Ein knappes Jahrhundert nach deren Ausrottung im südlichen Ostseeraum gibt es wieder eine Population von 30 bis 40 Tieren vor der Küste.
Stralsund/Vilm. Die Kegelrobben kehren an die deutsche Ostseeküste zurück: Ein knappes Jahrhundert nach deren Ausrottung im südlichen Ostseeraum weisen Experten inzwischen wieder eine stabile Population von 30 bis 40 Tieren vor der Küste Mecklenburg-Vorpommerns nach. „Was uns bislang fehlt, ist die Geburt eines Robbenjungen an der deutschen Ostseeküste“, sagte der Wissenschaftliche Direktor für Meeresnaturschutz am Bundesamt für Naturschutz (BfN), Hennning von Nordheim, am Mittwoch.
Angesichts der seit einigen Jahren stabilen Nachweise rechnen die Wissenschaftler damit, dass das erste Robbenbaby in diesem oder den nächsten Jahren beobachtet wird – geeignet wären Plätze auf Rügen, um den Greifswalder Bodden oder an der Küste vor dem Darß und Zingst, wo bereits jetzt stabil über das Jahr hinweg Robben beobachtet werden. „Es kann jetzt jederzeit zu einer Geburt kommen“, sagte von Nordheim. Innerhalb der vergangenen 15 Jahre hat sich die Population der Kegelrobben von 10 000 auf 25 000 Tiere in der Ostsee erhöht. Schwerpunkt ist traditionell die nördliche und zentrale Ostsee.
Eine solche Geburt werten die Fachleute als „Durchbruch“ bei der Rückkehr der Kegelrobben an die deutsche Ostseeküste. Mit der Geburt eines oder mehrerer Robbenbabys würde eine Art Besiedlungskern entstehen, sagte von Nordheim. „Robben kehren immer wieder an ihren Geburtsort zurück.“ Nach Angaben des Deutschen Meeresmuseums würden Robben bereits in Nähe der deutschen Strände, in Südschweden oder an der dänischen Küste gebären.
Ende des 19. Jahrhunderts lebten in der Ostsee etwa 100 000 Kegelrobben. Durch die gnadenlose Bejagung ist der Bestand in der südlichen Ostsee bis in die 1920-er Jahre vollkommen ausgerottet worden. Zudem hatte die hohe Schadstoffbelastung in der Ostsee durch PCB einen Großteil der weiblichen Tiere unfruchtbar gemacht. Anfang der 1980-er Jahre war der Bestand der Tiere in der Ostsee auf 2500 Tiere geschrumpft.
Fachbehörden und das Deutsche Meeresmuseum wollen jetzt Einheimische und Urlauber für die Rückkehr der Robben sensibilisieren. Vor allem die zu säugenden Jungen brauchen in den ersten Lebenswochen abgeschiedene Liegeplätze. Auch zum Fellwechsel kehren die Robben an Strände zurück – und die sind im Sommer von Urlaubern bevölkert.
Unter dem Motto „Wir sind zurück“ hat das Meeresmuseum zusammen mit dem BfN, dem Landesamt für Naturschutz (LUNG) und dem Umweltverband WWF ein entsprechendes Projekt gestartet. Im Sommer werden rund 50 Strandtafeln entlang der Ostseeküste aufgestellt, sagte Koordinatorin Katharina Maschner. Das Meeresmuseum zeigt von Donnerstag an eine Wanderausstellung, die ab Frühjahr durch die Küstenregionen tourt. Sie informiert über die Biologie, Ausrottung und Wiederansiedlung und gibt Verhaltenstipps. Wichtigster Hinweis: Gebührenden Abstand zu den Tieren halten.
Noch vor zwölf Jahren war ein Wiederansiedlungsprojekt von Kegelrobben am Widerstand der Fischer gescheitert, die in dem Fischfresser einen Konkurrenten sahen. Damals sollten Jungtiere an der Nordküste Rügens ausgesetzt werden. Die Wissenschaftler vom BfN gingen davon aus, dass der Populationsdruck für eine natürliche Wiederansiedlung zu gering sei. Angesichts der stabilen Nachweise haben sie inzwischen ihre damalige Einschätzung zurückgenommen.
Die Nachweisdichte der Tiere ist inzwischen beachtlich: Bei jeder von 20 Beobachtungsfahrten, die Robbenbeobachter im vergangenen Jahr auf dem Greifswalder Bodden unternahmen, konnten die bis zu 2,2 Meter langen Meeressäuger beobachtet werden. Höhepunkt war die Sichtung von zeitgleich 25 Tieren im Frühjahr, sagte Lioba Schwarzer vom Umweltverband WWF.
Den Fischern, die mit der Rückkehr der Robben Fangeinbußen befürchten, wollen die Robbenbefürworter entgegen kommen. So könnten bei nachgewiesenen Schäden Ausfallzahlungen angeboten werden. Allerdings müsste das Fanggeschirr robbensicher gemacht werden.