Nach der Reform gibt es an 132 Standorten einen Zusammenschluss von Haupt- und Realschulen. Zahl der Gymnasiasten pro Klasse von 32 auf 30 gesenkt

Hannover/Kiel. Für mehr als 900 000 Kinder und Jugendliche in Niedersachsen beginnt heute das neue Schuljahr - das sind fast 26 000 Schüler weniger als im Vorjahr. Grund ist der Geburtenrückgang in den vergangenen Jahren. Darauf reagiert Niedersachsen nun als letztes norddeutsches Bundesland mit einer Schulreform. An 132 Standorten nehmen heute die neuen Oberschulen ihre Arbeit auf. Dabei werden die Bildungsangebote von Haupt- und Realschulen zusammengeführt werden.

Kultusminister Bernd Althusmann (CDU) zeigte sich zuversichtlich, dass die neue Oberschule neben den Gymnasien "die zweite Säule im Bildungssystem" sein werde: "Die gute Resonanz zeigt uns, dass wir mit dieser neuen Schulform genau richtig liegen."

Zur Zahl der Klassen an den neuen Oberschulen konnte Althusmann aber noch keine Angaben machen: Nur 17 der neuen Oberschulen bieten auch einen Gymnasialzweig an. Die schulpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Ina Korter, nannte die Nachfrage "mickrig" und hielt Althusmann vor: "Das Versprechen, dass diese Schulen auch das Abitur anbieten können, hat sich weitgehend in Luft aufgelöst."

Anders als etwa das benachbarte Schleswig-Holstein belässt Niedersachsen alle rund 83 000 Lehrerstellen im System, weil die neuen Oberschulen besonders gut ausgestattet werden sollen und zudem die Höchstschülerzahl an Realschulen und Gymnasien pro Klasse zum neuen Schuljahr von 32 auf 30 reduziert wird. Insgesamt liegt die sogenannte Unterrichtsversorgung, rein rechnerisch, mit 101 Prozent künftig auf einem neuen Höchststand.

Kultusminister Althusmann räumte aber ein, auch künftig könne es an einzelnen Schulen durch Erkrankung von Lehrern oder bei den bekannten Mangelfächern zu Unterrichtsausfall kommen. An allen Schulen gebe es vor allem zu wenig Lehrer für Naturwissenschaften, an Gymnasien mangele es zudem auch an Pädagogen, die Latein, Religion und Kunst unterrichten. An Realschulen gebe es nicht ausreichend Kollegen für das Fach Französisch.

Weil das Einschulungsalter gesenkt wurde, steigt - gegen den negativen Geburtentrend - die Zahl der Schulanfänger von 75 000 auf mehr als 78 000 an. Ab 2013 aber, so Bernd Althusmann, würden die Zahlen auch bei den Abc-Schützen voraussichtlich wieder deutlich sinken.

Der schleswig-holsteinische Bildungsminister Ekkehard Klug (FDP) hat derweil gestern in Kiel die Wiedereinführung des Abiturs nach 13 Jahren verteidigt: "Dies ist die Rolle vorwärts und nicht rückwärts." Eine solche Wahlfreiheit für die Schulen ist für Althusmann in Niedersachsen jedoch "kein Thema". Er verwies in Hannover auf die Auswertung der Notendurchschnitte des doppelten Abiturjahrgangs - die Noten unterschieden sich kaum: "Die kürzere Schulzeit führt zu einem absolut gleichwertigen Abitur."

Angesprochen auf die Herabstufung von Niedersachsen im neuen Bildungsmonitor, verwies der Kultusminister darauf, dass in Spitzenländern wie Sachsen und Thüringen die Zahl der Migrantenkinder geringer ausfalle. Auf Nachfrage aber musste er einräumen, dass Niedersachsen vor allem bei Betreuungsangeboten und Kita-Plätzen - ein Angebot, das auch für die Integration entscheidend ist - schlecht dastehe: "Hier brauchen wir erhebliche Anstrengungen, um das Ziel zu erreichen." Bis 2013 müssen alle Bundesländer für 35 Prozent der ein- bis dreijährigen Kinder Betreuungsangebote vorhalten. 2010 kamen in Niedersachsen nur 15,8 Prozent der Kinder unter.