Zwei Jahre nach dem Dioxin-Skandal um Harles und Jentzsch klagt die Staatsanwaltschaft zwei führende Mitarbeiter an. Allerdings nicht wegen der belasteten Futtermittel, sondern wegen Betrugs.

Itzehoe. Nach mehr als zwei Jahren Ermittlungsarbeit nach einem Dioxin-Skandal 2011 hat die Staatsanwaltschaft Itzehoe Anklage gegen den Geschäftsführer und den Prokuristen der Skandalfirma Harles und Jentzsch aus Uetersen in Schleswig-Holstein erhoben. Ihnen wird gewerbsmäßiger Betrug in 102 Fällen vorgeworfen, wie der Leitende Oberstaatsanwalt Wolfgang Zepter am Freitag sagte. Außerdem müssen sich beide wegen Vergehen gegen das Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch verantworten.

Der damalige Geschäftsführer und sein Prokurist sollen zwischen Oktober 2009 und Juli 2010 ihren Futterfetten verbotenerweise Fett aus Altspeiseresten beigemischt haben. Die beiden beschuldigten Männer haben zu den Vorwürfen bislang keine Aussagen gemacht. Es geht um 2300 Tonnen, die als Pflanzenfett beziehungsweise pflanzlich deklariert wurden, wie Staatsanwalt Andy Mitterer sagte.

Die Futtermittel gingen bundesweit an 19 Abnehmer, vorwiegend Mastbetriebe, und waren zum Zeitpunkt der Ermittlungen längst verfüttert. Harles und Jentzsch verdiente damit laut Staatsanwaltschaft 1,2 Millionen Euro. Nachdem das Dioxin im Dezember 2010 in Fleisch und Eiern nachgewiesen werden konnte, sperrten die Behörden bundesweit knapp 5000 Bauernhöfe: Zehntausende Legehennen und Schweine wurden später getötet und entsorgt und über zahlreiche Betriebe ein Schlachtverbot verhängt.

„Grund für die Anklage ist nicht der eigentliche, sogenannte Dioxin-Skandal“, sagte Zepter. Die Ermittlungen wegen des Vertriebs von mit Dioxin belasteten Futtermitteln wurden eingestellt. Die Ermittler konnten den Männern nicht nachweisen, dass sie die belasteten Chargen absichtlich ihren Futtermitteln beigemischt haben. Mehr als zwei Jahre lang werteten die Ermittler umfangreiche sichergestellte Unterlagen aus. Dabei fielen ihnen aber Ungereimtheiten aus der Zeit davor auf.

Ein Sprecher des Bundesverbraucherschutzministeriums begrüßte die Anklageerhebung. „Wer Lebensmittel oder Futtermittel panscht, muss zur Rechenschaft gezogen werden. Die Bundesregierung hat die Strafen als Konsequenz aus dem Dioxin-Skandal verschärft, damit die Justiz erwiesene Verstöße härter ahnden kann“, sagte er.

Der stellvertretende Geschäftsführer der Verbraucherorganisation foodwatch, Matthias Wolfschmidt, bemängelte dagegen, dass die einzig wirksame Maßnahme, um Einträge hochgiftiger Substanzen in die Futter- und damit Lebensmittelkette zu bekämpfen, nicht ins Gesetz geschrieben worden sei: die lückenlose, chargengenaue Testpflicht aller Zutaten auf Giftstoffe, bevor sie ins Futter gemischt werden. Der Skandal könne sich deshalb jederzeit wiederholen.

Am 28. Dezember 2010 hatten die Behörden „Dioxin in Futterfett pflanzlicher Herkunft für Schweine und Geflügel“ gemeldet – damit hatte der Fall Harles und Jentzsch begonnen. Insgesamt rund 350 Tonnen Fett aus Altspeiseresten wie beispielsweise aus Imbissbuden sollen die beiden 60 und 61 Jahre alten Beschuldigten gegen eine geltende EU-Verordnung ihren Futterfetten untergemischt haben. Das Fett stammte von einer Firma aus Dielheim in Baden-Württemberg, der laut Staatsanwaltschaft aber nichts vorzuwerfen ist. Das Fett war nicht mit Dioxin belastet, durfte aber nicht für die Futtermittel eingesetzt werden.

Harles und Jentzsch selbst war zu diesem Zeitpunkt längst insolvent. Gläubiger fordern insgesamt 19 Millionen Euro, davon 15 Millionen Euro Schadensersatz. Ein Jahr nach der Pleite übernahm die Firma OleoServ Gmbh die Betriebsstätte am logistisch günstig gelegenen Standort und auch die zehn Mitarbeiter.

Zu Schadensersatzansprüchen von Bauern konnte der leitende Oberstaatsanwalt Zepter am Freitag keine Angaben machen. Das Landgericht Itzehoe hat noch nicht über die Zulassung der 54-seitigen Anklageschrift befunden. Wann der Prozess gegen die Ex-Führung von Harles und Jentzsch beginnt, ist noch unklar. Beide Beschuldigte sind auf freiem Fuß. Bei einer Verurteilung wegen gewerbsmäßigen Betruges drohen ihnen bis zu zehn Jahre Haft.