370 Rekruten legten ein letztes Mal in Munster den Schwur ab. Ein wehmütiger Moment. Die meisten hier, wünschen sich die Wehrpflicht zurück.
Munster. Zum letzten Mal nach mehr als 40 Jahren treten in der Kaserne in Munster die Wehrpflichtigen zum Gelöbnis an. Klingendes Spiel, die Sonne blitzt auf im Schellenbaum an der Spitze des Heeresmusikkorps. Knapp 370 Rekruten geloben am Dienstag in der Panzertruppenschule, Recht und Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen. Die jungen Männern sind auf absehbare Zeit die letzten ihrer Art in der Region – vielleicht sogar die letzten für immer, die in Munster ihren feierlichen Schwur ablegen, denn zum 1. Juli wird die Wehrpflicht in Deutschland auf unbestimmte Zeit ausgesetzt. Die Stimmung ist feierlich, ein wenig feierlicher als sonst, sagt ein langgedienter Ausbilder – das Ende einer Ära halt. Zum Schluss ein letztes Mal die Nationalhymne, beim Auszug ein letztes "Preußens Gloria“. Was bleibt, sind offene Fragen, Wehmut und auch Sorgen vor einer ungewissen Zukunft – wie geht es weiter mit der Bundeswehr ohne die jungen Männer, die bisher laut Gesetz zum Dienst verpflichtet waren?
"Ich bin noch immer für die Wehrpflicht“, sagt Stabsfeldwebel Jens Rößler. Er ist seit 30 Jahren dabei, war schon in Bosnien, als Ausbilder ist er ein alter Hase. Allein in Munster hat er mehr als 5000 Rekruten beigebracht, wo es bei der Truppe langgeht. Der Stabsfeldwebel hält nichts von einer reinen Berufsarmee: "Je mehr Kontakt die Bundeswehr zur Bevölkerung hat, desto besser. Wir sind auf breite Unterstützung angewiesen“, meint er. "Außerdem fehlt uns der Nachwuchs.“ Ein Kommandeur in Munster sieht es kaum anders. "Ich bin in meiner fast 33-jährigen Dienstzeit ein ausgesprochener Verfechter der Wehrpflicht gewesen und bin es immer noch“, erklärt Oberstleutnant Jörg Wagener, oberster Ausbilder seines Bereiches. Die Verbundenheit der Bundeswehr mit der Bevölkerung, das daraus erwachsende Selbstverständnis der Soldaten, all dies wären aus seiner Sicht wichtige Argumente für den Erhalt der Wehrpflicht gewesen. Auch Niedersachsens Landtagspräsident Hermann Dinkla ist an diesem bedeutsamen Tag nach Munster gekommen. "Das ist – wer will es leugnen - eine bedeutende Zäsur in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland und der Bundeswehr“, sagt Dinkla. Die Bundeswehr sei ein integraler Bestandteil der Gesellschaft, die Wehrpflicht habe ein festes Band zwischen Armee und Bürgern geknüpft. "Insofern sind wir alle gespannt, wie sich die Zukunft der Bundeswehr, insbesondere bei der Nachwuchsgewinnung, nach der Aussetzung der Wehrpflicht in Deutschland gestalten wird.“
Brigadegeneral Klaus Feldmann betont, dass für ihn die Lösung des Nachwuchsproblems über den Erfolg der Bundeswehrreform entscheidet. "Wir müssen neuen Herausforderungen nun anders begegnen, und das muss schnell geschehen“, sagt der General der Panzertruppen. Paul Schmidt aus dem sächsischen Panschwitz-Kuckau hat noch keine Abzeichen auf den Schulterklappen. Der 19 Jahre alte Schütze ist zum Gelöbnis angetreten. "Der militärische Grundwehrdienst ist eine Sache, die jeder junge Mann durchaus miterlebt haben sollte“, sagt Schmidt. Er ist nicht weniger nachdenklich als sein Brigadegeneral. "Das ist eine Tradition, die verloren geht. Das ist ein Stück Geschichte, das verpufft“, meint er nachdenklich. Der junge Mann ist einer der letzten auf dem verlassenen Rasen der Kaserne in Munster. An anderen Standorten in Deutschland sieht es nicht anders aus in diesen Tagen.