Die internationalen Seemannsmissionen beraten in Hamburg über die allgemeinen Bedingungen an Bord und den Schutz vor Piraterie.
Hamburg. Seit den Piratenangriffen am Horn vor Afrika wächst die Angst der Seeleute entlang dieser Handelsroute. Die Deutsche Seemannsmission ist sehr besorgt. Auch die internationale Vereinigung ICMA berät nun in Hamburg über Piraterie und die Arbeit an Bord. Die Deutsche Seemannsmission (DSM) hat sich gegen den Einsatz privater Schutzkräfte an Bord deutscher Handelsschiffe ausgesprochen. „Wir sind ganz klar für eine staatliche Lösung“, sagte DSM-Generalsekretärin Heike Proske am Freitag in Hamburg vor der Konferenz der International Christian Maritime Association (ICMA/bis 23.8.). Schließlich trage der Seehandel die Exportnation Deutschland. Deshalb sieht die Mission die Bundesregierung in der Pflicht. Waffen an Bord lehnt die DSM ab: "Durch eine wie auch immer geartete Bewaffnung kann die Situation nur eskalieren“, meinte Proske.
Sie forderte die internationale Staatengemeinschaft auf, mehr Druck auf Somalia auszuüben und dort Hilfe zu leisten. "Da passiert sehr, sehr wenig“, sagte Proske. Am Horn von Afrika ist die Zahl somalischer Piratenangriffe auf Handelsschiffe im ersten Halbjahr
2011 um fast zwei Drittel auf 163 gestiegen. In Deutschland ist eine Diskussion entbrannt, ob durch private Sicherheitskräfte der Schutz der Mannschaften an Bord deutscher Handelsschiffe gewährleistet werden kann. Die Seemannsmission mit ihren 16 Stationen in Deutschland – von Emden bis Rostock – erfahre aus Gesprächen mit betroffenen Seefahrern und deren Angehörigen von großer Verunsicherung und Ängsten, berichtete Proske. Die psychosoziale Betreuung von Piratenopfern nehme zu.
Nicht nur um Piraterie soll es bei der Konferenz der ökumenischen Vereinigung ICMA gehen. Auseinandersetzen wollen sich die Teilnehmer aus weltweit 77 Häfen – von Antwerpen über New York bis Yokohama - auch mit der 2006 auf den Weg gebrachten Maritime Labour Convention (MLC, Seearbeitsabkommen). Das Dokument hält Mindeststandards bei den Arbeitsbedingungen für weltweit mehr als 1,2 Millionen Seeleute fest, es geht unter anderem um Arbeitszeiten, Unterbringung und ärztliche Versorgung.
"Wir hoffen, dass es nächstes Jahr in Kraft tritt“, sagte ICMA-Präsident Douglas Stevenson. Deutschland will vor der MLC-Ratifizierung noch ein neues Seearbeitsgesetz verabschieden. Schnelle Umschlagszeiten der Fracht, kurze Liegezeiten von Schiffen. Die Arbeitsbelastung an Bord könne zu Übermüdung, mangelnder Gemeinschaft und Isolation führen, wissen die DSM-Mitarbeiter. Viele der sie aufsuchenden Seeleute haben vor allem einen Wunsch: das Telefon-Gespräch oder den Internet-Chat mit zu Hause.
Bei der ICMA-Konferenz wollen sich Anglikaner, Katholiken, Lutheraner und russisch-orthodoxe Geistliche auch über seelsorgerische Aspekte ihrer Arbeit austauschen und gemeinsam Gottesdienste feiern. Aus Sicht der Seemannspastorin der evangelisch-lutherischen nordelbischen Kirche, Heike Spiegelberg, ist die Betreuung von Kreuzfahrtschiff-Besatzungen ein neuer Arbeitsschwerpunkt. In die 2010 eingerichtete Seefahrer-Lounge mit Computerplätzen und kleinem Einkaufsshop am Kreuzfahrtterminal in Hamburg kämen pro Schiffsankunft durchschnittlich 91 Crewmitglieder, berichtete sie.
"Mit einem Kreuzfahrtschiff kommt eine geballte Ladung Besatzung“, berichtete Joachim Köhn vom HCC Hanseatic Cruise Centers. An Bord könnten bis zu 1500 Mitarbeiter sein. 121 Kreuzfahrtschiffe mit rund 300 000 Passagieren sollen 2011 in Hamburg anlegen. "Ein harter Arbeitsalltag für die Crews, der wenig Zeit für Besinnung lässt“, sagte Spiegelberg. (dpa)