Bei gleich vier gesellschaftlichen Großereignissen haben Frauen keinen Zutritt. Unzeitgemäß? Die Herren pochen auf Tradition.
Hamburg. Wir befinden uns im Jahr 2013. Ganz Deutschland diskutiert über Frauenquoten, Gleichstellung, Chancengerechtigkeit. Ganz Deutschland? Nein! Ein von unbeugsamen Einwohnern bevölkertes Städtchen hört nicht auf, der Entwicklung Widerstand zu leisten. Es heißt Bremen und liegt im Nordwesten unserer Republik.
Nun ist das Leben kein Comic und die Hansestadt an der Weser kein gallisches Dorf, das den Angriffen der Römer trotzt. Der berühmte Einstieg in jede "Asterix"-Episode passt aber trotzdem. Denn in Bremen, so scheint es, herrscht eine ausgeprägte Macho-Kultur. Gleich bei vier traditionellen Großveranstaltungen, mit denen sich die Stadt rühmt, haben Frauen keinen Zutritt. Höchstens dürfen sie den Herren zugucken - teilnehmen aber nicht. Mann bleibt am liebsten unter sich.
Da ist zum einen das Schaffermahl, das seit 1545 jedes Jahr am zweiten Freitag im Februar zelebriert wird - und eine reine Herrenveranstaltung ist. Je 100 Kaufmänner, Seemänner und geladene Gäste aus Deutschland und anderswo werden in die Obere Rathaushalle geladen, wo sie geschlagene fünf Stunden in Frack oder Smoking bei Stockfisch und Seefahrtsbier an langen Tafeln beisammensitzen. Es wird geschlemmt, getrunken und schließlich Tabak geraucht. Vor allem aber werden hier auch Geschäfte gemacht.
"Es ist das zentrale Ereignis der bremischen Wirtschaft - und hier werden Frauen ausgeschlossen", beschwert sich Ulrike Hauffe. Sie ist Bremer Landesbeauftragte für Frauen. Und sie kämpft seit Jahren dafür, dass das Schaffermahl für beide Geschlechter zugänglich gemacht wird. Den Frauen sollte nicht die Möglichkeit genommen werden, Kontakte zu machen, findet sie. Und meint: "Ihre Leistung für die Wirtschaft Bremens, die beträchtlich ist, wird geflissentlich ignoriert."
Dasselbe geschieht bei der sogenannten Eiswette und vor allem beim Fest hinterher, an dem sogar 750 Gäste, also Männer, teilnehmen. Hier geht es darum, ob die Weser im Winter zufriert oder nicht. Seit 1829 versammelt Mann sich jedes Jahr zunächst am 6. Januar um Punkt 12 Uhr am Flussufer, auch drei als Heilige Drei Könige verkleidete Herren sind anwesend. Und ein "fesch herausgeputztes Schneiderlein", das nach Möglichkeit trockenen Fußes über die Weser kommen soll und der Tradition gemäß nicht mehr als 99 Pfund wiegen darf. Während man es beim Letzteren nicht so genau nimmt, fällt die Antwort auf die Geschlechterfrage für das darauf folgende Feiergelage jeweils am dritten Sonnabend im Januar deutlich aus: "Die Eiswette ist deshalb so erfolgreich und attraktiv, weil die Rituale seit Jahrhunderten Bestand haben", sagt Peter Braun, der 2004 bis 2012 offizieller Präsident der Veranstaltung war. Der Inhaber einer Personalberatung ist sich auch gar nicht so sicher, ob vor allem das Eiswettfest "überhaupt attraktiv für Frauen ist".
Er tut sich allerdings ein bisschen schwer damit zu erklären, was er damit eigentlich meint. "Die Veranstaltung ist eben sehr durch Männer geprägt", sagt er. Und das Verhältnis von Frauen zum Alkohol, nun ja, das sei ja auch ein anderes. Heißt das, beim Eiswettfest sind alle betrunken? "Nein", sagt Braun, "das natürlich nicht. Aber es gibt eben auch Korn." Überliefert ist auch das Ritual der "Raupipau", der Rauch- und Pinkelpause. Eine Stunde dauert sie, hier geht es dann nicht mehr ums Essen, sondern um Netzwerke und Geschäfte. Wenn man ehrlich ist, ist das nichts, was Frauen nicht auch gelegen kommen könnte. "Das Argument der Tradition lasse ich nicht gelten", sagt Hauffe deshalb. "Das ist aus meiner Sicht ein nach außen gerichtetes Abwehrschild, um uns Frauen weiter auszuschließen. Manche Männer haben offenbar massive Angst vor Veränderung. Ich frage mich nur, warum das so ist."
Frauenfeindlich jedenfalls scheint Bremen eigentlich nicht zu sein. Immerhin hat der Stadtstaat bundesweit als einziges Land eine unabhängige Frauenbeauftragte wie Hauffe per Gesetz installiert. Jede Senatsvorlage wird von ihrer Abteilung auf geschlechterpolitische Kriterien hin überprüft.
Davon unberührt sind bisher aber neben den privaten Veranstaltungen Eiswette und Schaffermahl, zu denen auch bereits Bundeskanzler und Bundespräsidenten geladen waren, auch das Bremer Tabak-Collegium und das Stiftungsfest des Ostasiatischen Vereins. Auch hier: Männerwirtschaft. In Hamburg haben dagegen etwa der Übersee-Club oder der Anglo-German Club ihre Türen für Frauen geöffnet. "So hat Bremen jedenfalls mal etwas Besonderes, was Hamburg nicht hat", schmunzelt Braun. "Man hört, dass so mancher Hamburger sogar ein bisschen neidisch zu uns nach Bremen blickt." Wobei es bislang zwei Ausnahmen beim Schaffermahl gab: 2004 war eine Kapitänin dabei, 2007 Kanzlerin Angela Merkel. "Sie hat am Ende ihrer Rede gesagt, dass dies hoffentlich das letzte Schaffermahl ohne Frauen gewesen sei", erinnert sich Hauffe. "So sehr kann man sich täuschen."
Beim letzten Schaffermahl am 8. Februar - einen Monat vor dem heutigen Weltfrauentag - hat Hauffe eine Demo vor dem Rathaus organisiert. Rund 500 Menschen sind ihrem Aufruf gefolgt, auch Männer. "Mein Eindruck ist: Die Mehrheit der Bremer findet, dass die Öffnung des Schaffermahls für Frauen überfällig ist", sagt sie. Trotzdem musste sie sich von manchem Gast auch einen dummen Spruch anhören. "Einer meinte, er nehme die Frauen das nächste Mal gern mit, damit sie hinterher das Geschirr spülen könnten. Da fehlen mir wirklich die Worte."
Und wie geht es nun weiter? Wenn es nach den Herren geht, jedenfalls in aller Ruhe und ohne Hektik. "Man muss darüber diskutieren", sagt Braun, "und dabei die Debatte nicht zu ideologisch führen". Seine Vermutung: Die Zeit wird es richten. "Irgendwann ist der Druck so groß, dass man zugunsten der Frauen umschwenkt." Irgendwann. Irgendwie. Bremer Politikerinnen und Managerinnen können also nur hoffen, dass es nicht ganz so wie bei Asterix bleibt. Hier blieb der Widerstand gegen die Römer für alle Zeiten ungebrochen.