Wasser könnte bis auf 10,15 Meter steigen - so hoch wie nie. “Erst hieß es, wir sind sicher, jetzt muss alles schnell gehen.“
Elbtalaue . Ihr Leben lang wohnt die Familie von Christine Panz schon am Ufer der Elbe. "Doch so eine Prognose hatten wir noch nie." Auf über zehn Meter soll das Wasser am Donnerstag in Hohnstorf steigen, und Familie Panz lebt nicht hinterm Deich, sondern davor. Direkt am Fluss. Gegenüber, in der historischen Altstadt von Lauenburg, müssen die Menschen am heutigen Montag bis 9 Uhr ihre Häuser verlassen haben. Einsatzteams aus Polizei, Deutschem Roten Kreuz (DRK) und Seelsorgern gehen von Haus zu Haus, um Hilfe anzubieten.
Ältere oder gehbehinderte Bürger werden mit Pendelbussen zu einer Sporthalle gebracht. Von den 450 betroffenen Bewohnern hätten viele jedoch den gefährdeten Bereich bereits verlassen, sagt der für die Evakuierung zuständige Abschnittsleiter des DRK, Stefan Behrens.
Noch am Sonnabend herrschte vielerorts Gelassenheit in der Elbtalaue zwischen Lauenburg und Hitzacker. Doch dann gab es neue, alarmierende Nachrichten der Hochwasservorhersagezentrale Magdeburg über die Höhe, die das Hochwasser erreichen könnte. So beschloss der Krisenstab, die Menschen in Sicherheit zu bringen: Hitzacker erwartet den Höchststand von 8,50 Meter am Montagabend oder Dienstagmorgen, geht aber davon aus, dass Deich und Schutzwand halten. Problematisch ist die Situation in Neu Darchau, wo nur ein Notdeich aufgebaut worden ist. Der Landkreis Lüneburg hat seine 76 Kilometer Wälle am Sonntag nochmals erhöht, rechnet aber mit Schäden durch das für mehrere Tage erwartete Wasser. In Lauenburg erwartet man am Donnerstag den höchsten je gemessenen Pegel von 10,15 Metern. "Das wäre fast ein Meter mehr als beim dramatischen Hochwasser 2011", sagt Bürgermeister Andreas Thiede (CDU). Auch wenn noch nicht sicher sei, dass dieser Pegelstand tatsächlich erreicht werde, müssten sich Stadt und Bürger auf das Schlimmste vorbereiten. Dann steht die Altstadt unter Wasser, ab einem Pegelstand von 9,50 Metern muss die Stromversorgung abgeschaltet werden. Die Gaststätten am Ufer sind seit Dienstag geschlossen.
Die Lauenburger Gastronomen hieven Kühlanlagen und Gefriertruhen aus dem Keller nach oben, stellen Heizungen ab. "Wir haben alles in 60 Zentimeter Höhe gestellt", sagt Yvonne Langrock in der Schifferbörse, so hoch wird das Wasser im Gasthaus wohl stehen, schätzt sie.
In der ZugSpitze am Lauenburger Bahnhof sieht Zarah Eickelpoth derzeit Lastwagen voller Sand statt der Elbe, wenn sie aus dem Fenster blickt. "Wir liegen etwas höher. Was mit uns wird, wissen wir nicht. Die Prognosen ändern sich ständig." Nur ein paar Schritte weiter ist Yildiz Frühauf vom Café Skipperstreff an der Marina damit beschäftigt, die Steganlage der Sportboote zu sichern. "Das Wasser steigt rasant. Erst hieß es, wir sind sicher, jetzt muss alles schnell gehen. Die Lage ist sehr ernst und bedrohlich." Auch das Elbhotel in Bleckede ist mit Sperrholz und Sandsäcken verrammelt, auf der überfluteten Straße schwimmen Enten.
Von Gefahr will Holger Lahmann weiter flussaufwärts nichts wissen. "Panikmache" nennt er die Prognosen. Seit vier Jahren lebt Lahmann am Elbufer in Tießau bei Hitzacker. Zwar hatte er am Sonnabend einen Teich vor seinem Grundstück, der am Freitag noch nicht da war. Zwar ist auch hier kein Deich. "Ich bin aber ganz gelassen", sagt er und springt zur Abkühlung in seinen Pool.
Ein Dorf weiter sitzt Jürgen Peters unter seiner Markise und guckt auf das Wasser, wo sonst Wiesen sind. "Wir brauchen keinen Deich", sagt Peters. Laut den Prognosen an diesem Nachmittag passiert ihm nichts, sein Vater macht Witze über sein "Haus am See" und den Dorfnamen "Bad Drethem". Sie haben Glück, ihr Zuhause liegt höher am Hang als das einer Nachbarin - bei ihr steht die Elbe bereits an der Terrasse, der Keller ist schon voll.
Im Hotel Scholz auf dem Berg von Hitzacker kümmert sich Viola Radebold um ihre Gäste, während die Bewohner der Altstadt bis Sonntagabend ihre Häuser verlassen sollen. "Hundert Prozent der Gäste haben ihre Zimmer storniert, vor allem Urlauber, die den Elberadweg fahren wollten", sagt sie. Viola Radebold kann dem Elbe-Hochwasser trotzdem noch etwas Gutes abgewinnen: "Unsere Stadt wird zumindest bekannt dadurch - wenn auch auf traurige Weise. Aber hier ist es so schön. Es ist schade, dass die Region nicht bekannter ist."