Schleswig-Holsteins Wirtschaft lässt kein gutes Haar am Koalitions-Entwurf für ein Tariftreuegesetz und der Höhe des Mindestlohns.

Kiel. Die Koalitionspläne für ein Tariftreue- und Vergabegesetz stoßen bei der Wirtschaft im Norden auf heftigen Widerstand. Im Wirtschaftsausschuss des Kieler Landtags monierten Verbandsvertreter am Mittwoch bürokratische Auswüchse des Gesetzentwurfs und kritisierten die Höhe des geplanten Mindestlohns von 8,88 Euro. „Für den Betrachter von außen ist wenig ersichtlich, dass eines der ärmsten Länder einen der höchsten Mindestlöhne der Republik einführen will“, sagte der Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Unternehmensverbände in Hamburg und Schleswig-Holstein, Michael Thomas Fröhlich, im Ausschuss.

Auftragnehmer müssen den Plänen zufolge künftig nachweisen, ob und wie sie beispielsweise die Gleichstellung von Männern und Frauen sowie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf fördern. Inhaltlich sei dagegen nichts einzuwenden, sagte Fröhlich. Das Gesetz schaffe aber besonders für kleine und mittlere Unternehmen große bürokratische Hürden. „Wir lehnen den Entwurf voll umfänglich ab.“ Er komme einem erheblichen Eingriff in die Tarifautonomie gleich.

Ein Mindestlohn von 8,88 Euro sei im Vergleich zu anderen Ländern wie Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg zu hoch. „Fakt ist, auch in Schleswig-Holstein ist kaum jemand trotz Arbeit arm“, sagte Fröhlich. 98 Prozent der Beschäftigten könnten von ihren Einkommen gut leben. Es gebe aber Bedarf für einen Niedrig-Lohn-Sektor. Auch Industrie- und Handelskammer (IHK) sowie Handwerkskammer lehnen den Gesetzentwurf ab. Die Auftragsvergabe werde dadurch unterm Strich teurer, sagte Marcus Schween, Geschäftsbereichsleiter Recht der IHK. Zudem verstoße der Entwurf gegen Europarecht.

Die Wirtschaft lehnt auch die geplante zentrale Kontrollbehörde ab. Deren Kompetenzen endeten schließlich an der Landesgrenze, sagte Schween. Eine Anpassung bestehender Kontrollmechanismen eigne sich wesentlich besser, die mit dem Gesetz verbundenen Ziele der Koalition zu erreichen. Unverständlich sei der Zeitpunkt der Gesetzesinitiative. Mit dem nordrhein-westfälischen Tariftreuegesetz gebe es in der Praxis erhebliche Probleme. Der stellvertretende Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer, Dirk Belau, sagte, „wir verbessern die Welt nicht, sondern wir schaffen mehr Bürokratie“. Je mehr Auflagen es gebe, desto weniger Betriebe seien in der Lage, sich an öffentlichen Ausschreibungen zu beteiligen.

Kritik am Gesetzentwurf kommt auch von der Opposition. CDU-Fraktionschef Johannes Callsen sprach von einem Bürokratiemoloch. „Wenn SPD, Grüne und SSW ihr Dialogangebot auch nur im Ansatz ernst nehmen, kommt dieses Gesetz nach der heutigen Anhörung in den Schredder.“ Laut CDU-Wirtschaftspolitiker Jens-Christian Magnussen ist das geplante Vergaberecht für Betriebe ohne eigene Rechtsabteilung schlicht nicht umsetzbar. Der FDP-Abgeordnete Christopher Vogt kritisierte, „das Gesetz ist zwar vielleicht gut gemeint gewesen, aber grottenschlecht gemacht worden“.

Die Gewerkschaften unterstützen die Pläne der Koalition dagegen. Sinnvoll sei zudem ein ergänzendes Mindestlohn-Gesetz nach Bremer Vorbild, sagte der zuständige DGB-Sekretär Olaf Schwede. Verdi-Landesleiterin Karin Hesse sprach von einem Kurswechsel zum Wohle der Arbeitnehmer.

Nach dem Willen von SSW-Fraktionschef Lars Harms sollen öffentliche Aufträge künftig nur an Unternehmen vergeben werden, die auskömmliche Löhne zahlen, soziale Verantwortung übernehmen und auf Umweltschutz achten. Das Tariftreue- und Vergabegesetz soll frühestens in der Februar-Sitzung des Landtags verabschiedet werden.