Polizeigewerkschaft sieht “keinen Grund zur Entwarnung“
Hannover. Die Hells Angels in Hannover haben die Auflösung ihres Charters bekannt gegeben. Ob dies eine Reaktion auf den zuletzt gewachsenen Kontrolldruck der Polizei ist und sich die Rocker zurückziehen, oder ob es nur um ein taktisches Manöver geht, blieb gestern offen.
Fakt ist: In den vergangenen zwei Jahren hat die Polizeidirektion in der Landeshauptstadt ihre frühere Zurückhaltung aufgegeben, kontrolliert das Rotlichtviertel ständig und hat dort sogar eine mobile, rund um die Uhr besetzte kleine Wache eingerichtet. Bis zurück zu Zeiten einer SPD-Landesregierung und einem Chef der Polizeidirektion mit SPD-Parteibuch hatte es zuvor nach Ansicht von Kritikern auch aus der Polizei regelrechte Absprachen gegeben zwischen Hells Angels und Polizei. Als die aber ihren Kurs massiv änderte und konsequent einschritt, zog sich 2011 bereits Frank Hanebuth aus der Stadt zurück. Der gilt als Deutschlands mächtigster Rocker und Strippenzieher hinter den Kulissen.
Er hatte in Hannover Wachdienste eingesetzt und war auch an Kneipen mit Bordellcharakter beteiligt. In einem laufenden Prozess vor dem Landgericht Kiel hat zudem ein Kronzeuge aus der Rockerszene detailliert ausgesagt und Hanebuth eine Schlüsselrolle für die ganze deutsche Szene zugewiesen, nicht nur in Geld- und Organisationsfragen, sondern bis hin zur Entscheidungsgewalt bei geplanten Morden. Als Reaktion auf diese Aussage kam es zur bislang größten bundesweiten Razzia, auch Hanebuths Anwesen vor den Toren von Hannover wurde durchsucht.
Von den Oppositionsparteien im Landtag gab es gestern Beifall für die Auflösung des Charters, aber dennoch massive Kritik an Innenminister Uwe Schünemann (CDU). Dem werfen SPD, Grüne und Linke vor, er habe lange tatenlos zugesehen und die Hells Angels nicht verboten. Mit der Selbstauflösung, so der Verdacht der Opposition, sicherten die Rocker jetzt den Erhalt ihres Vermögens. Der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) hält es für denkbar, dass es nur darum geht, die Geschäfte neu zu strukturieren.
BDK-Vorsitzender Bernd Carstensen: "Das Agieren aus dem Ausland ist eine mögliche Variante." Der Chef der Gewerkschaft der Polizei, Bernhard Witthaut, warnte ebenfalls, die Auflösung sei kein Grund für Entwarnung: "Die Polizei muss den Rockern weiter auf den Füßen stehen und den Fahndungsdruck hochhalten". In Schleswig-Holstein wurden bereits die Hells-Angels-Klubs in Flensburg und in Kiel verboten. In Niedersachsen soll es bis zuletzt an handfesten Beweisen für mafiöse Strukturen gefehlt haben.