Der Streckenausbau wegen des Fehmarnbelt-Tunnels erzeugt Proteste beim Besuch von Bahnchef Grube an der Ostsee. Der Streit um die Fehmarnbeltquerung tobt seit 2008.
Timmendorfer Strand. Blauer Himmel und angenehme Temperaturen, dazu leichter Wind: Ein schönere Variante von 2 plus 1 ist kaum denkbar. Vor der Trinkkurhalle am Strand von Timmendorf könnte die Welt jetzt also in Ordnung sein. Ist sie aber nicht. Susanne Brelowski sagt: "Die blaue Ostsee wird eintrüben, wird zu einer grauen Brühe werden, wenn die Bahnstrecke gebaut wird. Die wenigen Touristen, die noch kommen, müssen am Strand Kopfhörer tragen - so groß wird der Baulärm sein."
Brelowski ist Sierksdorferin - und Sprecherin der Allianz gegen eine feste Fehmarnbeltquerung. Sie ist gegen den Tunnel, und das will sie Bahnchef Rüdiger Grube sagen, der gleich kommen wird, und auch Ministerpräsident Torsten Albig. Mehr will sie nicht: Schon vor dem Eintreffen der beiden sagt sie in einer kurzen Rede, dass die Bürgerinitiativen an dem Gespräch, das nun eigentlich gleich in der Trinkkurhalle beginnen soll, nicht teilnehmen werden. "Das ist eine Farce, da machen wir nicht mit", ruft sie ihren etwa 80 Mitstreitern zu. Applaus.
Bewegung in der Menge. Ein Mitarbeiter der Kieler Staatskanzlei stiehlt sich davon. Ein paar Schritte geht er, dann ist er außer Sichtweite und greift zum Handy. Kurz darauf, so ist zu vermuten, ist der Ministerpräsident informiert. Er wird auf Bürger treffen, die nicht dialogisieren wollen.
Der Streit um die Fehmarnbeltquerung tobt seit 2008. Damals wurde der Staatsvertrag zwischen Dänemark und Deutschland unterzeichnet. Dänemark verpflichtete sich zum Bau des Tunnels unterm Belt, Deutschland verpflichtete sich zum Bau der "Hinterlandanbindung". Die A 1 muss bis zur Sundbrücke verlängert und die in die Jahre gekommene Vogelfluglinie endlich ertüchtigt werden. Die eingleisige Strecke, die teilweise mitten durch die Ostseebäder führt, ist noch nicht einmal elektrifiziert. Laute Dieselloks ziehen die Waggons in Hörweite des Strands entlang. Wie löst man das Problem?
Viele Bäder bevorzugen die 2-plus-1-Lösung. Die alte Trasse bleibt und wird für den Bäderverkehr genutzt, für den Transitverkehr wird ein neues Doppelgleis gebaut. Bahnchef Grube hat sich offenbar vorgenommen, diese Lösung aufzugreifen. Und er hat sich vorgenommen, das in der Trinkkurhalle zu verkünden. Grube und Brelowski: Beide haben sich für diesen Ort etwas ausgedacht.
Gleich werden sie aufeinandertreffen. Aber erst einmal geht Grube, der vom Wirtschaftsminister Reinhard Meyer (SPD) begleitet wird, auf die Protestler zu, die vor der Halle stehen. Sie erzählen von ihren Häusern, die an Wert verlieren, wenn die Bahnstrecke gebaut wird. Von der Autobahn, die schon genug Lärm bringt.
Grube sagt, was er an diesem Tag mehrfach sagt: "Wir müssen die bestmögliche Lösung finden." Bei Fachfragen verweist er auf "meinen Experten" Ingolf Leuschel, den Konzernbeauftragten der Deutschen Bahn, der neben ihm steht. Reinhard Meyer assistiert. Der Belttunnel werde mehr Arbeitsplätze bringen, dem Tourismus werde er auch gut tun, sagt er. Ruhig ist er, aber wenn einer unruhig wird, sagt er auch schon mal: "Bitte übertreiben Sie nicht."
Dann stößt der Ministerpräsident dazu. Er kommt aus Lauenburg, hat dort mit der Bundeskanzlerin die von den Elbfluten bedrohte Unterstadt in Augenschein genommen. Albig sagt: "Wir sind jetzt am Anfang eines Prozesses." "Wir wollten die Fehmarnbeltquerung nie, dass ist einfach entscheiden worden", entgegnet eine Frau wütend. Albig verweist auf die Chancen, die mit der Beltquerung verbunden sind. "Wir rücken ins Zentrum eines Verkehrsnetzes, das den Norden Europas mit dem Süden verbindet", sagt er. "Wenn Politik da abseits steht, macht sie einen großen Fehler." Die Frau sagt etwas zusammenhanglos: "Wir sind ja auch in der SPD."
Die Zeit rennt. Grube und Brelowski sind schon in die Trinkkurhalle hineingegangen und warten. Albig spricht draußen weiter. Die Demonstranten pressen ihre Plakate gegen die Fenster des gläsernen Baus. "Hier tragen wir unseren Tourismus zu Grube", steht auf einem der Schilder. Auf einem anderen: "Für Ratekau der größte Sch... ist Variante 2 plus 1". Ratekau, etwas abseits der Ostsee gelegen, würde von der alten und der neuen Bahnstrecke eingeklammert werden.
Dann kommt auch der Ministerpräsident herein. Grube tritt aufs Podium. Er verkündet die Aufnahme der 2-plus-1-Variante ins Raumordnungsverfahren, spricht wieder von der "bestmöglichen Lösung". Dann tritt Susanne Brelowski vor, begleitet von Kerstin Fischer, der Sprecherin der Bürgerinitiative "Ratekau wehrt sich". Das Bürgergespräch sei eine Farce. "Sie schaffen es, die Bürger gegeneinander aufzuwiegeln mit ihrer Forcierung der Trassendiskussion."
Bahnchef Grube hat Mühe, das permanente Lächeln, das ihn an diesem Nachmittag begleitet, an der Flucht zu hindern. Albig steigt vom Podium. Er gibt den beiden Frauen die Hand, streicht ihnen beruhigend über den Rücken. Dann gehen sie, begleitet von etwa 40 Initiativen-Mitgliedern. Einer ruft: "Verarschung". Einer von denen, die bleiben, entgegnet: "Wir sind die Bürger."