Umleitung für B404 lässt Verkehr in Trittau zusammenbrechen. Handel bangt um Kunden, Gemeinde will Lkw verbannen. Geschäftsführer des örtlichen Baumarkts: „Das ist hochgradig geschäftsschädigend.“
Trittau. „Da“, sagt Boutiquebesitzerin Claudia Testa, „da kommt schon wieder einer.“ Bremsen quietschen, es zischt und schnauft, dann ist er zu sehen: ein 40-Tonner, weiß, LWL für Ludwigslust auf dem Nummernschild. Der Fahrer muss mächtig am Steuerrad kurbeln, hier auf der Poststraße in Trittau (Kreis Stormarn).
Ein anderer Lastwagen auf der Gegenspur ist im Weg, die Fahrbahn nur sechs Meter breit, der Mann aus Ludwigslust muss auf den Gehweg ausweichen. Er schimpft vor sich hin, während er den Lastzug langsam wieder in Fahrt bringt. Was er sagt, ist nicht zu verstehen. Claudia Testa schimpft auch. Trittau hat genug von den Lastwagen.
Und von all den anderen Autos, die sich seit Anfang Juli durch den beschaulichen Ortskern schieben. Es gibt Stunden, da bricht der Verkehr in der 8000-Einwohner-Gemeinde im Kreis Stormarn komplett zusammen. Freitagnachmittags, sonnabendvormittags und manchmal auch am Montagmorgen sei es besonders schlimm, berichten Einwohner. Dann kann die Fahrt durchs Zentrum, normalerweise eine Angelegenheit von zwei, drei Minuten, schon mal eine Stunde dauern.
Die Ursache dafür liegt gut zwei Kilometer westlich der Haupteinkaufsstraße. Es ist die Bundesstraße 404, die Bargteheide im Norden mit Schwarzenbek im Süden und damit die Autobahnen 1 und 24 verbindet. Im Durchschnitt rund 16.000 Fahrzeuge sind täglich auf dieser Straße unterwegs, in der Region ist schon darüber gesprochen worden, dass sie selbst eigentlich auch Autobahn werden müsste.
Nun wird die B 404 zum Teil saniert, zum Teil um einen auf drei Fahrstreifen erweitert – und ist deshalb für mehr als ein Vierteljahr voll gesperrt. Und die offizielle Umleitung, sie führt mitten durchs Trittauer Zentrum mit seiner nur sechs Meter schmalen Haupteinkaufsstraße.
Die Geschäftsleute bangen um ihr Geschäft. „Das sind hier Zustände, die jeder Beschreibung spotten“, sagt Arne Petersen, Geschäftsführer des örtlichen Baumarkts. „Das ist hochgradig geschäftsschädigend. Und für die Anwohner einfach unerträglich.“ Mercedes-Händler Andreas Beckmann, dessen Autohaus ein paar Hundert Meter entfernt liegt, berichtet, dass bereits Kunden vereinbarte Werkstatttermine absagten. Friseurin Bettina Zabel erzählt, dass ihre Kunden oft zu spät kämen. Und Galeristin Angelika Voss, Vorsitzende der örtlichen Gewerbevereinigung, sagt: „Die Geschäfte sind leer. So geht das natürlich nicht.“ Boutiquebesitzerin Testa fühlte sich sogar berufen, einen Autorenbeitrag in einem lokalen Werbeblatt zu veröffentlichen. Tenor: Trittau sei als Einkaufsort nach wie vor attraktiv. Und von Verkehrschaos zu jeder Zeit könne nicht die Rede sein. Womit sie auch recht hat. Trotzdem: Die Angst, dass die Kunden wegbleiben, sitzt tief. Die Trittauer wollen etwas ändern.
Krisensitzung beim Bürgermeister im Rathaus. Walter Nussel hat seinen Bauamtsleiter Bodo Lork zu sich gebeten, den Bauausschussvorsitzenden Jens Hoffmann und auch Angelika Voss von der Kaufleutevereinigung. „Wir sehen hier zurzeit halb Europa durchfahren. Die großen Lastwagen müssen immer wieder auf den Fußweg ausweichen“, sagt auch der Bürgermeister. Ja, das sei eine schlimme Situation. Während er spricht, hört man sie draußen auf der Straße fahren, bremsen und wieder anfahren.
Der ehrenamtliche Bauausschusschef Hoffmann schlägt vor, ein Fahrverbot für auswärtige Lastwagen prüfen zu lassen. „Es muss Polizeikontrollen auf den letzten Parkplätzen an der B 404 vor der Sperrung geben. Lastwagenfahrer, die nicht nachweisen können, dass sie nach Trittau wollen, müssen zurückgeschickt werden“, sagt er.
Zurzeit hat die Gemeinde allerdings keine Handhabe, dies zu tun. Zwar sind Lastwagenfahrer angehalten, den Ort weiträumig über die Autobahnen 1 und 24 zu umfahren. Aber sie dürfen auch mitten hindurch. Und das machen viele, sei es aus Unwissenheit, sei es mit Absicht.
An den Wochenenden verschärften Urlauber, unterwegs aus Richtung Berlin nach Norden und umgekehrt, die Situation, sagt Ordnungsamtsleiter Lork. Wird sich die Situation nach dem 5. August – dem ersten Tag nach den Sommerferien in Schleswig-Holstein – entspannen oder noch weiter zuspitzen? Die Runde im Rathaus vermag es nicht zu sagen.
Am Donnerstag dieser Woche wollen sie wieder zusammenkommen, beratschlagen und Beschlüsse fassen, dann in einem größeren Kreis: Der Bauausschussvorsitzende hat zu einer Sondersitzung des Gremiums eingeladen. Sicher scheint aber schon jetzt zu sein, dass sich das Problem nicht generell lösen lassen wird.
„Der zuständige Landesbetrieb für Straßenbau und Verkehr in Lübeck hat alle möglichen Umleitungsstrecken geprüft“, sagt Walter Nussel. Die durch Trittau habe sich als die für alle praktikabelste erwiesen.
Es gebe übrigens auch ein Gutachten zu dem Thema, sagt Ordnungsamtsleiter Lork. Das habe den „Knotenpunkten“ in Trittau eine Leistungsfähigkeit der Kategorie „F“ attestiert. Was er schnell nachschiebt: Die Skala reiche von „A“ bis „F“. „F“ ist der schlechteste Wert.