Die CSU nimmt Steinbrück ins Visier, die anderen knöpfen sich vor allem Seehofer vor. Die Parteien schalten in den Wahlkampfmodus.
München. Sieben Monate vor der Bundestags- und der bayerischen Landtagswahl haben die Parteien den Aschermittwoch zu einer Generalabrechnung mit dem politischen Gegner genutzt. SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück und CSU-Chef Horst Seehofer warfen sich gegenseitig Regierungsunfähigkeit vor. Steinbrück bezeichnete Schwarz-Gelb als „Gurkenriege“, Seehofer den SPD-Kanzlerkandidaten als „Schuldenkönig“. FDP, Grüne, Freie Wähler, Linke und Piratenpartei betonten ihre Eigenständigkeit – auch gegenüber potenziellen Koalitionspartnern.
Seehofer attackierte Steinbrück gleich zu Beginn seiner überraschend kurzen Rede scharf. Der habe als Bundesfinanzminister vor allem Schulden hinterlassen. „Steinbrück ist kein Finanzfachmann. Er ist der Schuldenkönig von Deutschland“, rief der bayerische Ministerpräsident seinen Anhängern in Passau zu – verschwieg dabei aber, dass die meisten Schulden als Finanzminister bislang CDU-Mann Wolfgang Schäuble gemacht hat. Mit Blick auf Steinbrücks umstrittene Redehonorare fügte Seehofer hinzu: „Sein Lebensmotto ist offensichtlich: Jedem das Seine und mir das meiste.“
Die CSU präsentierte sich selbstbewusst, verzichtete aber weiter darauf, die absolute Mehrheit in Bayern zum offiziellen Wahlziel auszurufen. Seehofer betonte allerdings: „Niemand kann uns aufhalten, wenn wir uns etwas zutrauen.“ Den ungelösten Koalitionsstreit mit der FDP über die Studiengebühren erwähnte er mit keinem Wort. Stattdessen kündigte der Ministerpräsident an, die Klage gegen den Länderfinanzausgleich im Landtag zur Abstimmung zu stellen.
Steinbrück verwahrte sich gegen Spekulationen über eine neue große Koalition nach der Bundestagswahl. „Ich spiele nicht auf Platz, ich setze auf Sieg, und ich beschäftige mich mit keinem anderen Szenario“, sagte der SPD-Kanzlerkandidat in Vilshofen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) habe in den Jahren der großen Koalition nur wegen der SPD-Minister eine gute Figur gemacht. Die schwarz-gelbe Bundesregierung sei eine „Gurkenriege“ und Seehofer die größte lose Kanone auf dem politischen Deck Deutschlands.
CSU und SPD beanspruchten jeweils für sich, die größte Aschermittwochskundgebung ausgerichtet zu haben. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt sprach von 7000 Besuchern, die SPD reklamierte den Sieg im 5000 Plätze fassenden Zelt jedoch für sich.
FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle wurde bei der Kundgebung der Liberalen in Dingolfing vom bayerischen Wirtschaftsminister Martin Zeil „im Land der Dirndl und Denker“ willkommen geheißen. Viele FDP-Anhängerinnen trugen Dirndl, um Brüderle ihre Unterstützung gegen Sexismus-Vorwürfe zu signalisieren. Eine Journalistin hatte Brüderle vorgeworfen, vor einem Jahr an einer Hotelbar eine anzügliche Bemerkung gemacht zu haben. Dabei soll der FDP-Spitzenkandidat unter anderem gesagt haben: „Sie können ein Dirndl auch ausfüllen.“
In Dingolfing sagte Brüderle, einige versuchten, die FDP auszulöschen: „Der Gegenwind wird noch härter.“ Aber: „Die Nachrufe liegen seit Jahrzehnten auf Wiedervorlage“, und auch bei den Landtags- und Bundestagswahlen im September würden die Wahlergebnisse besser ausfallen als die Umfragen. „Die Freien Demokraten gehören zu Deutschland wie die deutsche Fußball-Nationalelf“, sagte Brüderle.
Die Grünen nahmen sich ausgerechnet den Papst zum Vorbild. Niemand habe mit einem Rücktritt von Benedikt XVI. gerechnet, sagte die bayerische Spitzenkandidatin Margarete Bause in Landshut. „Da werden wir es in Bayern doch auch schaffen, nach 56 Jahren die CSU endlich in die Opposition zu schicken.“ Jürgen Trittin, Spitzenkandidat im Bund, ergänzte, es sei an der Zeit, dass Bayern „nach 56 Jahren vom schwarzen Fluch befreit wird“.
Führende Vertreter der Linkspartei wiesen die neuerlichen Stasi-Vorwürfe gegen ihren Bundestagsfraktionschef Gregor Gysi zurück. Bei den Anschuldigungen gegen Gysi handele sich um „olle Kamellen“, die politische Gegner jedes Mal im Vorfeld von Wahlen hervorholten, sagte die stellvertretende Bundesvorsitzende, Sahra Wagenknecht, in Tiefenbach bei Passau.
Die Freien Wähler zeigten sich mit Blick auf die Landtagswahl siegesgewiss. „Eher geht die CSU in die Opposition, als dass sie die absolute Mehrheit bekommt“, sagte der Landes- und Bundesvorsitzende der Freien Wähler, Hubert Aiwanger, in Deggendorf, vermied aber eine Koalitionsaussage. Die Piratenpartei griff alle Parteien an. Union, SPD, Grüne und FDP verspielten das Vertrauen der Menschen, sagte der bayerische Landesvorsitzende Stefan Körner in Ingolstadt.