Um den Güterverkehr Richtung Süden auszubauen, sind neue Gleise nötig. Die Bahn will Klarheit, ob sich der Ausbau lohnt.

Hannover/Hamburg. Eine neue Kostenrechnung soll zeigen, wie wirtschaftlich der Bau der neuen Bahnstrecke ist. Dann sieht die Bahn den Bund am Ball: Will er die Planung fortsetzen oder nicht? Die Containerflut in den norddeutschen Seehäfen steigt beständig, ohne bessere Bahnanbindung aber drohen ein Verkehrskollaps, und die Schiffe steuern statt Hamburg oder Bremerhaven ausländische Häfen an. Lange Zeit wurde über eine Neubaustrecke von Hannover Richtung Hamburg und Bremen diskutiert, seit diesem Jahr werden die Planungen für die Y-Trasse wieder vorangetrieben. Dabei werden für das umstrittene Milliarden-Projekt auch die Kosten aktuell berechnet, sagt der Konzernbevollmächtigte der Deutschen Bahn für Norddeutschland, Ulrich Bischoping.

Die jüngste Kalkulation aus dem Jahr 2003 war bereits auf 1,59 Milliarden Euro gekommen, inzwischen ist von weitaus höheren Beträgen zu hören. Kritiker zweifeln daher neben Nutzen und Wirtschaftlichkeit auch die Finanzierbarkeit des Projekts an. Ehe weitere Zeit vergehe, müsse das Bundesverkehrsministerium mit den aktuellen Kosten eine Entscheidung zum Fortgang der Planung treffen, fordert Bischoping.

Bis 2025 werde nahezu mit einer Verdoppelung des Verkehrs aus den norddeutschen Häfen gerechnet, sagt Bischoping. „Das ist, was uns treibt.“ Auf dem bestehenden Bahnnetz könne die zusätzliche Frachtlawine nicht bewältigt werden, auch die stauanfälligen Autobahnen böten keine Entlastung. Auf der in den neunziger Jahren zunächst rein für den ICE-Verkehr geplanten Y-Trasse sollen nun auch tagsüber Güterzüge rollen. Dazu sind Überholbahnhöfe und ein Abzweig Richtung Lehrte angedacht, der das Umfahren von Hannover ermöglicht.

Teures Prestigeprojekt

Zahlreiche Kritiker haben der Bahn indes – gestützt auf Studien - vorgeworfen, auf ein teures Prestigeprojekt statt auf einen sparsamen und in Etappen machbaren Ausbau bestehender Gleise zu setzen. „Selbstverständlich wägen wir Alternativen wie den Ausbau bestehender Strecken sorgfältig ab“, sagt Bischoping. „Wir gehen aber derzeit nach wie vor fest davon aus, dass die im Rahmen des Raumordnungsverfahrens bestätigte Y-Trasse die beste Lösung ist, um die zukünftigen Verkehre abzufahren.“

Als mögliche Alternative werden ein drei- bis viergleisiger Ausbau der Strecke Lüneburg-Uelzen und weiterer Abschnitte bis Celle sowie zusätzliche Gleise auch auf Teilen der Verbindung Hannover-Bremen diskutiert. Dies habe unter anderem den Nachteil, dass es über Jahre während der Arbeiten zu Einschränkungen und Behinderungen an den Strecken käme, gibt Bischoping zu bedenken.

„Die Y-Trasse hat eine Chance, da sie Verbesserungen im Güter- und Personenverkehr mit sich bringt“, ist sich Niedersachsens Wirtschaftsminister Jörg Bode (FDP) sicher. Nicht nur rücken Hamburg, Bremen und Hannover für Bahnreisende einige Minuten enger zusammen, auch können die lärmenden Güterzüge gerade nachts aus den Städten herausgehalten werden.

Um das Langzeit-Projekt voranzubringen, hat Niedersachsen der Bahn bereits einen Vorschuss von zehn Millionen Euro für die Planung zugesichert. Dafür will man ein Wörtchen mitreden: In Walsrode, so erklärt Bode, könne mit einem Überholbahnhof für Güterzüge gleich auch ein ICE-Halt gebaut werden. Zwar sieht die Bahn keinen Bedarf für einen Halt in der Lüneburger Heide, im Verkehrsministerium in Hannover rechnet man aber mit täglich 1500 bis 2000 Fahrgästen. Verwiesen wird auf die anfangs belächelten ICE-Stopps Montabaur und Limburg auf der Schnellstrecke Köln-Frankfurt. Jeweils 2500 bis 3000 Reisende stiegen dort inzwischen täglich ein- und aus.

Bislang hat die Y-Trasse vor allem die Gemüter erhitzt und Betroffene aufgebracht – nun setzen Land und Bahn auf Bürgerbeteiligung und Dialog. Von sachlichen und intensiven Gesprächen mit der Bürgerinitiative berichtet Bischoping. Vor allem soll auch für den Nutzen der Trasse für Niedersachsen selber geworben und große Unternehmen wie Volkswagen, Continental oder Salzgitter als Fürsprecher mobilisiert werden: 22 Prozent der in den norddeutschen Häfen umgeschlagenen Güter nämlich kommen aus Niedersachsen.

Ist der Ausbau die Lösung für den wachsenden Güterverkehr?

Die Bahn will nun Klarheit, ob die sogenannte Y-Trasse oder der Ausbau bestehender Strecken der beste Weg für den wachsenden Güterverkehr ist. Ein Großteil der Züge fährt von Hamburg über Lüneburg-Celle Richtung Lehrte, von Hamburg über Bremen Richtung Osnabrück sowie von Bremen nach Hannover. Die bisherigen Strecken können auf drei bis vier Gleise ausgebaut sowie die Strecken Rotenburg-Verden und Nienburg-Minden um ein zweites Gleis ergänzt werden. Auch eine zweigleisige Elektrifizierung der Heidebahn von Hannover Richtung Hamburg wäre denkbar.

Nachteil: Die Verkehrs- und Lärmbelastung dort wird weiter steigen, für neue Gleise sind Einschnitte in Natur und Städte erforderlich, ein Widerstand in betroffenen Orten ist vorprogrammiert. Während der jahrelangen Arbeiten sind Umleitungen auf andere Strecken mit Behinderungen und Fahrplaneinschränkungen nötig. Zwischen Hamburg und Lüneburg wird derzeit bereits ein drittes Gleis verlegt, ein Sofortprogramm beinhaltet Ausbauten in Bremen und Uelzen. Baurecht hat die Bahn bereits für die zweigleisige Erweiterung von Uelzen nach Stendal, sie ermöglicht von Hamburg kommenden Zügen eine Fahrt über Magdeburg nach Süden.

Und was passiert, wenn die Planungen sich ohne klare Entscheidung weiter in die Länge ziehen? Die Güterzüge werden auf den zunehmend überlasteten Strecken nur noch langsam vorankommen, da sie noch öfter als bisher auf Nebengleisen stoppen müssen, um schnellere Personenzüge durchzulassen oder schlicht im Stau stehen. Mittelfristig schadet das der Wettbewerbsfähigkeit der Häfen. (dpa)