Dieter K. beantragt Entlassung. Kollegen und Missbrauchsopfer entsetzt. Nordelbien muss Rentenbeiträge nachzahlen.


Ahrensburg.
Der
Ahrensburger Ruhestandsgeistliche Dieter K.
legt für immer seinen Talar ab. Er hat seine Entlassung aus dem Dienst der Kirche für Ende dieses Jahres beantragt. Damit wird das Disziplinarverfahren wegen sexuellen Missbrauchs Schutzbefohlener gegen ihn eingestellt. Das ist die erste disziplinarische Konsequenz aus dem bislang größten Missbrauchsskandal der evangelischen Kirche.


Der 72-Jährige, dem angelastet wird, mehrere Jungen und Mädchen im Gemeindebezirk Kirchsaal Hagen Ende der 70er- bis Mitte der 80er-Jahre sexuell missbraucht zu haben, äußert sich bis heute nicht zu den schwerwiegenden Vorwürfen. Auch sein Anwalt war am Mittwoch für eine Stellungnahme nicht erreichbar.


Seit Frühjahr 2010 ermittelt das Nordelbische Kirchenamt in Kiel gegen Dieter K., hörte eine Vielzahl von Zeugen, Opfern, Kollegen. Auch Dieter K. sollte seine Aussage machen. Doch er schwieg, beantragte nun stattdessen seine Entlassung. Damit kam der Pastor einer Entlassung durch seinen Dienstherrn zuvor. Die Ermittlungen des Kirchenamtes belegen "gravierende Verfehlungen, die disziplinarisch nur durch eine Entfernung aus dem Dienst angemessen geahndet werden können", teilte die Nordelbische Kirche mit. Dem Geistlichen drohte die höchstmögliche Disziplinarmaßnahme. Strafrechtlich waren die mutmaßlichen Taten schon vor Beginn der Ermittlungen verjährt. Doch bevor der Vorgang ans Kirchengericht, das allein über eine Entfernung aus dem Dienst entscheidet, weitergeleitet werden konnte, fällte Dieter K. selbst eine Entscheidung.


"Dieser Schritt ist erschütternd und unbegreiflich", sagt Anselm Kohn, Vorsitzender der Opferinitiative "Missbrauch in Ahrensburg". "Der Beschuldigte entzieht sich jeder Bewertung, seine Taten werden weder rechtlich noch moralisch geahndet. Das ist furchtbar für uns Opfer." Nach den vielen Monaten des nach außen getragenen Leids sei dieses Ende ein Schlag ins Gesicht. "Es ist keine Strafe, wenn er sich feige aus dem Staub macht. Wir warten noch immer auf ein Schuldeingeständnis, eine Entschuldigung von Dieter K." Anselm Kohns Bruder Sebastian sagt: "Dieses Ende ist eine Katastrophe. Die Kirche macht es sich zu leicht, ich erwarte mehr."


Dieter K. wird nie wieder Kinder taufen, Paare trauen oder Verstorbene beerdigen. Er darf sich künftig nicht mehr Pastor nennen und keinen Talar mehr tragen. Dieter K. verliert nicht nur das Recht zur öffentlichen Wortverkündigung und Sakramentsverwaltung, sondern auch seine Pensionsansprüche gegenüber der Nordelbischen Kirche. Bis zum Jahresende ist ihm weiter die Ausübung seines Amtes untersagt. Das galt bereits während des laufenden Ermittlungsverfahrens. Völlig unversorgt bleibt Dieter K. nach Dienstende nicht. Sein Dienstherr muss ihn jetzt nachversichern. Das heißt, für die Dauer seiner Amtszeit zahlt die Nordelbische Kirche nachträglich die Arbeitgeberbeiträge in eine gesetzliche Rentenversicherung ein. Dafür werde ein sechsstelliger Betrag fällig.


Wie empfinden die amtierenden Pastoren den Schritt ihres Noch-Kollegen? "Ich bin geschockt und wütend", sagt Pastorin Anja Botta, die seit 2006 den Kirchsaal Hagen betreut. "Es ist eine bodenlose Unverschämtheit meines Kollegen, sich nicht zu den Vorwürfen zu äußern. Er entzieht sich einem Urteilsspruch. In meinen Augen ist dieses Verhalten eines Pastors unwürdig." Dieter K. nehme der Kirche jede Möglichkeit, seinen Fall weiter zu verfolgen. "Doch das wird nichts daran ändern, dass wir verstehen wollen, was damals geschehen ist. Viele Fragen bleiben offen." Offen sind auch weitere Disziplinarverfahren des Kirchenamtes. Es ermittelt seit Juni gegen den Ruhestandsgeistlichen Friedrich H. wegen sexueller Übergriffe auf eine 17- und eine 18-Jährige im Kirchsaal Hagen Anfang der 80er Jahre. Friedrich H. räumte öffentlich bereits "intime Beziehungen" ein. Und auch gegen Pröpstin Margit Baumgarten läuft noch ein Verfahren wegen ihres Umgangs mit Kinderpornographie-Fällen in den Gemeinden Lütjensee und Hamburg-Alt-Rahlstedt. Sie hatte Ende Juli Selbstanzeige beim Kirchenamt erstattet. Seitdem lässt die Pröpstin ihr Amt ruhen.