Wegen des Einsatzes von Überwachungssoftware fühlt sich die Polizei im Norden zu Unrecht gescholten. Die Debatte habe eine Schieflage.

Kiel. Die Debatte um Überwachungssoftware – sogenannte Staatstrojaner – hat nach Ansicht der schleswig-holsteinischen Polizei eine Schieflage. Mit der „erhitzten öffentlichen Diskussion“ werde der Eindruck erweckt, dass die eigentliche Gefahr für die Bürger durch die Strafverfolgungsbehörden entstehe, die unberechtigt und heimlich in die Computer der Bürger eindringen würden, hieß es in einer gemeinsamen Pressemitteilung des Landeskriminalamtes (LKA) und der Polizeidirektion Lübeck vom Freitag. Tatsächlich werde die Telekommunikation nur in ganz wenigen Fällen von Schwerkriminalität direkt am Computer überwacht – und dies nur mit richterlicher Erlaubnis.

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In Schleswig-Holstein hat die Polizei dies bisher lediglich dreimal beantragt, wobei im ersten Fall 2006 durch die Festnahme eines Täters die Maßnahme nicht mehr notwendig wurde. Dabei sei die Überwachung von Computer-Telekommunikation – zum Beispiel E-Mails, Chats oder per Skype geführte Telefonate – strikt zu unterscheiden von der Online-Durchsuchung von Computern. Letztere sei nur zur Gefahrenabwehr erlaubt, etwa bei drohenden Terroranschlägen, und werde praktisch nur vom Bundeskriminalamt vorgenommen auf der Grundlage des BKA-Gesetzes.

Die Polizei in Schleswig-Holstein habe bisher kein einziges Mal eine Online-Durchsuchung eines Computers vorgenommen, berichtete der Leiter des LKA, Hans-Werner Rogge, bei einem Pressegespräch am Freitag in Kiel. Dagegen diene die sogenannte Quellen- Telekommunikationsüberwachung (TKÜ), also direkt am Rechner, zur Aufklärung und Beweissicherung in Fällen von Schwerstkriminalität. Grundlage hierfür sei Paragraf 100a der Strafprozessordnung. Die Überwachung direkt am Rechner ist laut Polizei notwendig, da zum Beispiel über Skype geführte Telefonate automatisch verschlüsselt werden und sie deshalb schon vor dem Versenden abgehört werden müssten.

In jedem Einzelfall lasse die Polizei von einer Spezialfirma eine Überwachungssoftware entwickeln, die mehr als 10.000 Euro koste und nur die jeweils richterlich erlaubten Überwachungsmöglichkeiten zulasse. Die Polizei im Norden überprüfe die Software vor dem Einsatz. Nach Ansicht von Rogge wäre es durchaus erwägenswert, die Entwicklung solcher Software in staatliche Hand zu geben und nicht mehr Privatfirmen damit zu beauftragen. So könnte möglicherweise fehlerhaften oder zu weitgehenden Überwachungsprofilen noch besser vorgebeugt werden.

„Niemand muss befürchten, dass die Polizei beginnt, eine große Zahl von Internet-Rechnern auszuforschen“, versicherten Polizei und LKA. „Dies ist weder notwendig, noch ist die Polizei dazu rechtlich, technisch oder personell in der Lage.“ Im Vordergrund der Diskussion sollte die Kriminalität stehen und der Polizei das nötige Vertrauen für die anspruchsvolle Ermittlungsarbeit entgegengebracht werden.

Die Polizei werde dem Innen- und Rechtsausschuss des Landtags auf seiner nächsten Sitzung am 26. Oktober Rede und Antwort stehen, sagte Rogge. Nach Ansicht der Grünen sollte die Überwachungssoftware der schleswig-holsteinischen Polizei bis zur Klärung aller Fragen nicht mehr eingesetzt werden. Das LKA hatte bereits am Dienstag erklärt, dass in Schleswig-Holstein der vom Chaos Computer Club (CCC) bekanntgemachte „Staatstrojaner“ nicht verwendet worden sei, sondern eine andere Software. Schleswig-Holsteins oberster Datenschützer Thilo Weichert hat der Polizei angeboten, sie künftig präventiv bei der Entwicklung und dem Einsatz von Überwachungssoftware zu begleiten.