Der Frischling wurde vermutlich von seiner Rotte verstoßen. Seit Wochen lebt er unter 14 Galloway-Rindern und saugt sogar Milch von einer Kuh.

Waake. Woher es kommt, weiß keiner. Sicher ist aber: Seit sieben Wochen lebt ein kleines Wildschwein in einer Herde Galloway-Rinder auf einer Weide im östlichen Landkreis Göttingen. „Freddy“, so hat Rinderhalter Bodo Bertsch aus Waake das Wildschwein genannt, habe sich die zotteligen Hochlandrinder offenbar als Familienersatz gesucht. Und die aus 14 Alttieren und zwölf Kälbern bestehende Galloway-Herde habe den Frischling nach einigem Zögern auch als vollwertiges Mitglied akzeptiert. Besonders die Kuh „Rula“ habe es Freddy angetan.

Das etwa vier Monate alte Wildschwein weiche ihr kaum von der Seite. Einer seiner Mitarbeiter habe Freddy erstmals im September im Gras zwischen den Rindern entdeckt, sagte Bertsch. „Zuerst konnten wir das kaum glauben“. Aber dann sei das Wildschwein auch in den folgenden Tagen immer wieder mit der Herde über die Weide gelaufen. Zunächst habe er geglaubt, Freddy sei ein männliches Tier, sagte Bertsch. Inzwischen gehe er aufgrund des Augenscheins aber davon aus, dass es sich um ein weibliches Wildschwein handele. Der Rinderhalter vermutet, dass Freddys Wildschwein-Mutter erschossen wurde oder anderweitig ums Leben gekommen ist. Dass sich ein Frischling in einer solchen Situation Rindern anschließe, sei extrem ungewöhnlich, sagte Bertsch. Er habe mit zahlreichen Fachleuten diskutiert. Niemand habe von einem vergleichbaren Fall gehört. Auch Egbert Strauß, dem stellvertretende Leiter des Institus für Wildtierforschung in Hannover, ist etwas ähnliches bisher nie zu Ohren gekommen. „Aber Schweine sind schlau“, sagte er der Nachrichtenagentur dpa. „Das Tier hat bestimmt seine Rotte verloren und sich jetzt eine neue gesucht“. In dieser Ersatz-Familie fühle sich das Wildschwein offensichtlich wohl, sagte Rinderhalter Bertsch. Es fresse Gras wie die Galloways und versuche gelegentlich – allerdings ohne rechten Erfolg – das Muhen der Kühe nachzuahmen. Es habe sogar schon zusammen mit einem Kalb am Euter einer Kuh gesaugt. Und wenn die Rinder sich hinlegen, kuschele es sich an. Wie sehr Freddy sich inzwischen wie ein Rind verhält, werde man wohl Mitte November sehen. Dann wird die Herde auf die Winterweide transportiert. „Bertsch: „Ich bin mal gespannt, ob Freddy dann mit den Galloways auf den Viehanhänger marschiert“.