Nach gestiegenen Strahlenwerten fordert auch die Polizeigewerkschaft einen Castor-Stopp. Für Aufsehen sorgt ein Bericht zum Geburtenverhältnis.
Hannover. Verändertes Geburtenverhältnis rund um Gorleben, Veto der Polizei gegen Castor-Transport: Nach dem Anstieg von Strahlenwerten am Atommüll-Zwischenlager Gorleben hat die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) in Niedersachsen einen Castor-Stopp gefordert. „Wenn hier nicht alle Zweifel für eine gesundheitliche Gefährdung beseitigt werden, darf der Castor nicht rollen“, erklärte der Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Thomas Kliewer.
Die erhöhten Werte hätten die Polizisten verunsichert. „In den vergangenen Jahren waren meine Kollegen unter anderem direkt im Zwischenlager untergebracht“, sagte Kliewer weiter. Hier müsse die Fürsorgepflicht über allen rechtlichen Verpflichtungen stehen.
Für Aufsehen sorgte ein Bericht zum Geburtenverhältnis rund um Gorleben. Seit der ersten Einlagerung von Castoren im Zwischenlager hat sich im Umland das Geschlechterverhältnis bei Geburten verändert. Zu diesem Ergebnis kommt das niedersächsische Landesgesundheitsamt (NLGA) in einem unveröffentlichten Bericht, der der Nachrichtenagentur dpa vorliegt.
Vor der ersten Einlagerung wurden auf 100 Mädchen rund 101 Jungen geboren – danach auf 100 Mädchen 109 Jungen. Der statistische Mittelwert liegt bundesweit bei 100 Mädchen auf 105 Jungen. Der Bericht betont: Es sei damit noch kein Beweis auf eine erfolgte Strahlenbelastung im Niedrig-Dosisbereich durch das Lager Gorleben gegeben.
Das Amt wertete Geburtenzahlen in den Bundesländern Niedersachsen, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt in einem 35-Kilometer-Radius um Gorleben aus. Im gesamten Radius wurden dem Bericht zufolge von 1991 bis 2009 rund 27 000 Kinder geboren. Bis 1995 zählte das Amt 3558 Mädchen und 3600 Jungen – von 1996 an 9437 Mädchen und 10323 Jungen.
Die Ergebnisse des Berichts würden noch in dieser Woche veröffentlicht werden, teilte das niedersächsische Gesundheitsministerium mit. „Transparenz ist uns wichtig“, sagte ein Sprecher.
Kliewer forderte erneut eine finanzielle Beteiligung des Bundes und anderer Länder an dem Castor-Transport. Bereits jetzt seien für die Anmietung von Hotels und Containern mehrere Millionen Euro Ausgaben aufgelaufen. Das seien Mittel aus dem Polizeihaushalt.
Greenpeace erklärte: „Ein weiterer Castor-Transport nach Gorleben ist angesichts der hohen Strahlenwerte den Beamten nicht zuzumuten.“ Zuvor hatten unter anderen bereits Niedersachsens Grüne einen Stopp des nächsten Castor-Transports gefordert. Die endgültige Entscheidung, ob es 2011 einen Castor-Transport nach Gorleben gibt, fällt voraussichtlich im Oktober.
Rund 70 Menschen – darunter Abgeordnete aus Europaparlament, Bundes-, Land- und Kreistag – blockierten am Sonntag ein Tor des Erkundungsbergwerks in Gorleben. Die parteiübergreifende Demonstration verlief einem Polizeisprecher zufolge wie angekündigt friedlich.
Vor rund einer Woche wurden bei Messungen am Zwischenlager im Vergleich zum Vorjahr gestiegene Strahlenwerte festgestellt. Daraufhin hat das niedersächsische Umweltministerium verlangt, dass der Betreiber bis Ende September Maßnahmen zum besseren Schutz vor der Radioaktivität vorschlagen muss. Nur wenn das Ministerium diese für geeignet hält, die in der Umgebung messbare Strahlenbelastung zu senken, ist die Einlagerung weiterer Castor-Behälter möglich.
Als mögliche Maßnahme brachte der Betreiber bereits ein Umstellen der Castor-Behälter innerhalb der Halle ins Gespräch. Ob dies die Strahlenbelastung ausreichend senken kann, ist noch nicht klar. Im Juli bereits waren Behälter im Lager umgestellt worden. Die Aufforderung dazu kam vom Bundesumweltministerium und hatte keine Strahlenschutzgründe. Seit 1995 werden in Gorleben ausgediente Brennelemente aus Atomkraftwerken zwischengelagert. (dpa/abendblatt.de)