Meine Mutter sagte so ungefähr: Hitler hätte damals all euch Juden den Garaus machen sollen.“ Beleidigende Anrufe seiner Mutter erreichten ihn meistens gegen 17 Uhr „das nennen wir Rotweinstunde“.
Sie könne dann häufig nur noch lallen. In einer Erklärung, die Gregor von Bismarck dem Abendblatt zusandte, heißt es unter anderem, die Familie habe „mit großer Verwunderung“ das Interview zur Kenntnis genommen. Die dort gegen einzelne Familienangehörige insgesamt erhobenen Vorwürfe und Anschuldigungen seien „derart abwegig und lassen erhebliche Zweifel an seiner Zurechnungsfähigkeit aufkommen, dass sich ein Eingehen auf Einzelheiten erübrigt“. Kein Mitglied der Familie werde sich auf das „Niveau einer familiären Schlammschlacht mit Carl-Eduard von Bismarck begeben, um diesem eine Plattform für seine abstrusen Anschuldigungen zu geben“. Nun ist Carl-Eduard in der Tat nicht eben die Lichtgestalt der Dynastie. Er bestreitet aber Vorwürfe von Handgreiflichkeiten, Suff und Drogen im Zusammenhang mit einer Familienzusammenkunft vor drei Jahren.
Fakt ist immerhin, dass die Polizei ihm Handschellen anlegte. Der ständige Zoff setze ihm so zu, dass er außerstande sei, einer geregelten Arbeit nachzugehen, erklärt er. Doch damit hatte er schon vor Jahren gewisse Probleme, als er Bundestagsabgeordneter der CDU war. 2005 war er für den zum Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein gewählten Harry Peter Carstensen in den Bundestag nachgerückt. Sein häufiges Fehlen bei Plenumssitzungen trug ihm in den Medien den uncharmanten Titel des „faulsten Abgeordneten Deutschlands“ sowie vehemente Rücktrittsforderungen ein. Im Dezember 2007 legte er sein Mandat nieder. Sein Hang zum Alkohol und seine prekäre finanzielle Lage („es ist bekannt, dass ich null Einkommen habe“) mit Außenständen in sechsstelliger Höhe hänge mit seiner zweiten Ehe zusammen, in der er zu viel Geld ausgegeben habe.
Carl-Eduard von Bismarck war in erster Ehe mit der US-Schauspielerin und Baywatch-Nixe Laura Martinez Harring verheiratet. Und dann von 1997 bis 2004 mit der attraktiven Schweizerin Celia, geborene Demaurex. Nach der Scheidung engagierte sich die charismatische und kulturell gebildete Gräfin vielfältig für wohltätige Zwecke und war dabei, sich in Berlin zu einem klugen Gesellschaftsmittelpunkt zu entwickeln, wie es um 1800 herum einst Rahel Varnhagen von Ense war. Bei Celia von Bismarck wurde jedoch 2010 bösartiger Hautkrebs diagnostiziert. Nur acht Wochen später war sie tot.
Im Juli 2007 hatten Carl-Eduard und Gregor bereits ihren Bruder Gottfried verloren. Der 44 Jahre alte Graf von Bismarck-Schönhausen war in seiner Londoner Penthouse-Wohnung einer Überdosis Heroin erlegen. Gottfried, in England kurz „the Count“ (der Graf) genannt, hatte ein ausschweifendes Leben geführt, in dem Drogen, Homosexualität und, wie die Presse genüsslich mitzuteilen wusste, auch eine Neigung zu Netzstrümpfen eine Rolle spielten. Einige Monate vor seinem Tod hatte sich einer der Partygäste im Drogennebel von der 20 Meter hohen Dachterrasse in den Tod gestürzt. Im Juni 1986 bereits hatte es einen Todesfall auf einer der berühmt-berüchtigten Partys von Gottfried gegeben, der damals in Oxford studierte. Olivia Channon, 22-jährige Tochter des schwerreichen Ministers Paul Channon, nahm derart viel Alkohol und Rauschgift zu sich, dass sie auf dem Bett des Gastgebers zusammenbrach und starb. Ihr Tod soll Gottfried stark erschüttert haben. Vater Ferdinand beglich ausstehende Rechnungen und beorderte das schwarze Schaf zurück. Gottfried von Bismarck beendete sein Studium und arbeitete hart – kehrte aber schließlich nach London zurück, um wieder ein exzentrisches „Leben auf der Überholspur“ zu führen, wie eine Freundin es beschrieb.
Eine schillernde Figur ist auch Gunilla von Bismarck, Urenkelin des Kanzlers und Enkelin von dessen Sohn Herbert. Die 1949 geborene Gräfin wurde aufgrund ihrer gesellschaftlichen Umtriebe über Jahre von der Regenbogenpresse als „ungekrönte Königin von Marbella“ und „strahlender Mittelpunkt des internationalen Jetsets“ etikettiert. Gunilla sammelte allerdings auch Gelder für wohltätige Zwecke ein. Die prächtige Hochzeit ihres Sohnes Francisco 2011 auf Teneriffa war einer der seltenen Anlässe, bei denen auch Fürst Ferdinand – Gunillas Bruder – erschien. Der in London geborene Graf Ferdinand nennt sich als Oberhaupt der Familie seit 1975 „Fürst von Bismarck“. Gunilla und er gehören zu den sechs Kindern von Otto Christian Archibald Fürst von Bismarck (1897–1975). Der Enkel des Reichskanzlers war zunächst ein politischer Opportunist, der sich als Reichstagsabgeordneter der Deutschnationalen bereits im Mai 1933 der NSDAP Adolf Hitlers anschloss. Nach dem Krieg trat er der CDU bei und wurde Bundestagsabgeordneter. Er wurde mit dem Großen Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. 1960 wurde auf Friedrichsruh der ehemalige SS-Sturmbannführer und Kommandant des NS-Vernichtungslagers Auschwitz, Richard Baer, verhaftet, der sich dort 15 Jahre lang verborgen hatte. Fürst Otto sah keinen Anlass, eine Erklärung dazu abzugeben.
Auch Ottos Bruder Gottfried (1901–1949) war Politiker der NSDAP, saß im Reichstag von 1933 bis Kriegsende, gehörte dem „Freundeskreis Reichsführer SS“ an und brachte es bis zum SS-Brigadeführer, entsprechend einem Brigadegeneral. Nach dem Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 geriet Bismarck allerdings in Verdacht, daran beteiligt gewesen zu sein; er kam ins KZ. Im September 1949 kamen er und seine Frau bei einem Autounfall ums Leben. Sie hinterließen drei Kinder, darunter Andreas von Bismarck (1941–2013), den Vater von Stephanie zu Guttenberg.
Ottos und Gottfrieds Vater war Herbert von Bismarck (1849–1904), der älteste Sohn des Reichskanzlers. Dem Kavallerie-Offizier des deutsch-französischen Krieges von 1870/71, Diplomaten und Staatsminister wurde zugetraut, die Nachfolge seines Vaters als Reichskanzler anzutreten. Als der überforderte und stimmungsschwankende Kaiser Wilhelm II., Enkel jenes Kaisers, den Fürst Bismarck auf den Thron gehievt hatte, seinen mächtigen Kanzler 1890 aus dem Amt drängte, trat auch Herbert von Bismarck zurück – sehr zum Unwillen des Kaisers. Herbert von Bismarck war seinen Zeitgenossen aber noch aus einem anderen Grund wohlbekannt. Er hatte eine leidenschaftliche Affäre mit der verheirateten Fürstin Elisabeth zu Carolath-Beuthen aus dem Geschlecht der Fürsten von Hatzfeld. Sie ließ sich 1881 scheiden, um für Herbert frei zu sein. Doch der alte Bismarck hintertrieb die Hochzeit mit der geistreichen, aber spielsüchtigen Frau, der man nachsagte, sie habe ihr Erbe von 110.000 Talern an einem einzigen Abend verspielt, und machte seinen Sohn damit zum gebrochenen Mann.
Der Eiserne Kanzler, so hat es Carl-Eduard von Bismarck eingeräumt, würde „sicherlich schockiert“ im Grabe rotieren, würde er den Familienzwist mitansehen müssen. Geschweige denn die Selbstzerfleischung der ehrwürdigen Dynastie derer von Bismarck.