„Wir sind das Volk“ – mit dieser Losung protestierten die Leipziger gegen die SED-Diktatur. Rechtspopulisten aus Norderstedt wollen den Spruch jetzt für sich nutzen. Die Stadt wehrt sich dagegen.
Leipzig. Die Stadt Leipzig wehrt sich gegen die Vereinnahmung der 1989er-Revolutionslosung „Wir sind das Volk“ durch Rechtspopulisten. Zwei Männer aus Norderstedt hatten sich den Spruch mit dem Zusatz „WSDV“ beim Patenamt in München markenrechtlich schützen lassen, nachdem sie eine gleichnamige Partei gegründet hatten. Gegen den Markenschutz legt die Stadt Leipzig nun Einspruch ein. Der werde an diesem Freitag über eine Anwaltskanzlei auf den Weg gebracht, sagte Stadtsprecher Matthias Hasberg am Donnerstag der Nachrichtenagentur dpa. Die Stadt wolle erreichen, dass der Spruch künftig als Allgemeingut gilt und nicht mehr markenrechtlich geschützt werden kann.
Die beiden Norderstedter haben sich die Wortkombination laut Patentamt für zehn Jahre gesichert. Hat der Einspruch Leipzigs keinen Erfolg, dürfen sie den Slogan kommerziell für Hunderte Produkte, zum Beispiel auf Tassen, T-Shirts oder Büromaterial nutzen. Die nichtkommerzielle Nutzung – etwa auf Demonstrations-Plakaten – wäre weiterhin allen erlaubt. Die Protagonisten der Partei gehören nach Einschätzung des Verfassungsschutzes zur Gruppe der sogenannten Reichdeutschen mit einer thematischen Nähe zum Rechtsextremismus.
Unter dem mächtigen Ruf „Wir sind das Volk“ waren einst die Leipziger Montagsdemonstranten gegen die SED-Diktatur angetreten. Diese Demonstrationen mit bis zu 70.000 Menschen sowie die machtvollen Proteste in anderen DDR-Städten waren der Beginn der friedlichen Revolution und der Anfang vom Ende der SED.
„Die Losung war das verbindende Band“
Bis vor kurzem lagen die Namensrechte für den Ruf noch bei der Stadt Leipzig. Der Markenschutz sollte Missbrauch verhindern. Die Stadt hatte den Begriff allerdings nicht kommerziell genutzt, daher wurde der Schutz gelöscht. Der Markenschutz sei immer nur symbolisch gewesen, sagte Hasberg. Die Stadt habe die kommerzielle Nutzung nie vorgehabt. „Inzwischen haben wir unsere Auffassung geändert“, sagte er. „Es wäre das Schönste, wenn wir erreichen könnten, dass der Spruch in Zukunft von niemandem mehr markenrechtlich vereinnahmt werden könnte.“
Kulturgeschichte-Professor Bernd Lindner vom Zeitgeschichtlichen Forum Leipzig bezweifelt, dass der Slogan „Wir sind das Volk“ auf Abruf eine mobilisierende Wirkung entfalten kann. „Was den Spruch ausmacht ist, dass er spontan aus einer Drucksituation heraus entstand. Die Losung war das verbindende Band“, sagte er. Jetzt hoffe man offensichtlich, dass die Stärke des Spruches wiederersteht und für eigene Zwecke genutzt werden kann, erläuterte Lindner, der damals selbst zu den Montagsdemonstranten gehörte. „Man kann versuchen, die Losung zu instrumentalisieren, aber das wird nur schwer funktionieren.“