Vor dem Besuch des tibetischen Religionsführers gab es Irritationen um die angekündigte Zensur von Pressematerial
Hannover . Deklariert ist der Besuch als Privatreise, aber wenn der Dalai Lama kommt, dann ist das immer ein Großereignis. So war es auch am Mittwoch, als das geistliche Oberhaupt der Tibetaner in Hannover mit Schulkindern über Gott und die Welt diskutierte, mit Politikern plauderte und in der Swiss-Life-Hall mit Anhängern feierte.
Solch private Reisen sind bei dem 78-Jährigen die absolute Ausnahme und das wiederum ist vielleicht schon mindestens eine Teilerklärung dafür, dass es im Vorfeld massiven Ärger mit den Medien gegeben hat.
Der Dalai Lama folgt einer Einladung von Geshe Gendun Yonten, einem Exil-Tibeter, der in Hannover lebt und seit vielen Jahren Kinderhilfsprojekte in Indien organisiert. Der ist mit seinem kleinen Team bei der Organisation des dreitägigen Besuchs reichlich überfordert. Die Kosten werden vor allem wegen der Sicherheitsmaßnahmen auf mindestens 70.000 Euro veranschlagt.
Folge der Überforderung: Für mehrere Veranstaltungen forderten die Organisatoren, dass die Journalisten ihr Film-, Foto- und Tonmaterial vor Ausstrahlung vorlegen sollten. Die Deutsche Presse Agentur, der Evangelische Pressedienst und auch der Norddeutsche Rundfunk aber wollten sich solche Zensurmaßnahmen nicht gefallen lassen und strichen die zuvor bereits geplante ausführliche Berichterstattung.
Ausgerechnet der Dalai Lama, der für Demokratie und Meinungsfreiheit in Tibet seit mehr als einem halben Jahrhundert friedlich kämpft, als Zensor? Tseten Samdup Chhoekyapa, Repräsentant des Dalai Lama mit Sitz in Genf, zog die Notbremse. Er ließ aus der Schweiz verlauten, er bedauere, dass es Unannehmlichkeiten durch lokale Maßnahmen in Hannover gegeben habe: „Jede Form von Zensur und Einschränkung der Presse widerspricht der Haltung Seiner Heiligkeit des Dalai Lama, der einen offenen Umgang mit der Presse und Öffentlichkeit pflegt“. Alle Restriktionen für die Berichterstattung wurden am Mittwochmorgen aufgehoben. Der Repräsentant des Religionsführers in Genf erinnerte die Medienvertreter nur vorsichtig an die „normalen Höflichkeitsregeln“. An die hielt sich natürlich auch Landtagspräsident Bernd Busemann (CDU), als er den Dalai Lama zum Gedankenaustausch traf. Vor dem Hintergrund des Ärgers mit den Medien sein Geschenk: Er überreichte dem Dalai Lama eine Bronze-Medaille der Göttinger Sieben. Das waren Professoren der dortigen Universität, die es im Jahr 1837 wagten, sich auf Meinungsfreiheit zu berufen und schriftlich zu kritisieren, dass Ernst August König von Hannover die relativ freiheitliche Verfassung mit einem Federstrich aufhob. Die sieben Professoren wurden dafür entlassen, drei aus dem Land gejagt.
In Hannover gab es für den Dalai Lama einen herzlichen Empfang: mit einem privaten Frühstück mit Ministerpräsident Stephan Weil. Die Anhänger des Dalai Lama tanzten vor dem Hotel in der Innenstadt. Mit Schülern sprach er über seine Ideale und am Mittwochnachmittag waren dann trotz des ungünstigen Termins mitten in der Woche Tausende Fans in die Swiss-Life-Hall gepilgert, um mit ihrem Idol zu feiern und zu beten. Am Donnerstag folgt ein weiterer spektakulärer Termin mit Anhängern auf der Badeinsel mitten im Steinhuder Meer.
Die aktuelle Botschaft des Friedensnobelpreisträgers: „Dieses Jahrhundert sollte das Jahrhundert des Dialogs werden“. Seine Hoffnung ist, dass das neue Jahrhundert friedvoller wird als das vorangegangene. Angesprochen auf den Unterschied zwischen deutschen Schülern und tibetanischen Flüchtlingskindern, ist die Diagnose eindeutig: „Allen Kindern auf der Welt sind die Ferien lieber, als angestrengt zu lernen“. Was dem Dalai Lama nicht entgangen sein dürfte: Die 400 Kinder und Jugendlichen von Gesamtschulen und Gymnasien in Hannover hatten sich bestens auf den Besucher vorbereitet – nicht nur mit zahllosen Fähnchen, sondern auch mit Unterricht über Tibet.
Auch in Hannover plädierte der Dalai Lama für Warmherzigkeit, Toleranz und Respekt: „Alle Menschen sollten sich als Schwestern und Brüder verstehen“. Zu den Umweltproblemen in seiner Heimat Tibet sagte er, chinesische Privatfirmen würden das Land ausbeuten und sich nicht um die Umwelt kümmern. Der Religionsführer schlug vor, eine internationale Expertenkommission mit Beteiligung der Chinesen einzusetzen, um die Umweltzerstörung zu bremsen.